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Zeitlupe

Die sozialökologische Transformation

Gedanken zu einer integrativen Klimapolitik

Klaus-Jürgen Urban

In den 80er Jahren war die verbreitete Unternehmensphilosophie noch Diversifizierung der Konzernstrukturen. Dabei wurde auch die Frage »Wie können Automobilkonzerne zu Mobilitätskonzernen entwickelt werden?« diskutiert. Es folgte dann aber der Wandel hin zum Shareholderkapitalismus. Und der fokussiert sich auf das Kerngeschäft. Alles, was nicht in kurzer Zeit seine Rendite nachweisen kann, hat in diesen Strategien so gut wie keine Chance mehr. Das hat die Bedingungen verschlechtert, unter denen wir die Diskussion über ökologische, nachhaltige Produktion führen können. Diese Dominanz der Finanzmarktregeln in den Unternehmen hat dazu geführt, dass auch fortschrittliche Ansätze in Richtung einer ethischen Unternehmensführung ungeheuer erschwert wurden.

Eine Jahrhundertaufgabe

Wir haben eine historische Aufgabe: Sie besteht darin, die ökologische zu einer sozialökologischen Transformation zu machen. Wenn sie so ablaufen sollte, dass die Beschäftigten in den rohstoffintensiven Branchen von vornherein die Verlierer*innen sind, kann nicht erwartet werden, dass sie das mittragen. Verfolgt man das Ziel der ökologischen Transformation, muss man daher gleichzeitig dafür sorgen, dass diese Menschen nicht die Verlierer*innen des Prozesses sind. Es bedeutet anzuerkennen, dass die im heutigen Exportmodell Deutschlands vorhandene Dominanz der Automobilindustrie nicht auf ewig fortexistieren kann. Und dass der Individualverkehr mit dem Auto insgesamt an Bedeutung verlieren wird. Schon heute kommt es in der Automobilindustrie zum Verlust von Arbeitsplätzen. Es bedeutet aber auch, dass es in einer ökologisch verträglicheren Automobilindustrie weiterhin eine zu rechtfertigende Perspektive für die Arbeitenden gibt, wenn die Produkte und Verfahren angepasst werden. Zugleich können rund um eine grün-elektrifizierte Autoproduktion neue Arbeitsplätze entstehen, die neue Perspektive bieten. Eine Strategie zu formulieren und politisch in Angriff zu nehmen, die dem ökologischen Imperativ Rechnung trägt und den Betroffenen soziale Perspektiven eröffnet, das ist die Aufgabe der Gewerkschaften - eine echte Jahrhundertaufgabe.

Neue Wirtschaftsdemokratie

Ökologisch nachhaltige Produkte mit Beschäftigungsperspektiven brauchen strategische Investitionen und Investitionsbereitschaft. Hektisches Schielen auf kurzfristige Renditen und maximale Dividenden für die Aktionäre sind da kontraproduktiv. Klingt revolutionär. Keineswegs, aber es wird sich nicht im Selbstlauf vollziehen. Es braucht erstens umfassende, ausgebaute Mitbestimmung der Interessenvertretungen, auch bei wirtschaftlichen Fragen. Es braucht zweitens öffentliche Mittel. In der Stahlindustrie etwa werden die Profite der Unternehmen nie und nimmer ausreichen, um die notwendigen Investitionen für die Umstellung der Kokskohle-Stahl-Produktion auf grünen Wasserstoff zu finanzieren. Dabei ist klar: Wer den öffentlichen Personennahverkehr oder die Windenergie ausbauen will, braucht mehr und nicht weniger Stahl. Kurzum, wer nicht schnelle Gewinne, sondern eine nachhaltige Industrie und eine intakte Natur im Blick hat, der darf die Dinge nicht gewinnorientierten Märkten überlassen. Der muss politisch intervenieren. Auf der Grundlage demokratischer Entscheidungen und in sozialer Verantwortung. Ich spreche hier von einer sozial-ökologischen Wirtschaftsdemokratie.

Ökologie der Arbeit

Ohne Demokratie und gleichzeitige Einschränkung kapitalistischer Verfügungsgewalt, die sich auf Eigentumstitel beruft, kann das nicht funktionieren. Die Gewerkschaften bleiben die Interessenvertretung der abhängigen Arbeit, aber es braucht einen erweiterten Interessenbegriff, der die Verantwortung für die Arbeit durch Verantwortung für die Gesellschaft und für die Natur ergänzt. Gute Gewerkschaftspolitik ist Politik, die sich vor allen drei Maßstäben bewährt. Eine solche Ökologie der Arbeit hat durchaus eine implizite Ethik.

Save the date:
Vortrag Dr. Hans-Jürgen Urban: Politische Bündnisse für eine soziale Klimapolitik;
Donnerstag, 2. Februar 2023, 17–18:30 Uhr | Arbeitnehmerkammer Bremen | Kultursaal | Anmelden unter: 0421 36301-985.
Im VSA-Verlag ist gerade Urbans neues Buch „Gute Arbeit in der Transformation. Über eingreifende Politik im digitalen Kapitalismus“ erschienen.