„Wir werden Sie so lange hospitieren, bis Sie Unterricht machen, der den Schülern Spaß und Freude macht.“ Das waren die abschließenden Worte eines Bremer Schulleiters in einem dienstlichen Gespräch mit einem Kollegen. Anlass des Gespräches war die schlechte Notengebung in einem naturwissenschaftlichen Fach der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe einer Bremer Gesamtschule.
Dass in den letzten Jahren die Lern- und Leistungsbereitschaft von Schülerinnen und Schülern besonders in der gymnasialen Oberstufe nachgelassen hat, ist mittlerweile mehrheitlicher Konsens unter Pädagogen. Dass aber Kolleginnen und Kollegen gedrängt, wenn nicht gar genötigt werden, ihre Benotungspraxis dieser Entwicklung anzupassen, ist relativ neu.
Nur die Noten zählen
Genau so muss die oben stehende Drohung aufgefasst werden. Der Schulleiter im beschriebenen Fall hat sich nicht die geringste Mühe gemacht, die Qualität des erteilten Unterrichts in irgendeiner Weise zu untersuchen, geschweige denn überhaupt dafür Interesse zu zeigen. Für ihn zählte nur das Ergebnis in Form der Benotung.
Die Fachinhalte in der gymnasialen Oberstufe sind durch Lehrpläne und die Bildungsstandards der KMK genau geregelt. Seit Jahren wird das Pensum, dass es bis zum Zentralabitur zu bewältigen gilt, nicht mehr ordentlich erfüllt. Zusätzlich fehlen elementare Grundlagen aus der Primar- und Sekundarstufe I, die dort ebenfalls nicht mehr nachhaltig vermittelt werden können, weil die Zeit fehlt, die Arbeitsbelastung stark zugenommen hat, die Unterrichtsmittel nicht ausreichen und zunehmend der Umgang mit schwierigen Kindern kostbare Unterrichtszeit fordert, weil die Umsetzung der Inklusion mit unzureichenden Ressourcen vorangetrieben werden soll.
Die Rolle des Lehrers hat sich vom Wissensvermittler hin zum Sozialpädagogen und Lernberater entwickelt. Die Inhalte der Lehrpläne sind von dieser Entwicklung weitgehend unberührt geblieben. Vor diesem Hintergrund gilt aber immer noch, dass die Noten Ausdruck der von den Schülerinnen und Schülern erbrachten Leistungen abbilden sollen.
Schülerleistungen schön zu rechnen nutzt vielleicht dem Ruf der Schule, nicht aber Schülerinnen und Schülern, deren rudimentäres Wissen letztlich dazu führt, dass sie den angestrebten Abschluss nicht schaffen, ein begonnenes Studium frühzeitig beenden müssen oder eine Lehrstelle nicht bekommen, weil sie beim Eignungstest des Ausbildungsbetriebes durchfallen.
Disziplinierungsversuch
Man erkennt schnell, dass das oben beschriebene, dienstliche Gespräch zweierlei Ziele verfolgt. Einerseits soll in einer Situation, in der die Schulen einer gnadenlosen Konkurrenz um Anwahlzahlen untereinander ausgesetzt sind, über die Notenpraxis der Ruf der Schule verbessert werden, andererseits werden Kolleginnen und Kollegen, die nicht bereit sind dieser Strömung zu folgen, diszipliniert.
Häufig werden derartige dienstliche Gespräche im Schulleiterzimmer ohne Zeugen unter vier Augen geführt. Auch werden diese Gespräche nicht immer mit dem nötigen Respekt geführt. Eine wie im Beispiel vom Schulleiter aufgebaute Drohkulisse kann zu einer enormen psychischen Belastung führen und auf Dauer krank machen. Ein solches unkollegiales und unprofessionelles Vorgehen von Schulleitungen muss sich niemand gefallen lassen!