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Mitbestimmung

Funktioniert Demokratisierung auch undemokratisch?

Das Bremische Schulverwaltungsgesetz und die „Verschlimmbesserungen“

Foto: Patara - Ratsversammlung (Foto: privat)

„Mitbestimmung in den Angelegenheiten, die einen selbst betreffen, ist Wesensmerkmal einer lebendigen Demokratie. Die innerschulische Demokratie muss daher wiederbelebt werden. Dazu werden wir im Schulverwaltungsgesetz die Konferenzen als Orte der Entscheidungsfindung und die Beteiligungsrechte der Schülerinnen und Schüler sowie der Beschäftigten in Schulen stärken.“ Was sich im Koalitionsvertrag 2019 noch durchaus positiv anhört, zumal dieser an die Versprechungen der Senatorin auf der Bremer Personalversammlung am 9. Mai 2019 anknüpft, erweist sich heute als bloßes Lippenbekenntnis.

Welchen Wert hat das Wort von Frau Bogedan?

Im Oktober 2019 haben die Interessenvertretungen der Senatorin Vorschläge für die geplante Gesetzesänderung überreicht. Trotz wiederholter Nachfragen und anders lautender Zusagen hat vor der Präsentation des Gesetzesentwurfes in der Bildungsdeputation kein einziges Gespräch darüber stattgefunden.

Und außerdem enthält der Entwurf im Kern keine Verbesserung der Beteiligungsrechte der Beschäftigten, sondern bringt vielmehr sogar eine Schwächung mit sich. Bleibt es dabei, hat die Senatorin ihr Wort gleich zweimal gebrochen.

Mit Hängen und Würgen

Aber anstatt wenigstens jetzt in konstruktive Gespräche einzutreten, bei denen die verschiedenen Interessengruppen zusammenkommen, soll das Gesetz bereits im Sommer wirksam werden. Zitat aus der Rechtsabteilung der Behörde „Wir schaffen es mit Hängen und Würgen.“ Kann so ein Prozess der Demokratisierung gelingen oder zeigt sich hier nicht genau die Haltung einsamer Entscheidungen, die wir in der Bildungsbehörde so oft erleben?

Die erste Fassung des bremischen Schul- und Schulverwaltungsgesetzes wurde 1994 im Geiste einer Demokratisierung verfasst. Der größte Teil der später vorgenommenen Änderungen wirkte sich eher entdemokratisierend aus. Zielrichtung waren die Umsetzung von Spardiktaten, die Orientierung an wirtschaftlichen Denkweisen und zentraler Steuerbarkeit von Bildung. Die Folge: weniger Mitsprache der Kolleg*innen und eine deutliche Stärkung von Schulleitungen.

Schlupflöcher im Gesetz schließen

Nur zwei Beispiele aus dem gültigen Gesetz. In §36 heißt es: „Soweit die Gesamtkonferenz von ihrem Recht zur Entscheidung nicht Gebrauch gemacht hat, entscheidet die Schulleitung.“ Es ist zwar vorgesehen, dass die Gesamtkonferenz sofort informiert wird und die Möglichkeit erhält, neu zu entscheiden – das findet in der Praxis aber schlichtweg nicht statt. In § 62 steht: „Die Schulleitung entscheidet in allen schulischen Angelegenheiten soweit nicht andere Konferenzen zuständig sind oder diese die notwendigen Entscheidungen nicht treffen.“ Wie kann es dazu kommen, dass Konferenzen Entscheidungen nicht treffen? Keine Lust, keine Zeit? Nein, bestimmte Themen kommen einfach nicht auf die Tagesordnung. Das sind einfach nur undemokratische Schlupflöcher.

Schädliche Passagen streichen

Wir haben die Senatorin aufgefordert, diese für die schulische Demokratie schädlichen Passagen zu streichen und durch ein Eilverfahren zu ersetzen, wie es das bis 2005 gab. Was hat die Behörde aus unserem Vorschlag gemacht? „Soweit die Gesamtkonferenz von ihrem Recht zur Entscheidung nicht Gebrauch gemacht hat, entscheidet ausnahmsweise die Schulleitung.“ Noch Fragen? Wer jetzt ehrlich über die Demokratisierung von Schule nachdenkt, sollte über die Rücknahme dieser beschämenden „Verschlimmbesserungen“ nachdenken. Wir erwarten, dass die Gesetzesänderung verschoben und erst einmal mit den Betroffenen darüber diskutiert wird – und zwar im Geiste von: „Mitbestimmung in den Angelegenheiten, die einen selbst betreffen, ist Wesensmerkmal einer lebendigen Demokratie.“