Angesichts der Pläne der damaligen rot/grünen Bundesregierung hatte Roland Koch/CDU im Jahr 2000 mit einer groß angelegten Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl in Hessen gewonnen, die Mehrheit im Bundesrat gekippt und die „Optionsregel“ erzwungen. Sie besagt, dass seit dem Jahr 2000 Kinder ausländischer Eltern, die schon lange in Deutsch-land leben, automatisch nicht nur nach dem „Blutrecht“ die Staatsangehörigkeit der Eltern bekommen, sondern nach dem „Bodenrecht“ auch die deutsche Staatsbürgerschaft; also einen „Doppelpass“. Dies war vorübergehend auch rückwirkend möglich für solche Kinder, die spätestens im Jahr 1990 geboren waren. Allerdings sieht die Optionsregel vor, dass alle diese Kinder sich ab dem 18. Geburtstag für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden, bis zum 21. Lebensjahr den Wunsch auf Beibehaltung beider Staatsbürgerschaften gegebenenfalls beantragen und bis zum 23. Geburtstag die Aufgabe der nichtdeutschen Staatsangehörigkeit nachweisen müssen. Die junge Frau aus Hanau hatte zwar ihren Ausbürgerungsantrag aus der Türkei gestellt, da diese aber noch nicht vollzogen war, wurde ihr am ersten möglichen Tag die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen.
Einbürgerung mit Doppelpass
Pünktlich zum 2. Januar 2013 wurde eine junge Deutsche, gerade 23 Jahre alt geworden, im Regierungsbezirk Darmstadt nach der Optionsregel ausgebürgert. Es handelt sich dabei um die erste öffentlich bekannt gewordene Ausbürgerung in der Bundesrepublik Deutschland. Vielleicht ist es kein Zufall, dass dies gerade in Hessen geschah.
Sie wird nicht die Einzige bleiben. Über 3300 junge Menschen werden in Deutschland im Jahr 2013 den 23. Geburtstag feiern und können nach der Optionsregel ausgebürgert werden, wenn sie keine entsprechende Entscheidung getroffen haben. In Bremen werden es dieses Jahr 40-50 Menschen sein. Es drohen auch in Bremen bis zu zehn Ausbürgerungen, weil bisher entweder keine Erklärung abgegeben wurde oder keine Entlassung aus der nichtdeutschen Staatsbürgerschaft nachgewiesen wurde.
Bundesweit wird die Zahl der Optionspflichtigen bis 2018 auf jährlich bis zu 40.000 anstei-gen. Im Zeitraum 2008 bis 31.12. 2012 wurden auch in Bremen 260 18-Jährige aufgefordert, eine Entscheidung zwischen ihren beiden Staatsangehörigkeiten zu treffen. Weniger als die Hälfte der Betroffenen haben bereits eine Entscheidung gefällt. In den folgenden fünf Jahren bis zum 31.12. 2017 werden weitere 419 Bremer Jugendliche optionspflichtig. Insgesamt ha-ben in Bremen 5056 Kinder und Jugendliche inzwischen den Doppelpass und werden mit dem 18. Lebensjahr optionspflichtig. In Bremerhaven sind es 567. Trotz des großen Problems, dass hier auf diese Schüler zukommt, war das bisher an Bremer Schulen kaum ein Thema. Das änderte sich durch das Projekt des Grundkurses Politik an der GSO: „Wer ist Deutscher? Ein-bürgerung mit Doppelpass!“ Der Kurs erarbeitete für die Nacht der Jugend 2012 eine Ausstel-lung, die mit Politikern diskutiert wurde, eine Anfrage in der Bürgerschaft und eine Antwort des Senats auslöste. Sie erschien so wichtig, dass mit Unterstützung der Migrationsbeauftrag-ten, der SPD, CDU, Grünen und Linken das Schulprojekt als Broschüre (48 Seiten) gedruckt wurde. Die Broschüre wird kostenlos über die Senatorin für Bildung als Unterrichtsmaterial auch in Klassensatzstärke an die Schulen im Lande Bremen verschickt. Sie kann per Mail bestellt werden bei: stein-bremen [at] nord-com.net.
Die Ausstellung enthält von Schülern erarbeitete Texte und Grafiken zu folgenden Themen:
- Die Ausbürgerungspolitik des NS-Regimes und die rechtlichen Konsequenzen im Grundgesetz.
- Die demokratietheoretische Herleitung der These: „Einbürgerung ist keine Gnade, sondern Ausdruck des demokratischen Anspruchs einer Gesellschaft!“
- Die rechtlichen Bedingungen der Einbürgerung, insbesondere der „Optionsregel“.
- Die Auseinandersetzung mit der These ein Doppelpass führe zu einem „Loyalitätskon-flikt“ und ein Interview mit David McAllister.
- Grafiken zu den deutschen und bremischen Einbürgerungsquoten im europäischen Vergleich.
- Grafiken zu der Akzeptanz von Doppelpässen im Ländervergleich, insbesondere bei Türken, Russen, Pakistani, Ghanaern und Ceylonesen. Bremen liegt hier immer sehr weit hinten. Der Senat führt dies auf Fehler in der Statistik in vielen anderen Bundes-ländern zurück, das Projekt setzt sich mit dieser Erklärung kritisch auseinander.
- Eine Auswertung des „Einbürgerungstests“ dem sich in einer Umfrage 767 Schülerin-nen und Schüler der Gesamtschule Ost und des SZ Walliser Straße unterzogen.
- Eine Auswertung der Umfrage unter diesen Schülerinnen und Schülern zur Frage, wa-rum sie es „gut finden, Deutsche/r zu sein“, bzw. „gern Deutsche wären“; also Fragen zur deutschen Identität. Das Überraschende: Schüler mit und ohne Migrationshinter-grund haben die gleiche Rangliste von Aspekten für das „Deutschsein“.
- Ein Interview mit einem betroffenen türkischen Schüler (17 J.), der in Bremen geboren wurde, über Fragen seiner Integration und seinen Wunsch nach einem Doppelpass.
28195 Bremen