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Schwerpunkt

Bildungszeit – ein knappes Gut

Zentrale Abschlussprüfungen: Das Schuljahr soll wie geplant enden – trotz Pandemie und Unterrichtsausfall

Kontinuierlicher Unterricht und lange Präsenzzeiten waren Ereignisse, die im Pandemie-Schuljahr 2020/2021 - nicht nur an Schulen im Land Bremen – nicht so richtig stattgefunden haben. Was passiert, wenn das direkte Vermitteln von Wissen sehr oft ausfällt oder in Distanz weniger effektiv und nachhaltig ist? Oder was passiert, wenn die Lernenden insgesamt weniger Bildungszeit zur Verfügung haben? Es entstehen Lücken, die den weiteren Verlauf der Schulzeit belasten, Abschlüsse gefährden oder den Start ins Berufsleben mindestens erschweren.

Defizite und Lücken

Vor dieser Situation stehen derzeit viele Schülerinnen und Schüler in Bremen und Bremerhaven, besonders die, die in den Abschlussklassen ihre Prüfungen schreiben oder anderweitig bestehen wollen und müssen. Sie haben durch die Pandemie erzwungermaßen viel Unterrichts- und Bildungszeit verpasst. In Coronazeiten gab es vor allem präventiven Online- oder Halbgruppenunterricht. Nur direkt vor den Prüfungen stand für die 15- bis 18-Jährigen verstärkt Präsenzunterricht auf dem Plan. Lehrerin Sandra Pilster macht sich deshalb Sorgen um ihre Schülerinnen und Schüler: „Viele haben in diesem Schuljahr nicht gelernt, wie man lernt. Im Vergleich zu 2019 haben sie Defizite. Die Fachleiterin für Übergangsmanagement Migranten und Migrantinnen an der Allgemeinen Berufsbildenden Schule befürchtet, dass die Lücken kaum zu schließen sind. „Und im Prüfungsunterricht jetzt vor den Zentralen Abschlussprüfungen (ZAP) funktioniert das auch nicht mehr.“ Die kürzere Bildungszeit und der ungünstige Rahmen insgesamt reduzieren die Chancen auf einen erfolgreichen Schulabschluss – gerade für die etwas Leistungsschwächeren und anderweitig Benachteiligten.

 Schnell an die Grenzen

Um die Ausgangslage für ihre Schülerinnen und Schüler etwas zu verbessern, hätte es Sandra Pilster für gut befunden, wenn das Schuljahr um ein halbes Jahr verlängert und die ZAPs im Januar 2022 geschrieben worden wären. So aber wird viel Lernstoff in die wenigen Wochen Präsenzzeit gepresst. Für die meisten ist das zu viel. „Viele wollen unbedingt ihren Abschluss, bemühen sich das große Pensum zu schaffen, kommen aber schnell an körperliche und psychosomatische Grenzen“, meint Pilster.

Mehrbelastung für Lehrkräfte

Ihr Lehrerkollege Ingo Gerlach vom Schulzentrum Grenzstraße kritisiert die im Juni angesetzten ZAPs, die Korrektur und die Vorbereitung darauf, weil dadurch viel Arbeitskraft gebunden wird. Arbeitszeit, die vor allem für die Schülerinnen und Schüler weitaus sinnvoller hätte genutzt werden können, so der Vertrauenslehrer. Auf die Mehrbelastungen für die Lehrkräfte weist unter anderem auch der Personalrat Schulen hin. „Eine bürokratische 'Lösung' und die zusätzlichen Anforderungen werden auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.“

Ohne ZAP mehr Unterricht

In den vergangenen Wochen und Monaten wurden wiederholt in den Bremer und Bremerhavener Schulen Stimmen laut, die ZAPs auszusetzen. Stattdessen sollten Unterrichtsleistungen verstärkt zur Notenfindung herangezogen werden, so die einhellige Forderung. Alternativ sollte wenigstens auf die schriftlichen ZAPs verzichtet werden, hieß es. Ohne die schriftlichen Prüfungen könnte in den kommenden Wochen mehr Unterricht für alle, die keine Abschlussarbeiten schreiben, angeboten werden. Davon können gerade auch sozial benachteiligte Schüler*innen in allen Jahrgängen profitieren.