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Schwerpunkt

Mit Willy Brandt begann das politische Denken

Peter Reckemeyer ist Schulleiter an den Kaufmännischen Lehranstalten in Bremerhaven

Peter Reckemeyer ist Schulleiter in Bremerhaven
Peter Reckemeyer | Foto: Susanne Carstensen

Warum ich Mitglied in der GEW bin hat verschiedene Gründe. Sicherlich gehört dazu, dass ich aus einem Arbeiterhaushalt stamme. Mein Vater war gelernter Schmied, meine Mutter Friseurin. Mein politisches Denken begann in der Zeit, als Willy Brandt zum Kanzler wurde. Mein Vater war damals aktiv in der SPD. SPD und Gewerkschaften, das war (früher…) sehr dicht beieinander. Mein Studium in der 70ern an der Universität Bremen (Wirtschaft/Englisch) war projekt- und fachübergreifend organisiert, viele Fragestellungen wurden aus Arbeitnehmer:innensicht diskutiert. Ich bin zwar nie in die SPD eingetreten, aber als Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert zu sein, ist für mich alternativlos. Und als Lehrer kam natürlich nur die GEW in Frage.

Austritt keine Alternative

Als Berufsanfänger zu Beginn der 80er Jahre war es natürlich angenehm, in einer aktiven Betriebsgruppe an der Schule das Gefühl zu bekommen, dass sich um bestimmte Dinge gekümmert wurde, das heißt, dass über die Betriebsgruppe der Dialog mit der (eher konservativen) Schulleitung im Sinne der Beschäftigten geführt wurde. Die Hierarchien waren damals deutlich anders als heute. Heute bin ich selbst Schulleiter und freue mich über den direkten Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen. Über die Jahre gab es, auch durch politische Grabenkämpfe innerhalb der Betriebsgruppe, ein Auf und Ab, sodass ich in der 90ern zwischendurch sogar über meinen Austritt nachgedacht habe. Aber mein Vater hat schon immer das Motto ausgegeben, dass der einzige Austritt aus der Gewerkschaft das eigene Ableben ist – so deutlich möchte ich das nicht formulieren, aber für aktiv Berufstätige sehe ich das genauso.

Seit fast 20 Jahren bin ich nach und nach in Leitungsfunktionen hineingewachsen. Dadurch hat sich die Institution der Gewerkschaft für mich noch einmal in eine andere, größere Wichtigkeit verschoben. Seit 2013 bin ich Schulleiter und nehme regelmäßiger als früher an den Mitgliederversammlungen teil, weil ich den Austausch wichtig finde und mich bemühe, auch die Positionen von Schulleitung zu bestimmten Themen einbringen zu können. Personen in Leitungsfunktionen gehören auch zu denen, deren Rechte durch die Gewerkschaft zu vertreten sind. Insgesamt nehme ich jedoch positiv ein größeres Miteinander aller in Schule Beschäftigten über die verschiedenen Hierarchien und Berufsgruppen wahr, was sicherlich auch ein Verdienst des jeweiligen Vorstands im Stadtverband ist.

Wichtige Kooperationen

Als Schulleiter schätze ich das Engagement der GEW-Mitglieder im Personalrat Schule und im Gesamtpersonalrat sehr, weil es mir die Möglichkeit gibt, den aktiven Austausch über uns alle betreffenden Dinge zu pflegen und meine Sichtweise einzubringen. Andererseits versuche ich in behördlichen Gremien, die gewerkschaftliche, arbeitnehmerorientierte Argumentation abzubilden. Eine starke Interessensvertretung hat weiterhin Bedeutung. Kritisch sehe ich manchmal die gewerkschaftliche Vertretung von Einzelinteressen, die zu einer Belastung von anderen führen kann. Auch über einige Eckpunkte bei den Kriterien für die Einstellung von nicht originär als Lehrer:innen ausgebildeten Menschen würde ich mir mehr personalisierte und weniger formalisierte Vorgehensweisen von Seiten der gewerkschaftlichen Vertreter:innen im Personalrat wünschen.

Bedeutende Interessenvertretung

Vielleicht könnten sich heute in Zeiten des Fachkräftemangels junge Kolleg:innen die Frage stellen, warum es überhaupt eine gewerkschaftliche Interessenvertretung braucht, wo viele Bewerber:innen mit Mangelfächern bundesweit günstige Konditionen und Arbeitsbedingungen zur Auswahl haben. Dem kann ich nur entgegnen, dass diese Momentaufnahme nichts über die Zukunft aussagt. Und eine starke Interessenvertretung, die über die Tarifbeschäftigten hinaus, auch über Arbeitsbedingungen und Einkommensangleichungen der Beamt:innen kämpft, hat nichts an Bedeutung verloren. 