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Schwerpunkt

So eine Art Betreuungsangebot

Ganztagsschule Delfter Straße endet nicht um 13 Uhr. Ein Erzieher berichtet

Seit dem Schuljahr 2015/2016 arbeite ich als Erzieher an einer offenen Ganztagschule Delfter Straße (Grundschule) in Bremen. Als meine Tätigkeit im offenen Ganztag begann, war ich sehr enthusiastisch und von der Einführung persönlich, pädagogisch und auch politisch überzeugt. Zu meinem großen Bedauern musste ich feststellen, dass meine eigene inhaltliche und pädagogische Überzeugung in den vergangenen fünf Jahren sehr ins Wanken geraten ist. Aktuell erlebe ich immer mehr, dass der offene Ganztag zu einer Art von Betreuungsangebot verkommen ist und aktuell nicht mehr als pädagogisches Angebot an die Schüler:innen wahrgenommen werden kann.

Mehr als 25 Schüler:innen

Woran liegt das? Zum einen ist die Schüler:innen-Erzieher:innen-Relation immer mehr gestiegen, welches bedeutet, dass viele Gruppen im offenen Ganztag mittlerweile größer als 21 Schüler:innen sind. Ich habe Gruppengrößen von mehr als 25 Schüler:innen in meiner alltäglichen Arbeit erlebt. Bei solch großen Gruppen kann man als Fachkraft nicht mehr von einer pädagogischen Tätigkeit, sondern höchstens von einer betreuerischen Tätigkeit sprechen. Ein individuelles, auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler:innen abgestimmtes pädagogisches Handeln und Wirken, ist dann schwierig.

Fachkräfte für Inklusion fehlen

Völlig unverständlich ist für mich ebenfalls, das für die Schüler:innen mit einem Forder- bzw. Förderbedarf häufig keine Fachkräfte für Inklusion bzw. Assistenzkräfte für den Ganztagsbetrieb genehmigt werden. Es scheint immer noch nicht bei der sozialsenatorischen Behörde angekommen zu sein, dass die Ganztagsschule nicht um 13 Uhr endet und dass die Schüler:innen ebenfalls eine Unterstützung bzw. Forder- oder Förderung am Nachmittag für ihre persönliche, individuelle Entwicklung benötigen.

Beziehungsarbeit so nicht möglich

Ein weiteres gravierendes Problem ist der allgemein bekannte Fachkräftemangel in den sozialen Berufen; dies führt immer mehr dazu, das Studierende oder auch nicht ganz voll ausgebildete Kolleg:innen im pädagogischen Bereich des Ganztags tätig sind. Dies führt zu einer hohen Personalfluktuation und macht eine kontinuierliche, inhaltliche und pädagogische Team- Konzeptentwicklung dauerhaft unmöglich. Aufgrund dieser Personalfluktuation ist keine sinnvolle, belastende und von Vertrauen geprägte Beziehungsarbeit mit den Schüler:innen mehr möglich. Diese ist aber für deren individuelle Entwicklung dringend von Nöten. Die Einarbeitung und die Unterstützung der nicht vollqualifizierten Kolleg:innen stellt eine erhebliche Mehrbelastung für die vorhandenen Kolleg:innen da.

Dies ist keine Kritik an den handelnden Personen, die jeden Tag ihr Bestes geben, um einen geregelten Ablauf des Ganztagsbetriebes sicherzustellen und um den Eltern und Schüler:innen eine Form von Verlässlichkeit und Sicherheit zu bieten bzw. zu ermöglichen. Vielleicht mag meine Sicht auf die aktuellen Ganztagsangebote in Bremen phasenweise sehr begrenzt sein und es mag Standorte geben, an denen die einzelnen Ganztagsangebote inhaltlich funktionieren. Dies ist sicherlich kein Verdienst der senatorischen Behörde sondern der dortigen Kolleg:innen (PMs, Lehrkräfte, Inklusionsfachkräfte, Schulsozialarbeiter:innen und Schulleitungen).

Bildungsgerechtigkeit geht nur so

Viele Forderungen der  GEW Bremen mögen auf dem ersten Blick sehr monetär aussehen, aber nur wenn diese Forderungen umgesetzt werden, können wir einen Ganztagsbetriebs in Bremen inhaltlich ausgestalten, der den individuellen Bedürfnissen der Schüler:innen gerecht wird und gleichzeitig als attraktives Betätigungsfeld (Arbeitsplatz) für Erzieher:innen wahrgenommen wird.

  • Bessere Bezahlung der Kolleg:innen im Ganztag, mindestens TV-L S8b
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dies bedeutet familienfreundliche Dienstpläne
  • Kleinere Ganztagsgruppen mit maximal 21 Schüler:innen
  • Mehr Kooperations-Vorbereitungszeit für die Kolleg:innen
  • Maximal 28 Stunden an den Schüler:innen bei einer vollen Stelle (39,2 Std. TV-L)
  • Pädagogische Doppelbesetzungen im Ganztagsbetrieb (Zwei Kolleg:innen pro Gruppe)
  •  Fachkräfte für Inklusion im Ganztagsbetrieb nach 13 Uhr
  • Bessere finanzielle Ausstattung für pädagogisches Verbrauchsmaterial
  • Räumliche Erweiterungen bzw. Veränderungen der Schulgebäude
  •  Abschaffung des „Sparmodells“ des Offenen Ganztagsangebots
  • Flächendeckende Einführung der gebundenen Ganztagsgrundschule in Bremen
  • Flächendeckende tarifgebundene Bezahlung aller nichtunterrichtenden Berufsgruppen an Schule auch bei den freien Trägern
  • Eine tarifierte Vergütung der schulischen Erzieher:innenausbildung in Bremen