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Interview

Jugendliche müssten aus der Frauengeschichte lernen

Die langjährige GEW-Aktivistin und Buchautorin Romina Schmitter im Interview

Du hast Dich schon oft mit Frauen – und Geschlechterpolitik beschäftigt. Wie bist Du auf die Buchidee „Judas und Eva“ gekommen?

Im Frühjahr 2018 hat Ben Becker im Bremer Dom einen Vortrag über die fiktive Schrift von Walter Jens zur Verteidigung des Judas gehalten. Der Judas dient seit dem neuen Testament als Gottesmörder und Inkarnation des Verräters und der Geldgier. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die weibliche Seite meist nicht beachtet wird. Ich habe mich gefragt, wo eine vergleichbar verteufelte Frau zu finden ist. Da bin ich auf die biblische Eva gekommen. Mit ihr wurden alle Frauen zu Verführerinnen und zur Verursachung allen Übels in der Welt.

Was war das bemerkenswerteste Ergebnis Deiner Recherchen?

Der Gegensatz zwischen der Jahrhunderte währenden Diskriminierung von Juden und Frauen auf der einen Seite und der Thematisierung dieser historischen Tatsache erst im 20. Jahrhundert durch die Frankfurter Soziologen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrem Buch „Dialektik der Aufklärung“ von 1944. Ein Zitat daraus: „Weibern und Juden sieht man an, dass sie seit Tausenden von Jahren nicht geherrscht haben.“ Da kommt die Parallelität von Ausgrenzungsstrategien gegenüber jüdischen und weiblichen Menschen zum Ausdruck.

Du beschreibst Mechanismen der Ausgrenzung. Welche fallen Dir als erste ein?

Zwei: In räumlicher Hinsicht die Ghettorisierung von Juden seit dem 15. Jahrhundert in Venedig bis zum Warschauer Ghetto im Nationalsozialismus. Bei den Frauen war es die totale Beschränkung auf das Haus. In gesetzlicher Hinsicht waren es die sogenannten Judengesetze. Bei den Frauen war es die Geschlechtsvormundschaft. Beide Gesetze gehen auf antikes Sklavenrecht zurück.

Was muss sich ändern, damit weniger ausgegrenzt und dämonisiert wird?

Die BRD-Verfassung wurde bei der „Wiedervereinigung“ zur gesamtdeutschen Verfassung erhoben, statt, - wie es immer noch im Grundgesetz im Artikel 146 steht – eine Verfassung zu beschließen, die vom gesamten deutschen Volk beschlossen ist. Das hätte aber bedeutet, die sozialen Rechte der DDR-Verfassung zu berücksichtigen. Die Jugendlichen müssten aus der Frauengeschichte lernen, wie gefährdet die Errungenschaften sind, von denen Frauen heute profitieren.