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Schwerpunkt

Das kleine Streik-ABC der GEW

Was wir dürfen und Vorgesetzte nicht

Für gute Arbeitsbedingungen aktiv zu kämpfen, macht auch deshalb Sinn, weil Arbeitgeber:innen (AG) es nicht selten versäumen, attraktiv zu bleiben oder zu werden. Da hilft manchmal nur Druck von der Straße. Streiken ist unser Menschenrecht. AG sind keine Freunde von Arbeitsniederlegungen. Einige versuchen, ihre Beschäftigten sogar von Streiks abzuhalten oder – ganz schlimm – einzuschüchtern. Um im Streikfall gut vorbereitet zu sein, hat die bildungsmagaz!n-Redaktion Euch, liebe Leserinnen und Leser, ebenso nützliche wie motivierende Hinweise zum Thema „Erfolgreich streiken“ aufgeschrieben:

Abmelden

Wer streiken will, braucht sich beim Vorgesetzten nicht abzumelden. Eine Pflicht würde eine psychische Hürde bedeuten, die mit der Bedeutung des Streikrechts als Grundrecht nicht vereinbar wäre. Dennoch kann es sinnvoll sein, die Teilnahme anzukündigen. Es erleichtert zum Beispiel auch streikbetroffenen Eltern, solidarisch zu bleiben.

Aufruf

Nur Gewerkschaften dürfen zu Streiks aufrufen. Der Aufruf ist das Startsignal für die Beschäftigten. Er informiert über den Beginn und die Dauer.

Beamt:innen

Beamt:innen dürfen in Deutschland noch nicht streiken (siehe auch Seite 22). Kritiker verweisen darauf, dass das Streikverbot dem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit entgegenstehe. Auch internationale Abkommen (z.B. Europäische Sozialcharta) gestehen Beamt:innen ein Streikrecht zu, soweit sie nicht in sicherheitsrelevanten Bereichen (z.B. in Schulen) arbeiten. Ein Einsatz von Beamt:innen auf bestreikten Arbeitsplätzen ist verboten (Bundesverfassungsgericht 1993). Schulleitungen und Dienstvorgesetzten ist deutlich zu machen, dass Beamt:innen nicht als Streikbrecher eingesetzt werden wollen.

Befristet Beschäftigte

Alle Beschäftigten – egal ob befristet oder unbefristet angestellt - haben die gleichen Rechte, einschließlich Streikgeld und Rechtsschutz. Vor allem bei befristet Beschäftigten ist das Maßregelungsverbot zu beachten.

Direktionsrecht

Da in einem Streik die Arbeitspflicht ruht, ist das Direktionsrecht gegenstandslos. Deshalb müssen auch Weisungen von Schulleitern oder anderen Dienststellenleitern nicht befolgt werden. Das gilt auch für Beschäftigte in der Probezeit, Auszubildende oder Referendar:innen.

Erfassen von Streikenden

Das Erstellen von AG-Listen mit Streikenden ist unzulässig. Anweisungen, wonach sich Streikwillige selbst in Listen eintragen sollen, sind ebenso rechtswidrig. Nur die Gewerkschaften dürfen vertrauliche Listen anfertigen, damit Streikgeld ausgezahlt werden kann.

Friedenspflicht

Bei gültigem Tarifvertrag (z.B. TV-L) sind Arbeitskampfmaßnahmen verboten. Für tarifvertraglich nicht geregelte Fragen gilt die Friedenspflicht nicht. Sie endet mit Auslaufen oder Kündigung des Tarifvertrags. Sofern eine Schlichtung eingeleitet wurde, gilt auch für die Dauer der Schlichtung die Friedenspflicht.

Krankheit

Beschäftigte, die während eines Streiks arbeitsunfähig krank werden, haben nur deshalb keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da ihre Arbeitsleistung schon wegen der Streikteilnahme entfällt. Für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit erhalten sie Krankengeld. Erkrankt ein Beschäftigter bereits vor Beginn des Streiks, besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Leitungsfunktion

Leiter:innen von Schulen, Kitas oder anderen Bildungseinrichtungen haben nicht das Recht, sich in den Arbeitskampf einzumischen (Direktionsrecht). Sie dürfen z.B. keine Beamt:innen auf bestreikten Arbeitsplätzen einsetzen oder einseitig Notdienste anordnen. Aber sie dürfen mitstreiken, da das Streikrecht nicht an eine Funktion gebunden ist.

Maßregelungsverbot

Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht: kein AG darf streikende Arbeitnehmer:innen benachteiligen, weil diese „in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben“. Eingeleitete Maßregelungen müssen sofort zurückgenommen werden.

Notdienst

Zur Aufrechterhaltung lebensnotwendiger Dienstleitungen können Notdienste eingerichtet werden. Die Beaufsichtigung von Kindern gehört hierzu nicht (Aufsichtspflicht). Nur bei einem länger andauernden Streik, der insbesondere die Eltern jüngerer oder behinderter Kinder vor Betreuungsprobleme stellt, kann ein Notdienstplan angezeigt sein. Bei der Aufstellung eines Notdienstplanes müssen die Arbeitgeber mit der streikführenden Gewerkschaft zusammenarbeiten.

Personalversammlung

In Personalversammlungen kann über tarifpolitische Ziele und über den Stand der Auseinandersetzungen informiert und mit der Belegschaft darüber diskutiert werden. Gewerkschaftsvertreter können eingeladen werden. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht ist das nicht – auch wenn Arbeitgeber dies gerne so darstellen. Die Dauer der Personalversammlung ist gesetzlich nicht begrenzt.

Schlichtung

Erklärt eine Tarifvertragspartei die Verhandlungen für gescheitert, so kommt es zur Schlichtung. Eine Kommission spricht eine Einigungsempfehlung aus. Danach werden die Tarifverhandlungen wieder aufgenommen. Während der Schlichtung besteht Friedenspflicht.

Streikbrecher:innen

sind Beschäftigte, die zum Streik aufgerufen sind, die aber dennoch ihre Arbeitsleistung anbieten. Damit unterlaufen sie das Streikziel und verhalten sich unsolidarisch.

Streikgeld

GEW-Mitglieder erhalten bei einem Streik finanzielle Unterstützung. Voraussetzung ist ein Eintrag in eine Streikliste. Bei Warnstreiks zahlt die GEW pro Streiktag den nachgewiesenen Nettogehaltsabzug als Streikgeld bzw. maximal das Dreifache des auf den nächsten vollen Euro aufgerundeten monatlichen Mitgliedsbeitrags. Um soziale Härten zu vermeiden, wird studentischen Beschäftigten stattdessen der nachgewiesene tatsächliche Nettogehaltsabzug ausgezahlt.

Tarifautonomie

ist das unmittelbar aus der Koalitionsfreiheit abgeleitete Recht von Gewerkschaften und AG, die Arbeits- und Einkommensbedingungen ohne staatliche Eingriffe in freien Tarifverhandlungen kollektiv festzulegen. Deshalb haben sich Regierung und Parlament aus der Tarifpolitik herauszuhalten.

Tarifrunde

ist ein umgangssprachlicher Begriff für die meist jährlichen Gehaltstarifverhandlungen. Da die AG in der Geschichte noch nie von sich aus eine Lohnerhöhung zugestanden haben, kündigen die Gewerkschaften turnusmäßig die entsprechenden Teile der Tarifverträge, für den TVöD und den TV-L die Anlagen mit den Entgelttabellen. Damit wird die Tarifrunde eröffnet. Dann folgt ein Beschluss über die Tarifziele.

Tarifverhandlungen

sind das Kerngeschäft einer Gewerkschaft. In ihnen wird über die Bezahlungs- und Arbeitsbedingungen entschieden. Gleichzeitig wird die Verhandlungskommission benannt. Die Tarifkommission empfiehlt auch die Annahme eines Ergebnisses bzw. die Feststellung des Scheiterns. Im Fall des Scheiterns kommt es gegenenfalls zu Schlichtung/Urabstimmung und Streik.

Tarifvertrag der Länder (TV-L)

Inhaltlich ist der TV-L weitgehend identisch mit dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), der die Arbeitsbedingungen bei Bund und Kommunen regelt. Auch der TV-L gilt einheitlich für Arbeiter und Angestellte. Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite ist die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (z.B. Senatorin für Kinder und Bildung).

Unorganisierte (Nichtmitglieder)

Unorganisierte – Beschäftigte, die nicht in der GEW sind – dürfen und sollen sich an Streiks beteiligen, um eine Spaltung der Beschäftigten zu verhindern. Nichtmitglieder haben allerdings keinen Anspruch auf Streikgeld oder Rechtsschutz. Auch dies ist ein Grund, sich zu überlegen, in die GEW-Familie zu kommen. Wer während des Streiks eintritt, erhält sofort Streikgeld.

Urabstimmung

Wird das Scheitern der Tarifverhandlungen festgestellt, kann  die Einleitung und Durchführung einer Urabstimmung beschlossen werden. Dabei werden die betroffenen GEW-Mitglieder befragt, ob sie die Tarifforderung mithilfe eines Streiks durchsetzen wollen. Votieren mindestens 75 Prozent dafür, kann die Gewerkschaft zum Streik aufrufen.

Warnstreiks

sind ein legitimes Mittel, um Blockaden auf der AG-Seite zu lockern und daran zu erinnern, dass in Verhandlungen Ergebnisse erzielt werden sollen und nicht ausgesessen werden. Tarifverhandlungen können so belebt und beschleunigt werden. Das Bundesarbeitsgericht sagt: „Warnstreiks entsprechen dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel in besonderer Weise.“