Zum Inhalt springen

Hartz IV

Die Armut wächst weiter

Bundesweite Aktionswoche vom 23.10. bis zum 31.10.2023 - Macht alle mit!

Linolschnitt: Klaus Schiesewitz

Zwar hat sich die offizielle Inflationsrate abgeschwächt und die Großhandelspreise für Energie sind gesunken. ABER: Die Preise, besonders für Nahrungsmittel und Energie, sind weiter hoch und für immer mehr Menschen kaum noch zu stemmen. Trotz einiger nach dem Gießkannenprinzip verteilter Gegenmaßnahmen der Ampelregierung wirkt sich das für breite Teile der Bevölkerung verheerend aus. So sind der europäischen Statistikbehörde Eurostat zufolge über elf Prozent der Menschen nicht imstande, sich zumindest jeden zweiten Tag vollwertig zu ernähren. Die Armut wächst rasant. Ein Fünftel der Bevölkerung in der reichen Bundesrepublik gilt als arm oder „armutsgefährdet“, Kinder und Jugendliche betrifft dies sogar zu fast einem Viertel. Rund 7,5 Millionen Beschäftigte hängen im
Niedriglohnsektor fest und ein Fünftel der Rentner*innen sind von Altersarmut betroffen.
Die Inflation wird begleitet von massiver Wohnungsnot und hohen Mieten. Sozialwohnungen bzw. „bezahlbaren Wohnraum“ gibt es kaum noch. Elf Millionen Mieterhaushalten mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein stehen nur eine Million Sozialwohnungen gegenüber.

Wir fordern die Einhaltung der sozialpolitischen Zusagen
Die jetzige Regierungskoalition ist vor ihrer Amtsübernahme im Wesentlichen mit zwei zentralen sozialpolitischen Versprechen angetreten: der „Überwindung“ des Hartz IV-Systems und seiner Ersetzung durch ein so genanntes „Bürgergeld“ sowie der Bekämpfung der skandalösen Kinderarmut durch eine „Kindergrundsicherung“. Das Bürgergeld hat sich trotz einiger Verbesserungen im Kern als eine bloße Umetikettierung von Hartz IV erwiesen. Eine wesentliche Verbesserung im Bürgergeldkonzept sollte der Ausbau der beruflichen Qualifizierung sein. Dies Versprechen fällt dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2024 zum Opfer, schon jetzt gibt es bei den Weiterbildungszahlen ein Minus von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die Kindergrundsicherung droht noch vor ihrer Einführung zu scheitern, da mit zwei Milliarden Euro nur ein Bruchteil des für ihre Umsetzung benötigten Geldes zur Verfügung gestellt werden soll.

Für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums
Das Geld, das den Armen zum Leben fehlt, ist für andere Zwecke durchaus verfügbar. Während im Haushaltsentwurf 2024 insbesondere im Sozialbereich massive Kürzungen vorgesehen sind, werden für Rüstungsausgaben erstmals zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts veranschlagt – für 2024 wären das satte 71 Milliarden Euro. Während die Tafeln dem immer größeren Andrang nicht gewachsen sind, haben die hundert umsatzstärksten Unternehmen im Krisenjahr 2022 ihren Umsatz um 30 Prozent gesteigert.

Der Armut endlich den Kampf ansagen!
Wir wollen uns mit der wachsenden Ungleichheit und Armut nicht abfinden und fordern daher:

  • Der Eckregelsatz für alleinstehende Erwachsene muss sofort um 150 € erhöht werden, die anderen Regelbedarfsstufen entsprechend. Darüber hinaus muss zeitnah eine Neuberechnung erfolgen, die sich an der Realität orientiert. Bereits 2014 hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, dass er bei Kenntnis von „Unterdeckungen existenzieller Bedarfe“ sofort darauf reagieren müsse, „um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt sei“. Die Stromkosten müssen aus der Regelsatzberechnung rausgenommen und in voller Höhe übernommen werden.
  • Die Wohnkosten inklusive der Heizkosten müssen auch nach der einjährigen Karenzzeit in voller Höhe übernommen werden, auch für Haushalte, deren Wohnkosten schon vor der Corona-Krise als unangemessen hoch gelten.
  • Die Einführung einer antragslos zu gestaltenden Kindergrundsicherung muss Kinder und Jugendliche aus der Armut holen. Dazu ist eine Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums ebenso unerlässlich wie ein Konzept, das alle Kinder erreicht, auch die, die in verdeckter Armut leben. Zur Verbesserung der Lage von Kindern und Jugendlichen ist außerdem ein Ausbau kostenfreier Bildungs- und Freizeiteinrichtungen dringend erforderlich, ebenso wie zum Beispiel ein kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen.
  • Der Mindestlohn muss deutlich erhöht werden. Um zu verhindern, dass immer mehr Menschen im Alter in die Grundsicherung fallen, muss die gesetzliche Rente entsprechend angehoben werden und eine armutsfeste Mindestrente eingeführt werden. Zudem muss der BAföG-Satz dringend an die Inflationsentwicklung angepasst werden.

Wir brauchen einen Ausbau der Daseinsvorsorge insbesondere in den Bereichen sozialer Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Wohnung, Mobilität und Energieversorgung, keine weitere Privatisierung.

Bitte teilt uns möglichst bald mit, ob und in welcher Form ihr euch an der Aktionswoche beteiligt!
Mit einer bundesweiten dezentralen Aktionswoche vom 23. zum 31. Oktober 2023 wollen wir auf die wachsende finanzielle Not und die Armutsbedrohung großer Teile der Bevölkerung in der Bundesrepublik aufmerksam machen und unseren Forderungen in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen und diesen Nachdruck verleihen. Alle Gruppen können und sollen sich nach ihren Möglichkeiten an der  Aktionswoche beteiligen, so zum Beispiel mit Infoständen vor Jobcentern, in Fußgängerzonen oder
vor Supermärkten; Schautafeln mit Erfahrungsberichten, Einladungen zu eigenen Veranstaltungen…
Wir werden ein Flugblatt schreiben, das Ihr für Eure Aktionswoche bzw. Euren Aktionstag gerne mit Eurem Logo versehen und verteilen könnt. Auch den Entwurf einer Pressemitteilung und ggfs.weiteres Material werden wir Euch im Vorfeld der Aktionswoche zur Verfügung stellen.


* Das Bündnis AufRecht bestehen wird getragen von: Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), „ARBEITSLOS - NICHT WEHRLOS“ Wolfsburg (ANW), BASTA!, Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen (BAG-PLESA), Bundes-Erwerbslosen-Ausschuss Gewerkschaft ver.di, Duisburger Initiative „AufRecht bestehen!“, Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB-KV Bonn/Rhein-Sieg, Gruppe Gnadenlos Gerecht Hannover, Frankfurter Arbeitslosenzentrum e.V. (FALZ), Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Tacheles e.V. Wuppertal, Widerspruch e.V. Bielefeld und anderen örtlichen Bündnissen und Initiativen.

Etikettenschwindel Bürgergeld - Lug und Betrug

Aktion AufRecht bestehen im letzten Jahr  am 14. Oktober 2022 vor dem Jobcenter in Bremerhaven 

Auch in 2022 hatten wir vorab zum Aktionstag AufRecht bestehen in Gewerkschaftskreisen breit mobilisiert. Initiiert wurde diese Aktion von dem Bündnis AufRecht bestehen,

Anlass ist die Einführung des neuen Bürgergeldes ab 1. Januar 2023.  
In den Arbeitskreisen von ver.di, der GEW und der IG Metall gab es bereits im Vorfeld hitzige Debatten zu diesem Thema.  
Wir stellten fest:  
Es wird keine nennenswerte Verbesserung für Erwerbslose geben, lediglich der Name Hartz IV, das im Jahr 2005 unter SPD und Grüne eingeführt wurde, soll ersetzt werden, weil es den größtmöglichen Niedriglohnsektor eingeführt hat. 
 
Unsere Hauptforderung, die Erhöhung des Regelsatzes auf mindestens Euro 678, die wir schon bei unserer Aktion am 10.09.21 in Bremerhaven forderten wurde nicht berücksichtigt.
502 statt 449 Euro für eine alleinstehende Person sollen die Menschen in der Grundsicherung über den Monat bringen – und das bei einer Inflationsrate von 10,9 % (Stand Sept.2022). Für Lebensmittel sind gerade knapp 6 Euro/Monat vorgesehen, soziale Teilhabe ist somit gar nicht mehr möglich.  
Da die Zahl der Hilfesuchenden in der letzten Zeit derart angestiegen ist, ist es nicht mehr möglich, sich bei den Tafeln zusätzlich mit Lebensmitteln zu versorgen. Das Jobcenter verweist wider besseren Wissens immer noch auf diese Möglichkeit hin.

Die Verrohung in unserer Demokratie nimmt fortwährend zu.

Aber immerhin werden Milliarden für Rüstung bewilligt, die eigentlich dringend für Soziales benötigt werden - angeblich für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand. 
Die Rentenbeiträge werden seit dem Jahr 2011 nicht mehr von der Arbeitsagentur entrichtet, dies ist schon ganz in Vergessenheit geraten. Altersarmut für Langzeitarbeitslose ist vorprogrammiert! 
 
Wir möchten an dieser Stelle auf die Fachliteratur und die Aussagen hinweisen von:  

  • Prof. Christoph Butterwegge „Hartz IV und die Folgen – Der Weg in eine andere Republik“,  
  • Harald Thomé „Newsletter zu Bürgergeld-Plänen“
  • sowie auf das Buch von  Prof. Rudolph Bauer „Kaltes Land – gegen die Verrohung der Bundesrepublik und die Folgen durch Hartz IV“ .  

Nachdem wir alle Initiativen, die Erwerbslosenberatung in Bremen und Bremerhaven anbieten, im Vorfeld über unsere Aktion am 14.10.22 in Kenntnis gesetzt hatten, standen wir am 14. Oktober 2022 mit Infotisch, Sandwich-Platten und Infomaterial direkt vor dem Eingang des Jobcenters in Bremerhaven. 
Dort informierten wir die Leistungsbezieher:innen über die Mogelpackung Bürgergeld und sie waren alle unserer Meinung, dass das Geld nicht reicht für ein menschenwürdiges Existenzminimum.
 
Der Leitung des Jobcenters gefiel es nicht so gut, dass wir dort Aufmerksamkeit erzeugten; sie wurde sogar richtig aggressiv. Es wurde uns tatsächlich unterstellt von Frau von Rittern wir hätten uns die Genehmigung vom Ordnungsamt wohl selbst ausgestellt – da haben wir wohl den richtigen Nerv getroffen! Die Behörde scheut die Aufklärung wie der Teufel das Weihwasser! 

In Bremen betrug die Arbeitslosenquote im September 2022 10,5 %; Deutschlandweit lag die Arbeitslosenquote im September bei 5,4 %. D. h. Bremen hat damit die doppelte Zahl an Arbeitslosen als der Bundesdurchschnitt. In den Statistiken, wie bereits bekannt, sind nicht alle Erwerbslosen aufgeführt! 
In Bremerhaven sieht es noch düsterer aus, dort betrug die Arbeitslosenquote im September 2022 sogar 13,6 %. Bremerhaven-Lehe gilt als das Armenhaus Deutschlands. 
Arbeitslosigkeit kann jeden treffen! Wir brauchen: Arbeit für alle, Löhne, die zum Leben reichen!  
Und weil es nicht immer genügend Arbeit für alle Menschen gibt, Bürgergeld, das zum Leben reicht...

Das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ wird getragen von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), „ARBEITSLOS – NICHT WEHRLOS“ Wolfsburg (ANW), Gruppe Gnadenlos Gerecht Hannover Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB-KV Bonn/Rhein-Sieg, Frankfurter Arbeitslosenzentrum e.V.(FALZ), Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Tacheles e.V. Wuppertal, ver.di Bundeserwerbslosenausschuss, Widerspruch e.V. Bielefeld sowie vielen örtlichen Bündnissen und Initiativen