Diese Phasen sind seit 2007 manifestiert im Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das Abschlüsse befristeter Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen regelt. Dieses Sonderbefristungsrecht geht weit über die Befristungsmöglichkeiten des normalen Arbeitsrechts hinaus, da es erlaubt, Wissenschaftler_innen wesentlich länger als über das Teilzeit- und Befristungsgesetz ohne Sachgrund befristet zu beschäftigen. Dafür definiert es einen Qualifizierungszeitraum von sechs Jahren jeweils vor und nach der Promotion (in der Medizin neun Jahre), in dem eine befristete Anstellung möglich ist. Eine Entfristung während oder spätestens nach diesem Zeitraum ist gesetzlich jederzeit möglich, stellt in der Praxis aber eine absolute Ausnahme dar. Nach diesem Zeitraum besteht die Möglichkeit einer befristeten Anstellung über Drittmittel (Befristung mit Sachgrund). Entsprechend sind befristete Beschäftigungsverhältnisse im wissenschaftlichen Betrieb die Regel. Der Konflikt zwischen angeblich innovationsfördernder Flexibilität des Wissenschaftssystems und sicheren Arbeitsplätzen mit einer planbaren Zukunft für die Beschäftigten wurde durch das WissZeitVG zu Lasten der wissenschaftlichen Angestellten gelöst. Die Ausweitung prekärer Arbeitsverhältnisse und ein enormer Zeitdruck sind ebenso die Folge wie die Abwanderung von Wissen und Erfahrung aus dem Hochschulsystem. Die GEW findet das nicht nur unfair gegenüber den betroffenen Wissenschaftler_innen, sondern sieht auch die Kontinuität und Qualität von Forschung und Lehre substanziell gefährdet. Deshalb macht sich die Bildungsgewerkschaft seit Jahren dafür stark, das WissZeitVG auf den Prüfstand zu heben.
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz muss auf den Prüfstand!
Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland haben nur befristete Verträge. Sie befinden sich größtenteils in einer sogenannten Qualifizierungsphase, in der sie sich (sehr) langfristig für eine Dauerstelle in der Wissenschaft bewähren können.
Die GEW setzt Impulse, die Politik hinkt hinterher
Bereits im Wahljahr 2014 hat die GEW mit dem Köpenicker Appell „Jetzt die Weichen für den Traumjob Wissenschaft stellen!“ die neue Bundesregierung zu einer Novelle des Gesetzes aufgefordert und entsprechende Vorschläge gemacht. Dazu gehören u.a. die Aufhebung der Tarifsperre, um Gewerkschaften und Arbeitgebern zu ermöglichen, Regelungen für Befristungen in der Wissenschaft auszuhandeln, die Verankerung von Mindestvertragslaufzeiten und des Prinzips Dauerstellen für Daueraufgaben sowie der Rechtanspruch auf eine zweijährige Vertragsverlängerung für Forschende mit familiären Betreuungsaufgaben statt der bisherigen unverbindlichen Verlängerungsoption.
Die Kampagne der GEW zeigt Wirkung. Mittlerweile liegt ein Regierungsentwurf für die Novellierung des WissZeitVG vor, der jedoch hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Kernprobleme des Gesetzes bleiben bestehen. Auch das geänderte Gesetz enthält viele Schlupflöcher für kurze Vertragslaufzeiten, da verbindliche Mindestvertragslaufzeiten fehlen. Bestehen bleibt auch die problematische Geltung des Gesetzes für Beschäftigte, die überwiegend mit Lehraufgaben betraut sind sowie die Befristung promovierter Wissenschaftler_innen auch ohne Tenure-Track-Option. Weitere Kritikpunkte sind die Aufrechterhaltung der Tarifsperre und die unverbindliche Ausgestaltung der familienpolitischen Komponente: Es gibt bei Kinderbetreuung keinen Anspruch auf Vertragsverlängerung, für Drittmittelbeschäftigte sogar nicht einmal im Falle von Mutterschutz oder Elternzeit. „Trippelschritte führen nicht zu der Reform, auf die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warten", so Andreas Keller (GEW).
Die GEW begrüßt hingegen die Streichung des nicht-wissenschaftlichen Personals aus dem Geltungsbereich des Gesetzes sowie die Einführung einer behindertenpolitischen Komponente, die Ausweitung der familienpolitischen Komponente auf Stief- und Pflegeeltern und die Verlängerung der Höchstbefristungsdauer bei Mutterschutz oder Elternzeit für sachgrundlos befristete Wissenschaftler_innen. Auch die Bindung der sachgrundlosen Befristung an die Qualifizierung ist ein richtiger Ansatz, um den Grundsatz „Dauerstellen für Daueraufgaben“ umzusetzen. Sie muss aber unbedingt verbindlich ausgestaltet werden: Ohne die Vorgabe einer festen Untergrenze für befristete Verträge und einen Anspruch auf Qualifizierung in der Arbeitszeit droht die Regelung ins Leere zu laufen.
www.bmbf.de/pubRD/AendWissZeitVG.pdf
http://www.gew.de/wissenschaft/wissenschaftszeitvertragsgesetz/
Anna Schütz ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen