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Schwerpunkt

 „Nach den Schulabschlüssen geht es jetzt um Anschlüsse“

Ein Kommentar von Marlis Tepe, GEW-Bundesvorsitzende

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe (Foto: Kay Herschelmann)

Mein Statement für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) auf die Frage -, wie das Abi 2021 gestaltet werden soll, hat an Ostern Wellen geschlagen. Kurz vor dem Zusammentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsident:innen wollte ich die Kultusministerkonferenz (KMK) noch einmal an ihr Versprechen aus dem Jahr 2020 erinnern, die Schüler:innen nicht im Regen stehen zu lassen, wenn die dritte Corona-Welle nicht zu stoppen sei. Aus meiner Aussage machte der Spiegel die Überschrift: Gewerkschaft fordert, Abiturprüfungen ausfallen zu lassen. Am nachrichtenarmen Ostermontag wurde diese Meldung von hunderten Zeitungen übernommen und skandalisiert. Insbesondere viele Eltern meldeten sich und beschrieben, dass ihre Kinder, die gerade Abi machen, verunsichert seien. Manche Kolleg:innen fanden den Zeitpunkt des Statements falsch. Mir ging es zunächst einmal darum, die jetzige Schüler:innengeneration nicht als Corona-Generation abzustempeln und abzuschreiben. Die GEW hat zum Umgang mit der Pandemie in der Schule in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts ab einer Inzidenz über 50 immer Wechselunterricht in kleinen Gruppen und Räumen gefordert, in denen die Vorschriften der Arbeitsschutzregeln eingehalten werden können: Abstand-Hygiene-Atemschutz und Lüften. Darüber hinaus hat sich die GEW bundesweit für Distanzlernen ab einer Inzidenz über 100 eingesetzt.

Die KMK und der Prüfungsvorrang

Die KMK hat dann allerdings anders entschieden und den Prüfungsklassen - unabhängig von dem angestrebten Abschluss, ob es sich um die Erweiterte Berufsbildungsreife, den Mittleren Bildungsabschluss, die Fachhochschulreife, das Abitur oder die Abschlussprüfungen an den Berufsbildenden Schulen handelt - den Vorrang vor den anderen Klassen der Sekundarstufen gegeben. In vielen Bundesländern waren die Schüler:innen, die nicht in einer Prüfungsklasse sitzen, von Dezember bis April im Fernunterricht. Sie haben dem Prüfungsvorrang Tribut gezollt. Ihnen fehlt der Austausch in der Schule im persönlichen Kontakt. Allen Abschlussklassen wünsche ich, dass sie nun auch ihre Prüfungen ablegen können. Diese Abwägung hätten viele Lehrkräfte sicher anders getroffen und lieber den Prüfungsvorgang zurückgestellt, um mit allen Schüler:innen wenigstens in kleinen Gruppen den Kontakt zu halten.

Die GEW-Fachgruppe Gymnasien befürwortet den Beschluss der KMK, dass Schülerinnen und Schülern keine Nachteile aus der pandemiebedingten Ausnahmesituation erwachsen sollen. Sie fordert von der KMK unter anderem, auf hinderliche zentrale Vorgaben zu verzichten, und Regelungen auf Landesebene zu finden, die im Sinne der Chancengleichheit hilfreich sind. Dies betrifft durchaus auch eine flexiblere Handhabung der Bewertungsmaßstäbe. Außerdem erwartet die Fachgruppe Wiederholungsmöglichkeiten ohne Anrechnung auf die Verweildauer in der Oberstufe ebenso wie die Reduzierung von Klassen- und Kursarbeiten, um mehr Lernzeit zu gewinnen. Zudem sollen Schulen und Schüler:innen erweiterte Aufgabenauswahl und Wahlmöglichkeiten erhalten. Der Fachgruppe ist vor allem wichtig, dass es Planungssicherheit gibt.

Abschlüsse ohne Prüfung

Die GEW hat ein Zehn-Punkte-Programm zur Adaption der Prüfungen in dualen Ausbildungsberufen auf die pandemiebedingten Gegebenheiten vorgelegt. Darin schlagen wir unter anderem vor, bestimmte Aufgaben oder Aufgabenteile aus der Bewertung zu nehmen. Kompetenzorientierte, präsentations- und gesprächsbasierte Prüfungsteile sowie vergleichbare Prüfungsformen können durch den Prüfungsausschuss stärkenorientiert gesteuert werden. Die Bundesschülervertretung möchte Prüfungen ablegen, fordert aber Nachteilsausgleiche bei der Bewertung.

Der erste und Mittlere Bildungsabschluss wird in vielen Bundesländern ohne Prüfung vergeben. Wenn die Prüfung wie in Bremen noch stattfindet, brauchen die Schüler:innen diese Ausgleiche.

In der Krise viel gelernt

Nach den Schulabschlüssen geht es nun vor allem um Anschlüsse. Deshalb ist es wichtig, dass Ausbildungsbetriebe unterstützt werden. Dies geschieht mit dem vom DGB geforderten Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“. Es muss so schnell wie möglich gut umgesetzt werden, damit die Pandemie nicht auch noch Ausbildung stoppt. Die junge Generation muss durch mehr Ausbildungsangebote unterstützt werden. Das tut auch der Gesellschaft gut, denn der Fachkräftemangel ist schon jetzt groß. Auch die Hochschulen müssen sich darauf einstellen, dass sie den Studienanfänger:innen mehr Förderangebote machen. Alle haben in der Krise viel gelernt, das muss respektiert werden. Die junge Generation soll die Krise nicht bezahlen.