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Befristungsbranche Öffentlicher Dienst

Vor allem Berufsanfänger hangeln sich von Job zu Job. Es gibt im Öffentlichen Dienst mittlerweile mehr und längere Befristungen als in der privaten Wirtschaft.

Wer einen sicheren Job will, der geht in den Öffentlichen Dienst. Wer gut verdienen will, geht in die Privatwirtschaft – so war das früher. Einige Arbeitsplätze in der sogenannten freien Wirtschaft sind nach wie vor sehr gut dotiert, aber das Bild vom sicheren Arbeitsplatz im Staats- und Landesdienst stimmt so nicht mehr. Der Öffentliche Dienst ist zur Befristungsbranche schlechthin geworden. Dies ist das alarmierende Ergebnis eines aktuellen Forschungsberichts des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Vor allem die Berufsanfänger sind betroffen: Der Anteil der befristeten Neueinstellungen im Öffentlichen Dienst lag 2014 bei 45,2 Prozent, in der Privatwirtschaft nur bei 32,4 Prozent. Die Hälfte der befristet Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ist 25 bis 34 Jahre alt. Besonders schlimm ist die Befristungssituation an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen – der Anteil dort besonders hoch.
Zusätzlich hat sich die Dauer der Befristung in den vergangenen zehn Jahren für die 25- bis 34-Jährigen von 31 auf 58,5 Monate nahezu verdoppelt. Damit sind diese Beschäftigten im Öffentlichen Dienst im Durchschnitt fast fünf Jahre befristet und liegen so dreieinhalb Jahre über der Befristungsdauer in der Privatwirtschaft. Das Ergebnis ist doppelte Planungsunsicherheit. Zum einen haben die jungen Beschäftigten keine nachhaltige Perspektive, zum anderen können die Arbeitgeber, weil sie „flexibel“ bleiben wollen, keine langfristige Personalplanung machen.
Dabei brauchen die Länder- und Bundesbehörden - auch die Bremer Senatorin für Kinder und Bildung - ab sofort viele Nachwuchskräfte. Bis zum Jahr 2020 werden 17,7 Prozent der jetzigen Beschäftigten in Pension oder in Rente gehen, im Jahr 2030 werden im Vergleich zu heute sogar fast die Hälfte der derzeit Beschäftigten ausgeschieden sein.
Seit 1991 ist nach Gewerkschaftsangaben die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von 6,74 auf 4,65 Millionen zurückgegangen. Laut OECD liegt Deutschland damit weit hinten. Nur 10,6 Prozent aller Beschäftigten von Flensburg bis Berchtesgarden arbeiten bei den Behörden. Der OECD-Schnitt liegt bei 15,5 Prozent.
Dennoch verhalten sich der Staat und die Länder kontraproduktiv und befristen massiv weiter. Gutes qualifiziertes Personal bekommt man so nicht oder nicht ausreichend. Der Öffentliche Dienst hat auch deshalb zuletzt stark an Attraktivität verloren.
Zudem sind die Chancen auf eine Übernahme nach der Befristungszeit im Öffentlichen Dienst geringer als in der Privatwirtschaft. 2014 wurden in den Unternehmen 41,5 Prozent der Befristeten übernommen, in den Behörden waren es nur 32 Prozent. Die Befristungspraxis wird so immer mehr zu einem Problem für Beschäftigte und Gemeinwesen.
Der IAB-Bericht spricht von einer „dreifachen Segmentierung“ der Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst: „Erstens die Segmentierung in Beamte und Arbeitnehmer, zweitens die in befristet und unbefristet Beschäftigte, wobei überwiegend Arbeitnehmer befristet beschäftigt werden, und drittens die Segmentierung nach Alter. Letztlich sind es die jungen Arbeitnehmer, die befristet beschäftigt werden.“
Besonders problematisch sei der rasante Anstieg im Bereich der sachgrundlosen Befristungen. Bereits seit 1985 besteht in der alten Bundesrepublik die Möglichkeit, Beschäftigte mit einem befristeten Vertrag auszustatten – ohne dafür einen Grund zu nennen. Als Befristungen mit Sachgrund gelten beispielsweise Schwangerschafts- oder Elternzeitvertretungen. Die GEW und andere Gewerkschaften fordern seit langem, sachgrundlose Befristungen wieder abzuschaffen. Staat und Länder stellen jedoch auf stur – unter anderem mit Verweis auf die angeblich unklare Datenlage. Mit der IAB-Studie haben die Gewerkschaften nun viele gute Argumente dafür, einen neuen Anlauf zu nehmen. Denn im Öffentlichen Dienst gab es 2004 für 17,5 Prozent aller Befristungen keinen sachlichen Grund, 2013 waren es bereits 35,7 Prozent. Ersatzbedarf ist dabei in weniger als der Hälfte der Fälle der Grund für die Befristung. Oft liegt es an fehlenden Finanzmitteln.

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