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Internationale Gewerkschaften

Umdenken ist gewollt, aber schwierig

Lehrkräfte-Gewerkschaft aus Nord- und Ostsyrien zu Gast

Yekîtiya Mamosteyên (YM), die Lehrkräfte-Gewerkschaft des autonomen Nord- und Ostsyrien, ist seit November 2022 Mitglied der Bildungsinternationale. Spätestens seit diesem Zeitpunkt intensivierten sich die offiziellen Kontakte zur GEW. Im Februar 2023 waren Nesrin Reshk, Co-Vorsitzende der Lehrkräftegewerkschaft, und Dilber Youssef, Co-Vorsitzende des Bildungsrats der autonomen Selbstverwaltung (AANES), eingeladen von der GEW, auf Delegationsreise bei der Jahrestagung Internationales zu Gast.

Kontakte seit 2015

Die solidarische Zusammenarbeit ehrenamtlich aktiver GEW-Mitglieder aus verschiedenen GEW-Landesverbänden mit für Bildung Verantwortlichen in Regionen Nord- und Ostsyriens besteht seit 2015. Nachdem sie sich in einer überregionalen Koordinierungsgruppe zusammenschlossen und auf den bundesweiten Jahrestagungen Internationales über ihre Arbeit berichteten, konnten sie weitere Interessierte für diese wichtige Solidaritätsarbeit gewinnen. Bei den von der Koordinierungsgruppe organisierten Onlinetagungen findet ein fruchtbarer Austausch über Bildungsthemen wie Mehrsprachigkeit und Kooperationsmöglichkeiten statt.

Bemerkenswertes Bildungsprogramm

Bildung und Erziehung sind von großer Bedeutung, wenn Ungleichheit und Gewalt künftig in der Gesellschaft und Politik vermieden werden sollen. Der Austausch im Mai behandelte Fragen nach den veränderten Erziehungszielen und -methoden bezüglich Gewaltfreiheit. Es wurden die nötigen Veränderungen der Lehrinhalte erklärt in der Ausrichtung auf eine geschlechtergerechte, demokratische und ökologische gesellschaftliche Entwicklung, beides im Vergleich zur Schule des syrischen Regimes.

Die wichtigsten Grundlagen

1. Bildung ist Menschenrecht. Sie ist offen für alle.

2. Menschen sind unterschiedlich in ihrem Äußeren, bezüglich Fähigkeiten, sozialer Situation, ethnischem und religiösem Hintergrund. Ungleichbehandlung, Vernachlässigung, Rassismus oder Polarisierung darf es nicht geben, sondern gleiche Möglichkeiten und Förderung aller.

3. Entscheidungen werden mit allen gemeinsam getroffen.

4. Erziehung ist an ethischen, an Menschen- und Kinderrechten orientiert.

5. Keine körperliche und psychische Gewalt, denn Gewalt zerstört die Psyche und verhindert die Entfaltung freier Menschen.

6. Alle Kulturen, Geschlechter und die Natur respektieren und fördern.

7. Dogmatisches Denken verhindern: nicht Auswendiglernen, sondern Verstehen, eigenes Recherchieren und Denken fördern.

8. Demokratisches Denken fördern, gemeinsame Entscheidungsfindung von Lernenden, Lehrkräften, Eltern, Verwaltung auf allen Ebenen und in allen Bereichen.

9. Möglichkeiten, Rechte einzufordern und Beschwerden vorzubringen.

10. Gemeinschaftliches und kommunales Denken, Handeln, Leben fördern, Bildung für die Gesellschaft und das Leben in ihr.

11. Einbeziehen der Eltern/Familien, Bildung ist Teil der Gesellschaft.

12. Die psychischen Belastungen der Kinder berücksichtigen in Spiel, Theater und Kunst, statt wie vorher nur Bildung „ohne Seele“.

Veränderte Erziehungsziele

Mit diesen veränderten Erziehungszielen, Erziehungsmethoden und Lehrinhalten mussten zuerst einmal die Lehrkräfte, dann auch die Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern vertraut gemacht werden. Anfangs waren noch alle Lehrkräfte im syrischen System ausgebildet und hatten es selbst erfahren, Eltern und Kinder waren aufgewachsen mit gewaltsamer Disziplinierung, mit Auswendiglernen, Dogmatismus und Nationalismus. Das Umdenken ist gewollt, aber schwierig. Mit Gründung von Akademien gibt es jetzt durchgehend verpflichtende Lehrgänge und Weiterbildungen für Lehrkräfte. Bei Meldung von Verstößen gegen das Gewaltverbot leitet die autonome Verwaltung Kon-trollen ein, mit Gesprächen und notfalls weiteren Maßnahmen