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Schwerpunkt

Die roten Linien des Personalrats Schulen Bremen

Die GEW-Fraktion kämpft um gute Arbeitsbedingungen – oft gegen die Bildungsbehörde

Angestellte:

Im Bereich der angestellt Beschäftigten an Schule tut sich viel, denn immer mehr Arbeitnehmer:innen aus den verschiedenen Professionen kommen in die Schulen: Erzieher:innen, Schulsozialarbeiter:innen, Lehrkräfte für Fachpraxis, Sprachförderlehrkräfte, Schulassistenzen und Back-to-School-Lehrkräfte - sie alle sind Angestellte. Unterschiedliche Professionen heißt auch unterschiedliche Eingruppierungen und unterschiedliche Bestimmungen bezüglich der Urlaubs- und Ferienregelung. Im Rahmen der GEW-Workshops zu den Streikaktionen Ende 2023 wurde klar, dass es viele Fragen zur Eingruppierung, den Stufen und möglichen Zusatzqualifikationen gibt. Der Personalrat Schulen hat informiert und berät in Zusammenarbeit mit der GEW zu diesen Fragen. Die letzte Tarifrunde hat deutlich gezeigt, dass insbesondere die große Anzahl an Streikenden den Durchbruch für ein annehmbares Ergebnis brachte. Die Solidarität war hoch. Dank noch mal an alle, die bei der Eiseskälte mitgemacht haben. Die GEW setzt die Tarifarbeit im Arbeitskreis Tarif fort und informiert über Termine.

Arbeitszeiterfassung: 

Die Arbeitszeiterfassung kommt verpflichtend und wird von uns als Hebel zur Reduktion von Mehrarbeit gesehen. Gleichzeitig birgt sie auch Risiken wie Leistungskontrolle oder die in Hamburg praktizierte Faktorisierung (unterschiedliche Deputate nach Unterrichtsfächern). GEW-Position ist, dass gegenüber dem Arbeitgeber nur die Gesamtzahl an Arbeitsstunden offenbar wird. Wir werden die Umsetzung der Arbeitszeiterfassung begleiten und notfalls erzwingen, dabei aber einen scharfen Blick auf die Beschäftigtenrechte behalten.

Ausbildung:

Die Ausbildung neuen Personals ist ein wichtiger Hebel, um den aktuellen Fachkräftemangel zu bekämpfen. Insofern sind wir beständig dabei, die Behörde zu größeren Anstrengungen anzutreiben. Jüngstes Beispiel war die Aufstockung der Referendariatsplätze auf rund 250 Personen im Februar 2024. Gleichzeitig darf dies aber nicht zu Abstrichen in der Qualität der Ausbildung führen.

Demokratie:

Mit dem novellierten Schulverwaltungsgesetz wurden einige Standards für demokratische Mitbestimmung der Kollegien neu eingezogen. Die Umsetzung ist aber von Schule zu Schule noch sehr unterschiedlich, hier und da hapert es. Zu den Themen wie zum Beispiel Zweckbestimmung der Arbeitsstunden, Präsenz- und Kooperationszeiten, Standortveränderungen oder Fortbildung werden in einigen Schulen von Schulleitungen unter der Hand Fakten geschaffen, ohne die Kollegien zu informieren.

Digitalisierung:

Digitalisierung ist weder per se gut noch schlecht. Die Güte einer digitalen Methode zeigt sich insbesondere in der praktischen Anwendbarkeit. Nur die wenigsten digitalen Erfindungen boten zu Anfang eine Arbeitserleichterung. Es gab oft „Kinderkrankheiten“, die erst nach und nach verbessert wurden. Auf der anderen Seite spüren wir auch die neuen Möglichkeiten und Erleichterungen, die mit IT einhergehen können. Wir als Personalrat haben die Aufgabe, bei der Einführung von neuen Arbeitsmethoden zu prüfen, welche Auswirkungen diese auf den Arbeitsalltag der Beschäftigten haben. Wenn sie mit Mehrarbeit oder anderen Überforderungen einhergehen, stimmen wir der Einführung nicht zu und verlangen Abhilfe. Dem Impuls der Arbeitgeberin, alles, was mit einem neuen System möglich ist, auch einzufordern, setzen wir ein „Moment mal!“ entgegen, das auch schnell in ein „Nein!“ mündet. Insbesondere bei Digitalisierung wurden wir in der Vergangenheit zu häufig mit schlecht gemachten, unzuverlässigen und anwenderfeindlichen Systemen konfrontiert. Dabei sind wir alles andere als Feinde der Digitalisierung.

Es gibt noch zwei Aspekte in der Digitalisierung, die von Bedeutung sind: Sicherheit und Arbeitsverdichtung. Digitale Systeme eignen sich wunderbar für Missbrauch, wenn sie nicht gut geschützt sind. Die Behörde trägt die Verantwortung, die persönlichen Daten ihrer Beschäftigten vor Missbrauch zu schützen, und wir als Personalrat müssen sie dabei kontrollieren. Bezeichnenderweise mussten wir das Recht, über die Rahmenbedingungen von Distanzunterricht mitzubestimmen, vor Gericht erstreiten. Ein hart erkämpfter Erfolg. Ein anderer Erfolg war die Einführung mobiler Endgeräte für die Beschäftigten. Eine Zeitlang wurde erwartet, dass wir selber eigene Geräte (Handys) benutzen, um dienstlich zu kommunizieren – ein Unding.

Der Bereich Arbeitsverdichtung und -entgrenzung ist eine offene Baustelle. Durch die Verwendung von E-Mails ist der Fülle der dienstlichen Nachrichten keine natürliche Obergrenze mehr gesetzt. Die theoretische Möglichkeit, dass eine sekundenschnell empfangene Nachricht auch in wenigen Minuten beantwortet werden kann, hat bei manchen im System Schule eine entsprechende Erwartungshaltung befördert, die ein handfestes Überlastungsrisiko darstellt. Hinzu kommt, dass der Empfang von Nachrichten nicht mehr auf die Arbeitszeit in der Schule begrenzt ist. Dies führt zu einer hochproblematischen Entgrenzung der Arbeitszeit in die private Erholungszeit, bis hin in die Nachtstunden oder das Wochenende.

Die seit einiger Zeit zur Verfügung stehenden Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI) stellen bereits jetzt den Schulalltag auf den Kopf. Die Generierung von Texten mit ChatGPT und anderen Tools verändert die Art, wie unterrichtet und bewertet werden muss, rapide. KI-Systeme werden im Alltag unserer Schüler:innen eine zentrale Rolle einnehmen. Hier gilt wie immer: Neue Arbeitsmethoden werden von uns daraufhin geprüft, inwieweit sie ohne Mehrarbeit zu bewältigen sind. Die Behörde darf uns damit nicht allein lassen.

Gesundheitsgefährdungen:

Gesundbleiben bis zum Pensions- oder Rentenalter und natürlich darüber hinaus, wünschen wir uns alle. Doch wie sieht die Realität aus? Oft nicht so gut. Dem Gesundheitsbericht für den Öffentlichen Dienst 2020/21 ist zu entnehmen, dass 109.578 Krankheitstage in den staatlichen Schulen registriert wurden. Rund 45 Prozent der Krankheitstage entfallen auf Langzeiterkrankungen über 42 Tage. Insbesondere die Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen ist zuletzt stark angestiegen, und es sind überproportional ältere Beschäftigte, die längere Zeit erkranken. Mit bis zu 50 Prozent stellen die psychischen und psychosomatischen Erkrankungen einen Hauptgrund für das frühzeitige Ausscheiden aus dem Dienst dar. Jede und jeder Dritte leidet unter Burn-out und Erschöpfung. Diese Situation erfordert größere Anstrengungen. Wir brauchen ein „Fachkräfteerhaltungskonzept“. Die Organisation des Gesundheitsschutzes im Bildungsbereich darf sich nicht nur an den gesetzlichen Mindestanforderungen orientieren, sie muss bedarfsgerecht aufgestellt sein und einem präventiven Anspruch folgen.

Kommunikation:

Kommunikation verändert sich rasant. Neue digitale Kommunikation-Wege werden zunehmend in der Schule genutzt, dabei entsteht schnell ein Wildwuchs von Kommunikation-Formen, der Beschäftigte quantitativ überfordern kann. Unsere rote Linie: Es darf nur einige wenige Kommunikation-Kanäle geben, die auch nicht rund um die Uhr bedient werden müssen. Kommunikation erfordert Zeit, die zur Verfügung gestellt werden muss. Wir setzen uns für eine Beschränkung auf ein vernünftiges Maß an E-Mails ein. Auch muss nicht jede Info ungefiltert an jeden im Kollegium weitergeleitet werden. Eine Vorsortierung nach Art der Nachricht sowie Empfängerkreis wird bedeutsam. Die Dienstvereinbarung dazu ist in Überarbeitung.

Lehrkräfte für Fachpraxis:

Würde die Nichtbeachtung von Normen wie Zuverlässigkeit, Anstand und Wertschätzung eine rote Linie darstellen, die Bildungsbehörde wäre schon längst darüber gestolpert. Denn der Personalrat bemüht sich seit einer gefühlten Ewigkeit, bei den Lehrkräften für Fachpraxis eine sachgerechte Eingruppierung und Unterrichtsverpflichtung durchzusetzen. Diese Berufsgruppe sind Handwerks- und Industriemeister:innen oder Fachwirte im kaufmännischen Bereich und mit ihren Berufsabschlüssen einem Bachelorabschluss gleichgestellt. Die pädagogischen und didaktischen Herausforderungen sind kontinuierlich gewachsen, sodass eine sachgerechte Höhergruppierung über die aktuelle TV-L 9a hinaus absolut angemessen ist. Was ist geschehen? 2021 kam es endlich zu einer verbindlichen Absprache in Form einer Schlichtungsvereinbarung. Diese dort getroffenen Vereinbarungen wurden von der Behörde nicht eingehalten.

Während eine - den aktuellen Anforderungen entsprechende - Aufgabenbeschreibung erarbeitet wurde, ist die rechtzeitige Klärung der finanziellen und juristischen Fragestellungen nicht umgesetzt worden. Dies wurde erst Ende 2023 mit „heißer Nadel“ fehlerbehaftet zusammenaddiert und prompt im Haushalt 2024/25 nicht berücksichtigt. Während in Niedersachsen die Einsicht in die Notwendigkeit einer Attraktivitätssteigerung in Form einer Höhergruppierung erkannt wurde, stagniert die Einsichtsfähigkeit der bremischen Entscheider:innen weiterhin auf niedrigem Niveau. Diese eklatante Form der Ungleichbehandlung sowie die Weigerung, die Gleichwertigkeit zwischen beruflichen und akademischen Bildungsabschlüssen anzuerkennen, werden wir nicht hinnehmen. Deshalb wird geprüft, wie eine Klage vor dem Arbeitsgericht erfolgreich geführt werden kann. Das ist unser Beitrag, damit das Überschreiten roter Linien nicht folgenlos bleibt.

Personal und Qualifikation:

Hier eine genaue rote Linie zu skizzieren ist schwer möglich, da sich die Schulen im Spannungsfeld von Personalmangel und Mehrbelastung durch neue Kolleg:innen in der Nachqualifizierung befinden. Die rote Linie des Peronalrats ist bislang: Wenn der Bedarf nicht gedeckt werden kann, dürfen Personen eingestellt werden, wenn ihnen eine faire Möglichkeit zum Nacherwerb fehlender Qualifikationen geboten wird. Angebote wie Seiteneinstiege oder Weiterbildungen wurden eingerichtet. Wir fordern mehr Anstrengungen, Personal qualifiziert auszubilden. Wir lehnen ab, dass die Behörde die zweite Stufe im Back-to-School-Programm nach hinten verschieben möchte. Was den Kolleg:innen versprochen wurde, einfach zurückzunehmen, ist unlauter und kostet sie Geld und Entwicklungschancen.

Im Bereich Stadtteilschule tolerieren wir den Einsatz von Studierenden, haben aber Obergrenzen für deren Einsatz festgelegt. Einerseits, um ihre eigene Ausbildung nicht zu beeinträchtigen, andererseits, weil sie eben keine „fertigen” Pädagog:innen sind und auf Unterstützung aus dem Kollegium angewiesen sind. Wir wollen Zwei-Klassen-Kollegien vermeiden.

Präsenzzeit:

Angesichts des Fachkräftemangels tendieren viele Schulleitungen - insbesondere im Grundschulbereich - dazu, die Beschäftigten zu zwingen, ihre Zeit auch außerhalb von Unterricht in der Schule zu verbringen. Dies ist aus mehrfacher Sicht für Lehrkräfte problematisch, da sie ein erhebliches Maß an außerunterrichtlichen Tätigkeiten zu Hause erledigen. Anders wäre die Situation, wenn für die Beschäftigten vollwertige Büroarbeitsplätze in den Schulen eingerichtet wären. Lehrkräfte dürfen in keinem Fall mehr als 35 Zeitstunden in der Schule gebunden sein. Selbst das ist immer noch sehr viel.