Seit 2010 gibt es in allen drei Stadtstaaten ein zweigliedriges Schulsystem, bestehend aus dem Gymnasium und einer zweiten Schulform, die in Bremen Oberschule, in Hamburg Stadtteilschule und in Berlin Integrierte Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule heißt. In allen drei Ländern stehen die weiterführenden durch die „freie Schulwahl“ untereinander in Konkurrenz. Allerdings differiert die Ausprägung des Zwei-Säulen-Systems aufgrund der unterschiedlichen Vorgeschichte: Während Bremen in den 1970er Jahren entsprechend der Empfehlung des Deutschen Bildungsrates nach internationalem Standard flächendeckend Schulzentren der Sekundarstufe I eingerichtet hatte, deren Abteilungen sich perspektivisch zu Gesamtschulen integrieren sollten, richteten Hamburg und Berlin Gesamtschulen mit eigener Oberstufe als vierte Schulform neben der traditionellen Dreigliedrigkeit aus Gymnasien, Real- und Hauptschulen ein.
In Bremen wurde die damals angekündigte flächendeckende Gesamtschule bekanntlich nie realisiert und stattdessen wurden in den 1990erJahren acht isoliert Gymnasien in Bremen und eines in Bremerhaven restauriert. In Berlin und Hamburg expandierten die Gymnasien und die Gesamtschulen, während die Hauptschule sich immer mehr zur „Restschule“ entwickelte. Seit Beginn der 2000er Jahre propagierten fast alle politischen Kräfte bis hin zum CDU-Bundesparteitag das Zwei-Säulen-System und von 2008 bis 2010 wurde dieses in den drei Stadtstaaten realisiert. In Hamburg hatten vorher noch die Grünen, unterstützt von Teilen der SPD, unter der Losung „Neun macht klug“ versucht, ein gemeinsames Lernen bis zur neunten Klasse zu realisieren, aber sie wurden durch ein konservatives Volksbegehren gestoppt, das den Erhalt des Gymnasiums ab der fünften Klasse durchsetzte. Auch in Bremen begann das Gymnasium ab 2003 wieder mit der fünften Klasse, nachdem die Große Koalition, dem Beispiel Niedersachsens folgend, die Orientierungsstufe abgeschafft hatte. Berlin behielt dagegen die dort traditionelle sechsjährige Grundschule bei.
In Bremen gab es ab 2009 eine politische Deckelung der Zahl der Gymnasien und die Umwandlung aller bisherigen Schulzentren und Gesamtschulen in Oberschulen. Dabei wurde das vorher noch weitgehend vorhandene Stufensystem in der Stadtgemeinde Bremen demontiert und ein Viertel der Oberschulen erhielt eine aus einem Sek.-II-Zentrum herausgelöste oder neu aufgebaute Oberstufe. (Bremerhaven ging einen anderen Weg, der von der Evaluationskommmission nicht untersucht wurde.) Da die Gymnasialabteilungen der Sek.-I-Zentren in diesem Prozess abgeschafft wurden, hat sich die Zahl der „grundständigen“ Gymnasialschüler*innen stark vermindert. Im Schuljahr 2017/18 besuchen im fünften Jahrgang 23,39% ein Gymnasium, während 2008 noch 43,4% ein isoliertes Gymnasium oder die Gymnasialabteilung eines Schulzentrums besuchten. Gleichwohl ist die Quote der Absolvent*innen mit Hochschulreife in Bremen und Berlin fast gleich hoch (2015 waren es 43,8% in Bremen und 44,7% in Berlin; Hamburg liegt mit 54,6% bundesweit an der Spitze). Wenn also die Bremer Kommission in ihrem Bericht formuliert, „in keinem anderen Bundesland erwirbt ein vergleichbar hoher Anteil der Abiturientinnen und Abiturienten die allgemeine Hochschulreife an einer weiterführenden Schulform jenseits des allgemeinbildenden Gymnasiums“, so ist dies ein Resultat der spezifischen Vorgeschichte. Die grundlegende Schulreform von 1975 wirkt sich immer noch aus, da in den ehemaligen Schulzentren viele Gymnasialschüler*innen waren.
Die bisherigen Ergebnisse des „Bremer Schulfriedens“ werden in diesem Heft ausführlich dargestellt und bewertet. Abschließend soll die Situation in den beiden anderen Stadtstaaten beleuchtet werden.