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Schwerpunkt

„Wir müssen auf Qualität achten“

GEW-Personalrät:innen im Interview: Petra Lenz, Jörn Lütjens, Dagmar Reinkensmeier, Denise Robinson und Paul Tiedemann berichten über ihre - manchmal schwierige - Arbeit.

Petra Lenz | Sonderpädagogin | GEW-Beamten-Liste | PR Schulen

Um die Bildung ist es im Land Bremen seit Langem nicht gut bestellt. Viele Baustellen, viele schlechte Nachrichten, wenig Geld, wenig Aussicht auf Besserung. Was bedeutet das für eure Arbeit als Personalrät:innen?

Jörn: Das bedeutet, dass wir von der Behörde ständig mit dem Wunsch konfrontiert werden, unterqualifiziertes Personal einzusetzen. Wir müssen aber auf Qualität achten, um die Kolleg:innen, die schon im System sind, nicht zusätzlich zu belasten.

Dagmar: Da es bei den Erzieher:innen einen eklatanten Fachkräftemangel gibt, haben wir eine Nachqualifizierung ausgehandelt. Das war eine Menge Arbeit, aber das hat sich gelohnt. Und die betroffenen Erzieher:innen sind sehr zufrieden damit.

Petra: Bei uns melden sich immer mehr Kolleg:innen, die unter Überlastungen, massiven Erschöpfungszuständen und innerer Kündigung leiden. Ich berate vermehrt bei psychosomatischen Krankheitsbildern. Wir haben haufenweise Anfragen und sehr viel zu tun.

Paul: Wir müssen bei der Personalratsarbeit immer wieder von den offiziellen Wegen abweichen, weil sich die Bildungsbehörde ständig neue Verfahren, Programme und Schleichwege ausdenkt, wie sie Personal einstellen kann, um die Löcher zu stopfen.

Die Kommunikation mit der Bildungsbehörde und der Senatorin ist schwierig, hört man. Eigentlich müsste doch größtes Interesse an den Einschätzungen eines Schulpersonalrats, also von Fachleuten aus der Praxis, bestehen?

Jörn: Ich halte es für ein großes Problem, dass die Senatorin nicht regelmäßig von sich aus mit uns spricht. Auf Staatsratsebene ist die Kommunikation meistens gut, aber Torsten Klieme hat auch viele Termine, gerade jetzt, wenn es um den Haushalt geht. Auf der Arbeitsebene darunter hat die Behörde ein strukturelles Problem, weil es dort viele Wechsel gab und sie unterbesetzt ist. Dadurch kommt es zu Reibungsverlusten.

Petra: Der Anspruch ist ja, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren. Aber die Beschäftigten in der Behörde sind oft überlastet. Das führt dazu, dass die Kommunikationswege nicht immer richtig geklärt sind. Es gibt ein Durcheinander. Dadurch funktioniert die Kommunikation dann oft nicht.

Ihr seid also nicht immer auf Augenhöhe?

Dagmar: Nein, die Mitbestimmung wird ja an vielen Stellen ausgehebelt. Wir müssen sie oft extra einfordern. Der Personalrat Schulen hört aus den Kollegien Probleme, und dann müssen wir oft im Nachklapp für Mitbestimmung sorgen.

Petra: Im täglichen Geschäft und bei Konflikten werden wir nicht grundsätzlich ausgebootet. Das sind Einzelfälle, wo es nicht funktioniert.

Jörn: Aber viele Einzelfälle.

Petra: Das stimmt.

Durch den anhaltenden Fachkräftemangel – nicht nur bei den Lehrkräften – müssen viele Quereinsteiger:innen  und Menschen ohne fertige Ausbildung an den Schulen aushelfen. Wie geht der Personalrat Schulen mit dem Problem der Dequalifizierung um?

Paul: Das ist ja kein neues Phänomen. Es wird immer wieder versucht, die Personalprobleme mit Programmen zu beheben, die kostengünstig sind. Qualität hat nun mal ihren Preis. Die Billiglösungen funktionieren nicht. Die Behörde scheitert damit. Dann müssen wir mit Nachdruck Nachqualifizierungen organisieren.

Dagmar: Aber auch für ausgebildetes Personal sind die Rahmenbedingungen so schlecht, dass zum Beispiel viele Referendar:innen abspringen, dass viele Erzeiher:innen und Assistenzkräfte sich schon nach kurzer Zeit einen neuen Arbeitgeber suchen. Wir setzen uns immer wieder dafür ein, dass die Rahmenbedingungen nicht noch schlechter werden.

Jörn: Dem Personalrat Schulen ist es wichtig, dass alle, die in Schule arbeiten, dafür auch qualifiziert sind. Bei den Seiteneinstiegsprogrammen verhandeln wir entsprechend, sodass für alle die Chance besteht, den vollen Status zu erlangen und die Arbeit gut machen zu können. Aber versprochene Nachqualifizierungen wurden dann oft nicht angeboten.

Was muss passieren, damit der Arbeitgeber SKB wieder attraktiver und damit die Beschäftigten wieder zufriedener werden?

Petra: Der Arbeits- und Gesundheitsschutz muss gestärkt werden. Wenn ich als Beschäftigte weiß, dass ich gute Arbeitsbedingungen habe, gehe ich da gerne hin. Aber im Moment überlegen viele Kolleginnen und Kollegen sogar auszusteigen, weil die Situation so schlecht ist. Es braucht insgesamt mehr Personal, es braucht Supervision, es braucht Begleitung.

Jörn: Die Arbeit muss in der Regelarbeitszeit gut erledigt werden können. Das führt zur Zufriedenheit und zur Selbstwirksamkeitswahrnehmung. Dafür kämpfen wir und setzen uns deshalb sehr für die Arbeitszeiterfassung ein.

Dagmar: Es erreichen uns sehr viele Gefährdungsanzeigen. Was deutlich wird, ist die mangelnde Ausstattung an den Schulen. Zum Beispiel braucht es für die Inklusion Funktionsräume, es braucht Ruheräume für Beschäftigte im Ganztag für eine tatsächliche Auszeit. Eine gute Ausstattung ist nötig, damit Kinder adäquat beschult werden können.

Gefährdungsanzeigen sind Hilferufe der Schulbeschäftigten. Der Umgang der Bildungsbehörde damit wird kritisiert. Ist das besser geworden?

Dagmar: Das kann man eindeutig verneinen. Wir haben Richtlinien mit der Behörde vereinbart, und die Behörde ignoriert sie. Aber wir haben jetzt einen neuen Termin, um da nachzuhaken, damit das Verfahren eingehalten wird.

Wenn sich die Situation nicht verbessert, was ist dann der nächste Schritt des Personalrats?

Dagmar: Wir telefonieren viel mit den Kolleg:innen, nehmen mit den Schulleitungen Kontakt auf, wenn es sein muss, auch mit der Schulaufsicht, damit es Verbesserungen gibt. In Teilen sind wir da auch erfolgreich …

… das ist gut. Aber der Personalrat übernimmt Aufgaben, die eigentlich die Behörde übernehmen müsste?

Jörn: Genau. Eigentlich sollten wir nur den Überblick behalten und nicht dafür sorgen müssen, dass jeder Einzelfall auch behandelt wird.

Petra: Wir haken nach, weil die Beschäftigten wirklich leiden.

Die vierjährige Amtszeit geht im März zu Ende. Welche Verbesserungen habt ihr erreicht, was bleibt noch zu tun?

Denise: An jeder Schule war nicht klar, wie mit Teilzeit umgegangen wird. In der Beratung sagen wir den Kolleg:innen ganz klar, dass man einen Anspruch darauf hat. Nicht nur, dass die Unterrichtsverpflichtung anteilig reduziert wird, sondern auch die Kooperationsstunden, Präsenzzeiten oder die Anwesenheitspflicht bei Konferenzen. Wir haben das Gefühl, dass viele mit den Informationen von uns ihre Rechte durchsetzen konnten.

Petra: Auch bei den Konferenzrechten sind wir vorangekommen. Wir waren in vielen Schulen und haben über die GEW Seminare dazu angeboten. Die Beschäftigten wissen jetzt besser, dass sie über die Gesamtkonferenzen wirkliche Einflussmöglichkeiten haben. Und das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist auf neuen Füßen - weg von den Schulleitungen, hin zu neutralen BEM-Beauftragten.  

Paul: Wir haben erreicht, dass Erzieher:innen mit mobilen Endgeräten ausgestattet wurden. An einigen Schulen hakt es noch, aber durch unsere Abfrage und den Druck auf die Senatorin haben wir es geschafft, dass die Geräte zur Verfügung gestellt wurden.

Dagmar: Die Gefährdungsbeurteilung „Psychische Belastung“ ist gestartet. Das war ein langer, zäher Prozess, aber es sind Maßnahmen entstanden, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen. Wir bleiben da dran, und nach und nach wird es sie an allen Schulen geben. Ein weiterer Erfolg sind die Notfallordner. Die gibt es jetzt in den Schulen. Enthalten ist jetzt endlich das Thema Cybermobbing gegen Beschäftigte.

Jörn: Beim Thema Distanzunterricht haben wir keine Dienstvereinbarung vereinbart, aber das Recht durchgesetzt, dass Distanzunterricht nicht nach Belieben angeordnet werden kann.

Petra: Es gibt noch zu viele Kolleg:innen, die sich nicht trauen, zuzugeben, dass sie überlastet sind. Das ist ein Aufruf, sich bei Überlastungen bei uns zu melden, sich zusammenzuschließen, sich zu organisieren. Es gibt leider eine Vereinzelung, ein Einzelkämpfertum. Dadurch können Schulleitungen ihren Striemel weiterfahren.

Inwieweit ist das Thema „Persönliche Assistenzen“ zufriedenstellend geregelt?

Petra: Das ist gar nicht geregelt. Es ist oft so, dass die Assistenzen fehlen, die Kolleg:innen sind dann alleine mit den Kindern.

Dagmar: Genau. Das ist ein dicker Brocken. Immer öfter gibt es Gewalt gegen Beschäftigte. Viele Kinder können aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen die Situation nicht aushalten. Sie spucken, treten, kratzen. Das ist Alltag. Uns ist es wichtig, dass es gut ausgebildete Assistenzen sind. Aber die Behörde hat gerade die Tendenz, Leute mit weniger Qualifikation einzusetzen. Aber da sind wir in der Mitbestimmung und versuchen das zu verhindern.

Mit welchen drei Adjektiven wäre die Arbeit als Schulpersonalrät:in am besten beschrieben?

Petra: Empathisch, kämpferisch, parteiisch.

Paul: Beharrlich, streitbar, leidenschaftlich.

Jörn: Kompetent, wahrnehmbar, konsequent.

Denise: Erfahren, konfliktbereit, lösungsorientiert. 

Dagmar: Ausdauernd, unbequem.

Was ist euer Ziel für den 6. März?

Petra: Wieder größte Fraktion zu werden, das ist ja klar.

Jörn: Möglichst viel Unterstützung für unsere kompetente Arbeit und für die vielen Projekte, die wir angehen müssen.

Denise: Ein Ziel ist eine starke Arbeitnehmer:innen-Vertretung im Personalrat, weil jetzt immer mehr Professionen in den Schulen sind. Und die sind in der Regel angestellt Beschäftigte.