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GEW-Gremien

Äpfel und Birnen

Die Bildungssenatorin und der Verfall der Transparenz

Das erste Mal seit vielen Jahren hat die Senatorin für Bildung keine Presseerklärung zum Schuljahresanfang herausgegeben. Es gab keine Information über die Zahl der an den Bremer Schulen eingesetzten Lehrkräfte, über den Anteil der Vertretungskräfte, über deren Ausbildungsstand und über den Anteil der Seiteneinsteiger*innen. Auch bei den anlässlich eines „buten un binnen“-Interviews zur Verfügung gestellten Zahlen über die Einstellungen und den ungedeckten Bedarf bleibt vieles im Dunkeln. Hiernach konnten in der Stadtgemeinde 86 Stellen nicht besetzt werden. 367 Lehrkräfte seien eingestellt worden. Aber wie viele Stellen besetzen sie? Viele beginnen ihren Dienst in Teilzeit. Oft wird ihnen dies sogar nahegelegt. Der Anteil der Stellen, die nicht besetzt werden konnten, ist also höher, als es zunächst scheint. Trotzdem gab die Senatorin diese Äpfel- und Birnen-Sammlung heraus und brüstete sich im Weser-Kurier sogar noch, damit habe Bremen besser abgeschnitten als Niedersachsen.

Der Vergleich mit Niedersachsen hat gravierende Fehler

Das dortige Kultusministerium machte dem WK auf Anfrage klarere Angaben: 1755 Stellen sollten besetzt werden, 317 blieben unbesetzt, das sind 18,06 Prozent. Selbst wenn in Bremen die Zahl der neu eingestellten Personen und der von ihnen besetzten Stellen identisch wäre, betrüge der Anteil der unbesetzten Stellen hier 19,06 Prozent. Er liegt also auf jeden Fall höher als in Niedersachsen, realistisch betrachtet fällt der Vergleich noch deutlich schlechter für Bremen aus.

Aber damit ist die Peinlichkeit noch nicht zu Ende. Laut WK äußert die Bildungssenatorin, in Niedersachsen seien 20 Prozent der Lehrerstellen unbesetzt, bei uns seien es nicht einmal zwei Prozent. Hier geht nun alles durcheinander. Die niedersächsische Zahl von 20 Prozent bezieht sich auf den Anteil bei den Neueinstellungen, die Bremer von zwei Prozent auf den Anteil an allen Stellen. Laut Haushaltsplan stehen den Bremer Schulen in diesem Schuljahr 5125 Stellen (Lehrervollzeiteinheiten) zur Verfügung. 86 unbesetzte hiervon sind 1,67 Prozent. Nicht eingerechnet sind dabei die Stellen, die durch die Stadtteilschule vertreten werden – im letzten Schuljahr waren das über 200. In Niedersachsen beträgt die Gesamtzahl der Lehrervollzeiteinheiten laut KMK-Statistik 66645 (1). Wenn dort 317 Stellen unbesetzt sind, so sind das 0,47 Prozent. Auch hier schneidet Bremen also bedeutend schlechter ab.

Und auch hier ist mit dem Unsinn noch nicht Schluss: Die Senatorin vergleicht in unzulässiger Weise eine Stadt mit einem Bundesland. Dort tritt der Mangel, wie sie selbst sagt, vor allem in den ländlichen Regionen auf. Aber auch das Land Bremen hat zwar keine ländlichen Regionen, doch eine zweite Stadt, in der der Mangel traditionell noch größer ist. In Bremerhaven konnten zum neuen Schuljahr 114 Stellen nicht besetzt werden. Für das Land ergibt das zusammen 200 unbesetzte Stellen. Bei insgesamt 6560 Lehrervollzeiteinheiten (2) beläuft sich der unbesetzte Anteil auf drei Prozent. Das Bild wird immer schlechter, je genauer man den Zahlenrelationen nachgeht.

Das war nicht immer so

Vor allem aber stellt sich die Frage: Warum diese Intransparenz? Als die Bremer Schulen noch gut ausgestattet waren (lang ist‘s her, im letzten Jahrhundert) gab es das nicht. In einer Deputationsvorlage wurde veröffentlicht, wie viele Stunden und wie viel Lehrkapazität jede Schule zugewiesen bekam. Zuerst war man stolz auf die gute Versorgung, später dann, bei damals sinkender Schüler*innenzahl, wollte man nachweisen, dass es einen „Überhang“ gab und Stellen abgebaut werden könnten. Seit 2006, seit der eingetretene Mangel immer deutlicher wurde, behandelt die Behörde diese Zahlen als Staatsgeheimnis. Aber immerhin gab es bis jetzt noch Globalzahlen, und auch das nun nicht mehr. Dabei ist es heute ein Leichtes, diese vorzulegen. Damals gab es noch keine Computer, die das Zusammenzählen auf einen Knopfdruck reduzieren. Da stellt sich abschließend die Frage: Will die Behörde die Fakten nicht mehr mitteilen, sind sie ihr gleichgültig oder weiß die Behördenspitze nicht mehr, was in ihrem Ressort passiert?

1) und 2): Die Zahlen der KMK werden nachträglich erhoben und sind immer etwas veraltet. Außerdem sind für Bremen alle Schulen die Bezugsgröße, für Niedersachsen die allgemeinbildenden – eine weitere Ungenauigkeit im Vergleich der Senatorin.