Zum Inhalt springen

Radikalenerlass in Bremen aufheben!

Auf Initiative von Hermann Kuhn wurde folgender Antrag in der Bremischen Bürgerschaft am 10.11.2011 eingebracht und dort einstimmig beschlossen:

Am 28. Januar 1972 haben die Ministerpräsidenten der Länder und der Bundeskanzler die „Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst“, allgemein „Radikalenerlass“ genannt, beschlossen. Einige Jahre später wurden diese Grundsätze durch ländereigene Regelungen konkretisiert, in Bremen 1977 durch das „Verfahren bei Feststellung des Erfordernisses der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst“, verändert durch Senatsbeschluss im Jahr 1983. Dieser Erlass ist bis heute formal in Kraft.
In Umsetzung des Radikalenerlasses und ergänzender Landesregelungen sind in Bremen vor allem in den siebziger und achtziger Jahren mindestens 70 im öffentlichen Dienst Beschäftigte bzw. Bewerberinnen oder Bewerber an der Ausübung eines Berufs gehindert worden oder haben andere Einschränkungen und Nachteile erlitten.
Der Radikalenerlass und die daraus folgende Praxis der politischen Überprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern für den Staatsdienst waren nicht nur in Deutschland von Beginn an umstritten; auch im europäischen Ausland wurden sie heftig kritisiert.
Denn nach dem Radikalenerlass wird nicht konkretes, ggf. strafbares, Handeln der Beschäftigten im öffentlichen Dienst beurteilt, sondern aus der reinen Mitgliedschaft in einer Organisation abgeleitet, dass Beschäftigte oder Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst nicht tragbar seien.
Bereits am 26. September 1995 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass der Radikalenerlass in Bezug auf bereits eingestellte öffentliche Bedienstete einen Verstoß gegen die Artikel 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Willy Brandt selbst nannte den Radikalenerlass später einen Fehler seiner Regierung, Helmut Schmidt stellte fest, dass mit „Kanonen auf Spatzen geschossen worden sei“. Der Radikalenerlass war ein politischer Fehler.
Nach mehr als einem Vierteljahrhundert seit dem letzten Handeln des Senats in diesem Zusammenhang, ist es deshalb an der Zeit, das Thema „Radikalenerlass“ in Bremen endgültig zu beenden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, die „Richtlinien über das Verfahren bei Feststellung des Erfordernisses der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst“, Fassung vom Februar 1983, aufzuheben.

Die Bürgerschaft (Landtag) bittet den Senat, in geeigneter Weise mit den Betroffenen einen ideellen Abschluß zu suchen.

„Eine Senatsvorlage zur Aufhebung wird derzeit vorbereitet“ hört man aus Senatskreisen. Spannend wird dann noch, in welcher Weise der „ideelle Abschluss“ gesucht werden wird. Es scheint, dass dies alles bis zum 28.1.2012, dem 40. Jahrestag des Radikalenerlasses, geschehen könnte.