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Schwerpunkt

Beratungssettings ändern sich massiv

Schulsozialarbeit in Zeiten von Corona: Beziehungsarbeit kaum möglich

Schulsozialarbeit orientiert sich an eigenen Fachstandards im Kontext Schule, individuell mit Kindern, Jugendlichen und Eltern und im Sozialraum der Schule. Angebote beziehen sich auf die jeweilige Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien. Die Unterstützung ist leicht zugänglich und kann gut in den Alltag der jungen Menschen und ihres sozialen Umfelds integriert werden. Grundlage der Schulsozialarbeit ist der Aufbau tragfähiger Beziehungen, die von Vertrauen und Offenheit geprägt sind. Die Beziehungen orientieren sich an Kontinuität, Präsenz und Ansprechbarkeit sowie an Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Transparenz. Sie unterstützt Kinder und Jugendliche in belastenden Lebenslagen bei ihrer Suche nach individuellen Lösungen. Schulsozialarbeit macht niedrigschwellige und prozessorientierte Beziehungs-, Beratungs- und Begleitungsangebote.

 

Angebote immer freiwillig

Alle Angebote – ein gemeinsames Brettspiel in einer Mittagspause, die Begleitung einer Klasse im Klassenrat oder Sozialem Lernen, ein AG-Angebot im Ganztag dienen somit immer dem Aufbau und der Stabilisierung von Beziehungen. Die Angebote der Schulsozialarbeit sind ohne große Umstände mit einfachen Zugängen für die Zielgruppen barrierefrei erreichbar und nutzbar. Die Nutzung der Angebote ist immer freiwillig, wird an keine Bedingungen geknüpft und unterliegt der Vertraulichkeit. Die Fachkräfte sind kontinuierlich präsent, die Erreichbarkeit ist für alle transparent. Schulsozialarbeit trägt dazu bei, dass alle jungen Menschen gleiche Chancen in ihrer Bildungsbeteiligung und gesellschaftlichen Integration (Teilhabe und Mitbestimmung) haben.

 

Kinder und Jugendliche werden unterstützt, ihre eigene Lebensgestaltung aktiv zu übernehmen. Sie werden befähigt, in ihren Belangen mitzuwirken, mitzuentscheiden und Verantwortung zu übernehmen. Schulsozialarbeit bezieht die Schüler*innen in ihre Angebote ein und unterstützt die individuellen Stärken. Sie agiert persönlichkeitsstärkend, indem sie Kindern und Jugendlichen alltagsorientierte Bildung ermöglicht und Kompetenzen zur Lern- und Lebensbewältigung vermittelt und handelt neutral und unvoreingenommen. Sie unterstützt bei der Bewältigung von Belastungen (zum Beispiel durch Mobbing oder Suchtgefährdung). Individuelle Stärken, Fähigkeiten und Potentiale der Kinder und Jugendlichen stehen im Fokus. Schulsozialarbeit unterstützt die Kinder und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsbildung und ihrem Selbstwertgefühl. Soweit die Theorie, soweit die Untermauerung der Praxis an Bremer Schulen, die in den vergangenen Jahren vielfältig, kreativ und engagiert vortrefflich gelang.

 

Und dann kam Corona

Wie gut diese Handlungsprinzipien gelingen, wurde deutlich, als der äußere Rahmen durch die Folgen der Pandemie von jetzt auf nun zusammenbrach. Bei vielen gestaltet sich die Arbeit momentan sehr schwer.  Susanne Halle, Schulsozialarbeiterin an der Ganztagsschule Düsseldorfer Straße stellt fest: „Beziehungsarbeit ist eigentlich gar nicht möglich." Ihr fehlen Möglichkeiten, die Kinder in einem informellen Rahmen zu treffen, Beziehungen aufzubauen und zu stabilisieren.  Arbeitsgemeinschaften, Projekte mit Klassen, Eltern-Treffs usw. können aktuell nicht stattfinden. Beratungssettings verändern sich massiv. Schulisches Distanzlernen schafft auch Distanz im Beratungskontext. Schulsozialarbeit kann plötzlich nicht mehr schnell, niedrigschwellig erreicht werden und verliert Möglichkeiten proaktiv auf Schwierigkeiten einzuwirken.

 

Kreatives Kontakthalten

Dass die Reduzierung der Kontakte Auswirkungen hat, spürt auch die Schulsozialarbeiterin Ines Lemmer deutlich. „Schüler*innen haben das Beratungsangebot nicht so sehr auf dem Schirm.“ Sie erlebt, dass man bei Schüler*innen, die schon länger im Beratungskontakt sind, auch im eingeschränkten Schulbetrieb die Beziehung pflegen kann. Lemmer nimmt wahr, wie kreativ und mit großem Engagement die Schulsozialarbeiter*innen agieren. Schulsozialarbeit kreiert unermüdlich Möglichkeiten, Kontakt zu Schüler*innen zu halten bzw.  effektive Zugänge zu Schülerinnen und Schülern, sowie deren Eltern zu erschließen, innerhalb der sich permanent ändernden Vorgaben. So wurden beispielsweise virtuelle Freizeiträume gestaltet, im sogenannten „walk and talk“ Beratungsgespräche geführt, es gab mobile Spieleausleihen oder Soziale Gruppenarbeit im Videochat.

 

Kommunikation verändert sich

Schulsozialarbeit als Teil der multiprofessionellen Teams an den Schulen hat seit Beginn der Pandemie Bedarfe neu definiert, Angebote für Kinder, Jugendliche, deren Familien und das Kollegium neu konzipiert und an der (digitalen) Weiterentwicklung des eigenen Handlungsfeldes gearbeitet. Kontakte werden mithilfe von (privaten) Mobilgeräten gestaltet. Die Kolleg*innen sind aber auch besorgt. Digitale Medien verändern die Kommunikation. Besonders in Beratungssituationen ist ein persönlicher Kontakt wertvoll. Maßnahmen zum Kindesschutz greifen nur schwer aus der Distanz.

 

Zurückgezogen und isoliert

Die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen ändern sich in nie dagewesener Art und Weise. Familien leben aufgrund der Corona-Regeln zurückgezogener und isolierter. Sie leben auf unbestimmte Zeit sehr eng in häufig schwierigen Wohn- und Lebenssituationen. Probleme sind leider vorprogrammiert, die Schule nicht auffangen oder kompensieren kann. Soziale Kontakte, die für Heranwachsende eine besondere Bedeutung haben, fallen weg. Besonders in Krisensituation sind persönlich erreichbare vertraute Ansprechpartner*innen äußerst wichtig.

 

Mangelhafte Ausstattung

Schulsozialarbeit in Zeiten von Corona bedeutet, neue Wege in der Beziehungsarbeit zu gehen. Die Umsetzung ist leider vielerorts schwierig.  Kolleg*innen teilen sich Büro, Computer und Telefonanschluss, Diensthandys sind so gut wie gar nicht vorhanden, Schul-Computer haben nicht die technischen Voraussetzungen für Videokonferenzen. Kolleg*innen nutzen daher nicht selten private Geräte. Bremen präsentiert sich stolz als Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Bei der Verteilung der Ipads wurde der Bereich Schulsozialarbeit nicht berücksichtigt. Jede*r Kolleg*in muss mit der eigenen Schule eine individuelle Lösung finden. Die Kolleg*innen sind derzeit sehr aktiv, die Beziehungen zu den Schüler*innen und Kolleg*innen zu gestalten und am Teamgeschehen in der Schule teilzunehmen.  Die Qualitätsstandards der Sozialen Arbeit in Schule müss(t)en mit dazu erforderlichen Ressourcen vor Ort wie einer adäquaten Ausstattung gesichert sein.