Zum Inhalt springen

Zeitlupe

Irreführende Informationen in den sozialen Medien

Was wir gegen die Verbreitung tun können

Christopher Jones, Universität Bremen [Foto: privat]

Irreführende oder falsche Informationen werden in den sozialen Medien häufig rasend schnell verbreitet – egal, ob sie von Prominenten, Politiker:innen oder Privatpersonen stammen. Nutzer:innen der Social-Media-Kanäle dürften solche Informationen bereits angezeigt worden sein, nicht wenige werden sie auch geteilt haben. Insbesondere in Zeiten, in denen Nutzer:innen ein hohes Informationsbedürfnis haben, kann dies jedoch weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. So haben Falschinformationen während der Pandemie erheblich dazu beigetragen, Angst und Unsicherheit zu schüren und so das Vertrauen in Schutzmaßnahmen reduziert und die Impfbereitschaft beeinträchtigt. Die WHO sprach angesichts der Flut an Informationen sogar von einer „Infodemie”.

Forschungsbemühungen

Bisher konzentrieren sich die meisten Forschungsbemühungen darauf, wie wir Informationen verarbeiten und verstehen. Die Annahme lautete: Es ist schwierig, in der schier unendlichen Menge rasch präsentierter Informationen vertrauenswürdige von irreführenden Beiträgen zu unterscheiden. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Zeit oder die kognitiven Ressourcen begrenzt oder aber wenig Vorwissen vorhanden sei. Eine Reihe von Studien konnte so zeigen, dass die Verbreitung von Falschinformationen oftmals ohne böse Absicht, sondern automatisch und ohne bewusste Prüfung geschehe. Dabei entscheidet dann nicht die Qualität oder Vertrauenswürdigkeit der Information darüber, ob sie geteilt wird. Ironischerweise beschleunigen der Aufbau und die Empfehlungsalgorithmen der Plattformen die Verbreitung von Fehlinformationen noch zusätzlich, sodass die beispielsweise von Twitter eingeführten Gegenmaßnahmen wie Warnhinweise und Faktenchecks sich als weitgehend unwirksam erwiesen haben.

Glaubwürdigkeitsindikatoren

Auch die sozialen Prozesse tragen zur Verbreitung von Falschinformationen bei, beispielsweise angezeigt durch „likes“, eines der Kernelemente aller Social-Media-Plattformen, können tatsächlich einen stärkeren Einfluss auf das Verhalten der Nutzer:innen haben, als die inhaltliche Qualität der Beiträge. Dies ist insbesondere der Fall, wenn man aus dem „eigenen Netzwerk“ etwas teilt und traditionelle Glaubwürdigkeitsindikatoren fehlen. Soziale Informationen wirken dabei auf drei Ebenen: 1. Nutzer:innen verlassen sich häufig auf die „likes“, „retweets“, um die Glaubwürdigkeit von Informationen einzuschätzen. 2. „Likes“ bieten auch normative Informationen über die Häufigkeit des Verhaltens bei anderen Nutzer:innen und dessen allgemeine Akzeptanz. 3. Das Teilen von Nachrichten kann dazu dienen, die eigene Identifikation mit einer bestimmten Gruppe zu zeigen oder den Unterschied zu Gegengruppen hervorzuheben.

Ausgewogenheit

Trotz dieser zentralen Rolle sozialer Information zeigen Plattformen weiterhin nur sehr einseitig „likes“, „retweets“ und andere Formen der (indirekten) Zustimmung an, sodass ein wichtiger Teil der sonst verfügbaren Informationen fehlt, nämlich, was andere nicht tun oder nicht mögen. Während bereits deutlich wurde, dass beispielsweise beim Kauf im Supermarkt solche Informationen wichtig für unser Verhalten sind, konnten wir nun in experimentellen Untersuchungen aufzeigen, dass ausgewogenere Informationen auf Social Media auch das Teilverhalten der Nutzer:innen verbessern können. Die gezielte Ansprache sozialer Prozesse könnte somit ein wichtiger Baustein sein, um das Teilen irreführender und falscher Informationen zu reduzieren und Nutzer:innen dabei zu unterstützen, die für sie wichtigen Informationen zu finden.