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Referendariat

»Spiel nicht mit dem Feuer«

Die Erfahrungen des Referendars Mizgin Ciftci mit politischer Bildung, der AfD und seiner Schule

Der Politiklehrer und Gewerkschafter Mizgin Ciftci blickt im Interview zurück auf seine Zeit während der Ausbildung. Er hat sein Referendariat an der Schule an der Lerchenstraße absolviert. In dieser Zeit fungierte Mizgin auch für die GEW im Ausbildungspersonalrat.
Mittlerweile  arbeitet er als Gewerkschaftssekretär für ver.di. [Korrektur, Anm. der Redaktion]
Dass auch im liberalen Bremen kritischer politischer Unterricht nicht unbedingt auf positive Reaktionen trifft, beschreibt er im Interview mit der BLZ. Von seiner Schulleitung hätte er sich mehr Rückhalt gewünscht.

BLZ: Du unterrichtest Politik nicht nur als Institutionenlehre, sondern auch mit dem Anspruch, demokratisches Engagement der Schüler*innen zu fördern. Kannst du ein paar Beispiele aus deiner Praxis nennen?

Mizgin: Ich habe mit meiner 8. Klasse das Thema „Klimawandel“  behandelt und bin dabei auch auf verschiedene Formen des Widerstands eingegangen. Schnell waren die Schüler*innen dann von der „Fridays For Future“-Bewegung angetan und wollten am Internationalen Klimastreik teilnehmen. Mit meinem Politik-Leistungskurs habe ich gemeinsam mit dem Ortsamt Vegesack versucht, einen Jugendbeirat aufzubauen. Das war eingebunden in die Unterrichtseinheit“Jugend und Gesellschaft“, wo es auch um Fragen der besonderen politischen Interessen von jungen Menschen ging.

BLZ: Du hast dich damit aber nicht überall beliebt gemacht.Gab es Widerstände?

Mizgin: Einigen Eltern, aber auch Kolleg*innen hat mein Anspruch an politische Bildung nicht gefallen. Mir wurde mehrfach vorgeworfen, die Schüler*innen zu linken Querdenkern zu erziehen, die alles und jeden hinterfragen würden. Als ich mit meiner Klasse am Klimastreik teilnahm und dabei eine Weste mit Gewerkschaftslogo trug, wurde mir daraus ein Strick gedreht: Ich sei als Lehrer zur Neutralität verpflichtet. Dabei sind freie Gewerkschaften und organisierte Beschäftigte ein Wesensmerkmal lebendiger Demokratien.

BLZ: Welche Erfahrungen hast du mit Kolleg*innen und SuS gemacht?

Mizgin: Die große Mehrheit der Schüler*innen freut sich über emanzipatorische politische Bildung, die aktuelle gesellschaftliche Konflikte aufgreift und sie befähigt, ihre eigenen Interessen zu erkennen und zu vertreten. Meine Schulleitung hat mich dabei jedoch nicht unterstützt. Als es von Seiten einiger Eltern, von denen einige - wie sich später herausstellte - offen mit AfD und Bürger in Wut sympathisieren, zunehmend Kritik an meiner Person gab, wurde ich immer wieder zu disziplinarischen Gesprächen ins Büro der Schulleitung eingeladen. Ich wurde aufgefordert, mich zu zügeln und ›“nicht mit dem Feuer zu spielen“. Das war für mich sehr enttäuschend, denn statt Solidarität zu erhalten, hatte ich das Gefühl, schon im Referendariat einen Maulkorb verpasst zu bekommen.

BLZ: Was würdest du anderen Unterrichtenden im Fach Politik (oder in anderen Fächern) gerne mit auf den Weg geben?

Mizgin: Bildung und insbesondere Politische Bildung bewegt sich nie im unpolitischen Raum. Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks braucht es emanzipatorische politische Bildung, die Schüler*innen hilft, Demokratiefeinden nicht auf den Leim zu gehen. Das ist nicht nur meine persönliche Haltung, dazu verpflichten uns die Landesverfassung und das Grundgesetz. Wenn es politisch motivierte Angriffe auf Kolleg*innen gibt, dann muss nicht nur die Schulleitung, dann müssen alle Kolleg*innen Haltung beweisen und sich solidarisch hinter diesen Kolleg*innen versammeln.

Die Fragen stellte Werner Pfau