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Schwerpunkt

„Sieben Zeitstunden in nur einem Raum“

Das Kollegium der Tami-Oelfken-Schule hadert mit den schlechten Arbeitsbedingungen.

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Die Tami-Oelfken-Schule in Bremen-Lüssum war Thema einer Aktuellen Stunde in der Stadtbürgerschaft nachdem die Lehrkräfte mit ihren Gefährdungsanzeigen eine Art Notruf abgesetzt hatten.

Die Steuergruppe der Schule und Schulleiterin Regina Buhrdorf gaben dem bildungsmagaz!n Auskunft über die derzeitige Situation. Sie blicken mit großen Sorgen in die Zukunft.

Die Tami-Oelfken-Schule wird ab Sommer fünfzügig: Ist das pädagogisch sinnvoll zu schaffen?

Eine Fünfzügigkeit stellt jede Schule vor Herausforderungen. Bei uns kommt aber noch hinzu, dass wir eine inklusive, gebundene Ganztagsschule sind. Und das macht einen großen Unterschied, ob die Kinder um 13 Uhr nach Hause gehen oder bis 15 Uhr beschult werden. Eine inklusive Ganztagsschule erfordert unter anderem ein gutes Raumkonzept: Die Kinder benötigen angemessene Rückzugsräume als auch ausreichend Bewegung. Kinder, die sieben Zeitstunden in nur einem Raum verbringen, in dem gelernt, getobt und gegessen wird - ist das auszuhalten? Und das im inklusiven Kontext? Für das Kollegium der Tami-Oelfken Schule ist das indiskutabel.

Für unsere Schule bedeutet die Fünfzügigkeit, dass wir temporär unsere Kinderküche und unseren Zirkusraum aufgeben werden. Die Konsequenzen für unsere Schule sind zum Beispiel folgende: „Mama lernt Deutsch“ wird beendet, regelmäßige Lerngelegenheiten für alle Schüler*innen im ästhetischen und sportlichen Bereich sowie Entspannungs- und Bewegungsangebote sind nicht mehr umsetzbar, die Turnhallenzeiten für die KiTas im Stadtteil entfallen und damit ein Aspekt in der Gestaltung des Übergangs KiTa-Grundschule. Es werden 11 von 15 Klassen in den Klassenräumen zu Mittag essen. Die Überbelegung unserer Schule betrifft auch die Pausensituation. Schon nach der Umstellung auf die Dreizügigkeit gab es keine zusätzlichen Spielgeräte und mehr Konflikte. Nun fallen weitere Spielflächen durch die Mobilbauten weg, gleichzeitig sind mehr Kinder auf dem Schulhof. Eine Erholung im Sinne der Rhythmisierung ist somit kaum gegeben.

Hinzu kommt, dass drei Klassenverbände keinen festen sowie klassennahen Differenzierungsraum haben. Separate Rückzugsräume für Kinder mit Förderbedarf entfallen - vor allem für Schüler*innen mit Förderbedarf im Bereich Autismusspektrumstörungen. Ab Schuljahr 2024/25 müssen zusätzlich Sporthallenzeiten reduziert werden. AG/Kreativ-Bänder in geteilten Gruppen sind dann nicht mehr umsetzbar.

Wann werden die Container-Klassenräume einsatzbereit sein?

Es wurde bereits kommuniziert, dass die Mobilbauten nicht rechtzeitig zum Schuljahresbeginn stehen werden. Wir haben verstanden, dass die Lieferzeit ca. 13 Monate beträgt, so dass wir davon ausgehen, dass die Mobilbauten frühestens im Februar 2024 bezugsfertig sein werden.

Wie ist der aktuelle Stand der Gefährdungsanzeigen?

Die Gefährdungsanzeige bezog sich auf die bestehende Dreizügigkeit und die daraus resultierenden Belastungen. Das Kollegium hat bislang noch keine Antwort erhalten. Allerdings erfuhren wir, dass eine Fünfzügigkeit für Sommer 2023 geplant ist. Diese neue Situation bereitet allen große Sorgen, da hier weiter steigende Belastungen zu erwarten sind. Wir befürchten, dass der anhaltend hohe Krankenstand sich verschlimmern und eine Personalgewinnung erschwert sein wird.

Welche Professionen neben den Lehrkräften fehlen Ihrer Schule besonders?

Zum Zeitpunkt der Überlastungsanzeige fehlten 135 Stunden im Assistenzbereich. Ab Februar sind es planmäßig 20 Stunden. Des Weiteren sind zwei Stellen (Sozialpädagog*in und Psycholog*in) der IHTE-Maßnahme der Hans-Wendt-Stiftung unbesetzt.

Was erwarten Sie von der Bildungsbehörde?

Wir haben seit Jahren Problemlagen und Bedarfe klar benannt. Nun wünschen wir uns zeitnahe Hilfen und eine produktive Zusammenarbeit und dass endlich kurzfristige Lösungen gefunden, sowie mittel- und langfristige Planungen verlässlich umgesetzt werden. Wir erwarten zum einen eine Reaktion auf ein von uns verfasstes Positionspapier und die Gefährdungsanzeige. Zum anderen die Unterstützung bei der Setzung von Anreizen für die Personalgewinnung. Und die Angleichung der Arbeitsbedingungen der Erzieher*innen an die KiTa (TVL 8a nach 8b, Vor- und Nachbereitungszeit, etc.)

Was sind die größten Wünsche der Beschäftigten auch mit Blick auf die Bürgerschaftswahl?

Die Anerkennung des Bildungsauftrages der Schule für alle Schüler*innen und die Bereitstellung aller dafür nötigen Mittel und systemischen Veränderungen, um das Ziel der Bildungsgerechtigkeit umsetzen zu können. Dafür braucht es deutlich weniger Schüler*innen pro Klasse (maximal 15 Kinder und trotzdem eine Doppelbesetzung) und für viele Kinder ein zusätzliches Jahr in der Grundschule, um die nötige Alltagssprache und Grundkompetenzen für eine Schulreife zu erlangen. Wir wünschen uns, dass getroffene Entscheidungen und zukünftige Unterstützungsangebote auch nach der Wahl parteiübergreifend Bestand haben werden, um eine Planungssicherheit zu bekommen.

Auch eine Veränderung der Berechnungsmodelle für die Schulstandortplanung würden wir uns wünschen, sodass aktuelle Bedarfe frühzeitig erkannt und geplant werden können.

Was halten Sie von der Tami-Oelfken-Berichterstattung der Bildzeitung?

Niemand aus der Tami-Oelfken-Schule hat mit der Bildzeitung gesprochen. Problematisch ist, dass es in den Artikeln auch Falschaussagen gab und es sprachlich zudem sehr polemisch formuliert war. Schwierig ist, dass wir als Bremens „Problemschule“ tituliert wurden. Wir sind keine Problemschule!

Wann reißt bei Ihnen, Frau Buhrdorf, der Geduldsfaden?

Eine Überlastungsanzeige des Kollegiums ist kein Spaß. Dahinter steht kräfteraubende Arbeit vieler Monate, manchmal auch Jahre, zahlreiche Besprechungen und die Erkenntnis am Schluss, dass wir uns mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht weiter selbst helfen können. Als Schulleiterin stehe ich in diesem Fall voll hinter meinem Kollegium, weil ich sehe wie sie sich für die ihnen anvertrauten Kinder einsetzen.

Das sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp zur Lage an der Tami-Oelfken-Schule

In keinem Quartier in Bremen sind in so kurzer Zeit so viele zusätzliche Menschen hingezogen wie auf der Lüssumer Heide in Blumenthal - entgegen aller Prognosen. Über die Hälfte davon sind Kinder. Kurze Beine brauchen kurze Wege. Wir brauchen schnell eine zusätzliche Grundschule in Blumenthal. Das habe ich durchgesetzt. Sie wird mit Hochdruck geplant.

Aber bis dahin brauchen wir weiter das solidarische Engagement und den Einsatz des Kollegiums vor Ort. Ich sehe die besonderen Herausforderungen. Und wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um eine gute, konkrete Unterstützung zu geben. Räume werden umgewandelt und ausgestattet, Sanitäranlagen umgebaut und Möbel bestellt. Alles wird bis zum Sommer 2023 fertig sein. Zusätzlich soll ein weiterer Mobilbau Ende 2023 genutzt werden können.

Eine Riesenkraftanstrengung für die Beschäftigten bleibt es aber auf alle Fälle. Dafür kann ich mich nur bedanken. Denn auch die Kolleginnen und Kollegen vor Ort wissen: die Kinder auseinander zu reißen und einen Teil von ihnen jeden Tag weit durch die Stadt zu karren ist keine kindgerechte Alternative.