Zum Inhalt springen

Lehrer:innenbildung

Eine ziemlich vertrackte Situation

GEW-Fachtagung zur Zukunft der Lehrkräfteausbildung

Die Ausbildung von Lehrkräften und die Versorgung von Schulen mit ihnen sind erneut Gegenstand öffentlicher Debatten. Die Auseinandersetzungen zeigen, dass die Vielschichtigkeit dieses Sachverhaltes präzise zu betrachten ist. Ausgangspunkt soll die wiederholt in Medien vertretene These sein, dass die Ausbildung der Lehrkräfte selber eine Ursache für den Fachkräftemangel darstelle. Um diese Aussage zu stützen, werden einige Indizien vorgelegt:

  1. Eine zu hohe Quote des Abbruchs von Studium oder Referendariat wegen psychischen Stresses („Druck statt Hilfe“).
  2. Die fehlende Vorbereitung auf die praktische Arbeit (Stellenwert der Fachlichkeit).
  3. Deren mangelnde Verknüpfung mit der theoretischen Grundlegung (Qualität von Fachdidaktik und Bildungswissenschaften).

Hinsichtlich der Ursachen für diese Mängel schwanken die dazu veröffentlichten Praxisberichte zwischen „menschlichem Versagen“ (bis hin zur Niedertracht der Ausbilder*innen) und einem Ausbildungssystem, das sich durch strukturelle Starre auszeichne. Die Forderung nach einer erneuten Reform der Lehrkräfteausbildung stellt dann einen naheliegenden Schritt dar.

Hierarchie in Schule und Seminaren

Öffnen wir nun die Schultüren, so stoßen wir dort auf eine ziemlich vertrackte Situation, welche die Problematik von einer anderen Seite zeigt: Die Schulen im Bundesland Bremen sind weit davon entfernt, einer 110-prozentigen Versorgung mit Lehrkräften auch nur annähernd nahezukommen. Dies ist aber das angestrebte Ziel, welches im Koalitionsvertrag der amtierenden Landesregierung geschrieben steht. Aus gewerkschaftlicher Sicht sind gerade deshalb Fragen aufzuwerfen: Lässt die Personallage tatsächlich nichts anderes zu, als dass immer wieder Referendar*innen in den Schulen „Löcher stopfen“ müssen? (Bedarfsdeckender statt Ausbildungsunterricht, zusätzliche Unterrichtsstunden als „Nebentätigkeit“, Vertretungen …) Natürlich spürt der Lehrkräftenachwuchs die Hierarchie in Schule und Seminaren in diesen Zusammenhängen und scheut sich durchaus, so hören wir, Rechte und demokratisch legitimierte Gremien (wie die Personalräte) in Anspruch zu nehmen.

Maßgeblich eingefasst werden diese Aspekte durch einige strukturelle Entscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen. Da ist zunächst die Anlage der Ausbildung, orientiert am sog. Bologna-Prozess. Mehr und mehr drängt sich die Einschätzung auf, dass dadurch ein „roter Faden“ der Fach-, Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften erst gar nicht gesponnen werden kann. Ein zweites gravierendes Problem lässt sich ausmachen mit dem seit Jahrzehnten zu beobachtenden Zyklus von Mangel und Überschuss bei den Lehrkräften. Wann gelingt es, diese künstliche „Wellenbewegung“ endlich zu durchbrechen?

Nicht hinterfragte Prognosen

Auf einer Fachtagung der GEW in Berlin zur Zukunft der Lehrkräfteausbildung wurden aus sehr unterschiedlichen Positionen Analysen vertieft und Lösungsvorschläge eingebracht. Die Auseinandersetzungen gewannen an Brisanz durch eine neue Bertelsmann-Veröffentlichung. Ihr Tenor, dass der Lehrkräftemangel an Grundschulen „bald überwunden“ sei, zeigt auf, wie gerne unhinterfragt Schlagzeilen aufgesogen und Gutachten nicht im Detail gelesen werden. Mindestens kritisch zu hinterfragen wären die Verlässlichkeit von Prognosen zu Grundschulkindern bis 2035, die heute noch gar nicht geboren wurden, und das Aussparen von Bedarfen für qualitative Entwicklungen in der Primarstufe, von Klassengrößen bis zu verbindlichen Ganztagsangeboten.

Der Bremische Gewerkschaftstag hat dagegen ein Papier mit neun Thesen zur Lehrkräftebildung verabschiedet. Diese ergeben einen Bewertungsrahmen, mit dem ausgewählte Spannungsfelder dieser Thematik unter Bezug auf die Berliner Konferenz in der nächsten Ausgabe dieses Magazins betrachtet werden sollen.