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„Alles ist anders“ - Ist alles anders?

Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die Bremer Universität wird vierzig. Neben den Diskussionen zur Teilnahme an der Exzellenzinitiative, der Finanzierung durch Drittmittel und der Rückbesinnungen auf die längst vergessenen Gründungsmotive rückt ein weiteres wichtiges Thema aus dem Blickfeld – die Gleichstellung an der Universität.

Laut einem Gleichstellungsranking des Kompetenzzentrum für Frauen in Wissenschaft und Forschung sind zwar einerseits rund 16 % der Bremer Professuren von Frauen besetzt, im bundesweiten Vergleich liegt die Universität somit in der Spitzengruppe; doch andererseits reicht der Frauenanteil bei den Studierenden nur für die Schlussgruppe aus.
Die Bremer Ideenschmiede, vor vierzig Jahren unter anderem mit dem Motto „Alles ist anders“ gestartet, reit sich somit ein in eine bundesweite Hochschullandschaft, in der eine Gleichstellungsmisere für die Spitzengruppe qualifiziert. Denn auch das bejubelte Verhältnis von 16 Professorinnen auf 100 Professoren ist kein wirklicher Grund zur Freude. Die Universität ist somit vor allem eins – von Männern dominiert und für Männer gemacht.
Auch andere Erhebungen an der Universität Bremen geben Grund zur Sorge. So zeigt eine Befragung der wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen, dass die eigenen Zukunftschancen von den Geschlechtern unterschiedlich bewertet werden – und zwar fachbereichsübergreifend. So bewerten die Wissenschaftlerinnen nicht nur ihre Karrieremöglichkeiten deutlich schlechter als ihre männlichen Kollegen, sondern auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Gerade diese Vereinbarkeit ist auch für die Studierenden ein drängendes Thema. Erst die Studierendenvertretung hat mit der Initiierung eines ehrenamtlichen Kinderbetreuungsnetzwerks – dem Kinderland – im kleinen Maßstab reale Verbesserungen der unzureichenden Bedingungen für das Studium mit Kind an der Universität geschaffen. Diese Idee wurde nun auch von der Führung der Universität aufgegriffen und teilweise ausgebaut. Neben der an vielen Stellen mangelnden Akzeptanz von Studierenden mit Kind ist auch Flexibilisierung des Studiums unzureichend.
Wenn somit zwar nicht alles anders in Bremen als an anderen Universitäten ist, so gibt es zum Jubiläum des Bremer Wissenschaftsstandortes auch Grund zum gleichstellungspolitischen Lob. In Bremen werden seit vielen Jahren herausragende Ideen im Einsatz für eine Gleichstellung der Geschlechter sowohl fachwissenschaftlich als auch im Bereich der Lehre entwickelt und umgesetzt. Ein Beispiel ist die Sommeruniversität für Frauen vom Fachbereich Informatik. Die informatica feminale ist dieses Jahr zum vierzehnten Mal in Folge von Wissenschaftlerinnen für Studentinnen organisiert worden. Hier wird bereits seit vielen Jahren ein erfolgreicher Raum zur Entwicklung und Erprobung von geschlechtergerechten Reformmaßnahmen geschaffen und angewendet.

Insgesamt arbeiten an der Universität verschiedene Einrichtungen und Initiativen, wie z.B. das Zentrum für Gender Studies oder auch das Kompetenzzentrum für Frauen in Naturwissenschaft und Technik, [Die hier genannten stehen stellvertretend für die weiteren Einrichtungen und Initiativen, die unter www.uni-bremen.de/universitaet/profil/chancengleichheit-und-antidiskriminierung.html aufgeführt sind] gemeinsam an dem Ziel Chancengleichheit herzustellen. Die Verbesserung der gleichstellungspolitischen Situation der Mitarbeiter_innen an der Universität wird darüber hinaus vom Personalrat und der Frauenbeauftragten überwacht und vehement eingefordert.


Dennoch bleibt zum Jubiläum der Universität gemessen an den gleichstellungspolitischen Herausforderungen ein Eindruck hängen: Die Bremer Universität hat Integrationsprobleme und zwar mit der Integration eigener Ideen. Die existierenden Konzepte für eine Verbesserung der gleichstellungspolitischen Situation sind vorhanden und werden in einigen Bereichen auch angewendet. Doch fehlt es offensichtlich an einem inneruniversitären Diskurs, durch welchen diese Konzepte und Ideen auch in die entlegensten Winkel des Betonkolosses getragen werden.
Anlässlich des Jubiläums lohnt daher ein Blick in die Vergangenheit. Neben innovativen Lern- und Lehrkonzepten basiert das Fundament der Bremer Universität auf Demokratie und Mitbestimmung des eigenen Lern-, Lehr- und Arbeitsraumes. Eine alle Bereiche der Universität erfassende Gleichstellungspolitik findet in der demokratischen und stärkeren Einbindung der Betroffenen und einer konsequenteren Umsetzung gleichstellungspolitischer Überzeugungen ihre tragfähigste Grundlage.

Anmerkungen:
Zum Titel: U.a. nachzulesen in einer der ersten Pressemitteilung der Universität Bremen vom 28.10.1971; s. Meier-Hüsing, Peter: Universität Bremen. 40 Jahre in Bewegung. Edition Temmen.

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Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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