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„Die Situation ist dramatisch und wirkt sich dramatisch aus“

GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe besuchte Bremerhaven und Bremen

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe auf ihrer bundesweiten Tour 'GEW in Bildung unterwegs' zu Gast in Bremen (Foto: Anne-Katrin Wehrmann)

Im Rahmen ihrer Sommerreise hat die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe auch Halt in Bremerhaven und Bremen gemacht. Sie besuchte drei Schulen und stellte einmal mehr fest: Der Fachkräftemangel hat inzwischen dramatische Ausmaße angenommen.

Elf von 90 Stunden

Los geht die Tour an der Marktschule in Bremerhaven. Die offene Ganztagsschule liegt im Stadtteil Lehe, der nach der Werftenkrise immer noch vom Strukturwandel in der Stadt gezeichnet ist und als sozialer Brennpunkt mit hoher Migrations- und Arbeitslosenquote gilt. Mithilfe eines innovativen Konzepts gelingt es dem Kollegium jedoch, dem schwierigen Umfeld zu trotzen und den Schülerinnen und Schülern ausgezeichneten Unterricht anzubieten.

Die Führungen übernehmen hier keine Lehrkräfte, sondern eigens dafür geschulte Kinder. Heute sind Celia und Tetsuro an der Reihe. „Darf ich dich fragen, wie alt du bist? Du darfst mich das dann auch fragen“, wendet sich Tepe an Tetsuro. „Ich bin acht Jahre alt“, antwortet der Junge mit japanischen Wurzeln höflich. Stille. „Möchtest du jetzt auch wissen, wie alt ich bin? Oder interessiert dich das eigentlich nicht?“ hakt Tepe nach. „Ich glaube, das interessiert mich nicht“, meint Tetsuro und bringt damit die GEW-Chefin zum Lachen. Schulleiterin Ute Mittrowann hat viele Gründe, zufrieden mit ihrem Job zu sein. Und doch schlägt auch sie sich mit einer Sorge herum: der zu geringen Personalausstattung. „Im Grundschulbereich haben wir einen Bedarf von ungefähr 400 Stunden“, berichtet sie. „Davon fehlt uns faktisch ein Viertel, und da sind krankheitsbedingte Fehlzeiten noch nicht einmal eingerechnet.“ Noch schlimmer sieht es beim sonderpädagogischen Bedarf aus. Hier können von den erforderlichen 90 Stunden derzeit nur elf Stunden geleistet werden.

„Bund muss mehr machen“

Bremerhavens Schuldezernent Michael Frost macht deutlich, dass aus kommunaler Sicht der Bund stärker in die Verantwortung für die Bildungspolitik gehen und steuernde Funktionen übernehmen müsse – sowohl was die finanzielle Ausstattung als auch die Qualifikation von Fachkräften angehe. „Der Bund muss dazu beitragen, dass der Konkurrenzkampf der Länder um Personal aufhört“, sagt Frost. Er zeigt sich mit Marlis Tepe darin einig, dass die Steuerung der Universitäten durch die Landesregierung nicht mehr funktioniere. Das sei mitverantwortlich für den herrschenden Fachkräftemangel. „Es besteht ein Widerspruch zwischen der Freiheit der Wissenschaft und den Bedarfen der Gesellschaft“, betont er und verweist darauf, dass es an der Universität Bremen für die Sekundarstufe keinen Studiengang mit einem Schwerpunkt für inklusive Pädagogik gebe.

Ressourcen reichen nicht

Ob bei den anschließenden Besuchen der beiden Bremer Oberschulen an der Helgolander Straße und am Barkhof oder bei der Sitzung des Landesvorstands der GEW Bremen, es sind immer wieder dieselben Themen, die den Lehrkräften sowie Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern unter den Nägeln brennen: Die finanziellen und personellen Ressourcen zur gelungenen Umsetzung von Inklusion und Integration sowie für gute Bildung insgesamt reichen vorne und hinten nicht aus. Marlis Tepe: „Die Situation ist dramatisch und wirkt sich dramatisch aus.“ Drei der Kernforderungen, die sie an diesem Tag mehrfach zu hören bekommt – und die sie persönlich und die GEW ausdrücklich unterstützen: A 13 für alle Lehrkräfte, Anerkennung von Qualifikationen geflüchteter und eingewanderter Fachkräfte sowie Einführung von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) als reguläres Schulfach.