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Schwerpunkt

Freundschaften durch politische Kooperation

Die deutsch-polnische Schulpartnerschaft „IGS Osterholz-Scharmbeck und Liceum 2 Kwidzyn“ wirkt nachhaltig

Helge Kaiser ist ein Leuchtturm. Und Katarzyna Wojciechowska auch. Beide Lehrkräfte verantworten seit vielen Jahren gemeinsam mit ihren Kolleginnen Franziska Vollmer und Ewa Chwiędacz-Feluś den Austausch zwischen der IGS Osterholz-Scharmbeck und dem Liceum Nummer 2 im polnischen Kwidzyn. Das Besondere an diesem aus einer Landkreispartnerschaft geborenen Austausch: Es gibt noch einen Dritten im Bunde. Der Landkreis Osterholz unterstützt mit pädagogischem Personal seiner Bildungsstätte Bredbeck das Langzeitprojekt, das 2006 mit dem Besuch einer ersten polnischen Gruppe in Osterholz-Scharmbeck begann und sich seit 2009 zu einer Schulpartnerschaft verfestigt hat, die schon lange auch einen offiziellen Status hat.

Hohe Wertschätzung

Der deutsche Geschichts- und Sportlehrer und seine Deutsch-Kollegin aus Kwidzyn sind seit 2011 am Start und aus einer Arbeitsbeziehung ist längst eine dicke Freundschaft des Teams geworden. Denn für die Lehrkräfte sind die meist neuntägige Reise nach Polen und der einwöchige Rückaustausch mit Unterkunft in Bredbeck eine Herzenssache, die längst ihre eigenen Traditionen begründet hat. Das Projekt beginnt nach einer langen Zugfahrt mit einem viertägigen Aufenthalt in einem Sporthotel an der Ostsee, wo sich die Schüler:innen beider Oberstufen auf quasi neutralem Terrain beschnuppern können, bevor es nach einer Stadtbesichtigung in Danzig weiter nach Kwidzyn geht, wo die Unterkunft in Gastfamilien einen Eindruck vom Leben in Polen vermittelt. Gemeinsam wird bereits an der Ostsee an einem umfassenden Thema gearbeitet. Die Arbeitssprache ist Englisch. Das Ergebnis ist in Kwidzyn oft eine Ausstellung und eine Präsentation vor politischen Vertreter:innen. Kaiser freut sich über den hohen Stellenwert in Polen: „Dort ist das Projekt ganz oben angesiedelt und genießt immense Wertschätzung.“ Der polnische Landrat persönlich empfängt regelmäßig die Beteiligten im Kreishaus.

Kritische und kontroverse Themen

In Bredbeck wird das Thema dann weiter ausgearbeitet, vielfach steckt ein großer theaterpädagogischer Anteil im Ergebnis, das wie auch schon in Polen von den Pädagogen aus der Bildungsstätte methodisch und inhaltlich angereichert wird. Mit den Jahren sind die Themen kritischer und kontroverser geworden. Standen zuerst Themen aus Tradition und Kultur im Mittelpunkt, so sind heute auch aktuelle Diversitäts- und Klimadiskussionen kein Tabu mehr. „Alle sind dadurch noch viel politischer und bewusster geworden und sehen, wie wichtig Demokratiebildung ist“, stellt der IGS-Lehrer fest. Doch beim Besuch der polnischen Schule verstören Profile wie „Öffentliche Sicherheit" mit einheitlich schwarzer Uniformierung von Schüler:innen die deutschen Besucher:innen nach wie vor und auch die in Polen anstehende Einführung eines verpflichtenden Schießtrainings sorgt für Diskussionen.

Gewachsenes Vertrauen

Doch die Brücken zwischen beiden Seiten sind tragfähig. Denn das Vertrauen, dass aus der langen Zusammenarbeit gewachsen ist, trägt über alle unvorhergesehenen Ereignisse hinweg. Der gemeinsame Teamtag in Polen, wenn die Teilnehmer:innen in den Gastfamilien angekommen sind, gilt nicht umsonst als Höhepunkt. Entspannung im Wochenenddomizil der polnischen Kollegin inklusiver langer Waldspaziergänge und langer Nächte am Lagerfeuer - auch daraus ist diese langjährige Freundschaft geschmiedet. Und aus den unzähligen komischen und berührenden Ereignissen, die beide Teams teilen: Deutsch-polnische Liebespaare, ein herausforderndes Projekt mit einer fünftägigen Fahrradtour und Teilnehmer:innen, für die der „Polen-Austausch" zu einem Erlebnis geworden ist, das sie für ihr weiteres Leben nachhaltig prägt. Und weil das seit inzwischen seit über zehn Jahren so ist, gilt das Projekt dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk inzwischen als eines der erfolgreichsten und nachhaltigsten – eben als Leuchtturm-Projekt.