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Hochschule

Der Herbst wird heiß: Tarifrunde 2023!

Das neue Semester-Info ist da! Auch für Hochschulbeschäftigte und studentische Mitarbeiter:innen in Bremen stehen die Zeichen auf Streik!

Mitarbeiter*innen der Universität merken es meistens zu Beginn eines Jahres. Es gibt ein bisschen mehr Gehalt als im Vorjahr. Zumindest brutto,das Nettogehalt hängt ja zudem auch noch von der Entwicklung der Steuern, der Frei- und Sozialversicherungsbeiträge ab, die vom Gesetzgeber oder von den Krankenkassen festgelegt werden. In der laufenden Tarif- und Besoldungsrunde geht es ums Bruttogehalt aller Landesbeschäftigten und dessen jährliche Steigerung ist kein Automatismus– auch nicht in Zeiten von teilweise zweistelliger Inflationsrate.
Wie in jeder Branche wird das Gehalt ausgehandelt – zwischen den Arbeitgebern und der kollektivierten Vertretung der Arbeitnehmenden – den Gewerkschaften. Die Universität gehört zum öffentlichen Dienst, die Bundesländer sind die Arbeitgeber, vertretende Gewerkschaften sind die DGB-Mitgliedsgewerkschaften GEW und ver.di, sowie die Verbände des Beamtenbundes. Neben den Bundesländern gibt es noch andere öffentliche Arbeitgeber, wie den Bund und die Kommunen.
Die tarifvertragliche Zweiteilung des Öffentlichen Dienstes
Seit der Überführung des öffentlichen Dienstes vom gemeinsamen Bundesangestelltentarif (BAT) in zwei getrennte Tarifverträge Anfang des Jahrtausends werden die Tarife der Bundes- und Kommunalbeschäftigen (TVÖD) unabhängig von denen der Landesbeschäftigen (TV-L) verhandelt – und zwar im zweijährigen Wechsel. 
In der öffentlichen Wahrnehmung erkämpfen sich die Beschäftigten des öffentlichen Diensts jedes Jahr einige Prozente Tariferhöhung, in Wirklichkeit ist es nur die Hälfte, da in geraden Jahren die Gehälter der Bundes- und Kommunalbeschäftigten und in ungeraden Jahren die der Landesbeschäftigten ausgehandelt werden. 
Zudem sind die Landesbediensteten im vergangenen Jahrzehnt auch schlechter im Verhandeln gewesen. 
Der Grund liegt auf der Hand. Ein Streik der städtischen Kita, Verkehrsbetriebe oder Müllabfuhr hat viel offensichtlichere Auswirkungen als ein Streik von Uni- oder Behördenbediensteten. Zudem überwiegen im öffentlichen Dienst auf Landesebene auch die Beamt*innen (oftmals Professor*innen und Lehrer*innen), die mit ihrem Gelöbnis auf den Staat ihr Streikrecht verwirkt haben (zumindest ist das die aktuelle Auffassung des Gesetzgebers). Das Ergebnis ist, dass die Landesbeschäftigten 2023 ohne Gehaltserhöhung im Durchschnitt einige Prozente weniger verdienen als die Bediensteten in den Gemeinden oder des Bundes. Ein Uni-Wimi mit TVL13 auf Stufe 3 verdient aktuell 4748 Euro, ein Wimi an einem Bundesfinanzierten Forschungsinstitut dagegen 4911 Euro zuzüglich 220 Euro Inflationsausgleich.
Unsere Forderungen
Die Gewerkschaften des öffentlichen Diensts fordern in dieser Tarifrunde eine Erhöhung von 10,5% und mindestens 500 Euro. Desweiteren fordert die GEW wirksame Maßnahmen zur Eindämmung befristeter Beschäftigung, insbesondere im Wissenschaftsbereich. Eine Forderung ist, befristet Beschäftigten einen Befristungszuschlag zu zahlen, um es für die Arbeitgeber attraktiver zu machen, Menschen unbefristete Stellen zu geben. 
Im Rahmen der Eingruppierung besteht eine weitere Ungerechtigkeit, die die GEW thematisieren will: die Anerkennung von Berufserfahrung bei Neueinstellungen. So werden z.B. promovierte Wissenschaftler*innen oftmals in der Einstiegsstufe 1 eingestellt, obwohl sie schon jahrelang Arbeitserfahrung gesammelt haben. In der Diskussion ist ebenfalls die Legitimierung von Zulagen. In Hessen, das als einziges Bundesland nicht beim TVL mitmacht, gibt es seit Jahren ein kostenlosen ÖPNV-Landesticket. Berlin hat vor ein paar Jahren die nicht ganz TVL-konforme Hauptstadtzulage eingeführt (entweder ein zu versteuernder Fixbetrag oder ein steuerfreies ÖPNV Ticket). Sowohl die Diskussion um die Nicht-Einführung des Deutschlandtickets als Jobticketangebot im öffentlichen Dienst Bremens wie auch die unverständliche Gehaltsdifferenz von städtischen und Landesbeschäftigten teilweise in der gleichen Einrichtung in Stadtstaaten zeigen, dass tarifliche Zuschüsse sinnvoll sein können.
In dieser Tarifrunde steht daher auch eine „Stadtstaatenzulage“ in Höhe von 300 Euro (bei Vollzeit) im Forderungskatalog. 
Streiken ist Dein Recht!
Wie können sich Kolleginnen und Kollegen nun in der Tarif- und Besoldungsrunde beteiligen? Und sollte man sich überhaupt beteiligen? 
Alle Beschäftigten können in ihrer Arbeitszeit an Personalversammlungen teilnehmen. Aktionen und Kundgebungen können auch von Angestellten außerhalb der Kernarbeitszeiten beigewohnt werden. Wimis und Lektor*innen mit flexiblen Arbeitszeiten haben keine Probleme mit der Teilnahme an Aktionen. 
Wenn die Gewerkschaften zu einem Streik aufrufen, darf jeder und jede Beschäftigte an diesem teilnehmen – die Uni kann natürlich für den Streiktag das Gehalt streichen. Gewerkschaftsmitglieder erhalten als Ersatz Streikgeld. Und natürlich kann man auch im Rahmen eines Streiktages der GEW beitreten und vom Streikgeld profitieren. Eine Teilnahme an Streikaktionen entscheidet den Ausgang der Verhandlungen. 
Beim Streik gilt leider: nicht das gute Argument zählt sondern die Anzahl der Menschen, die bereit sind auf die Straße zu gehen!

Link zum Semester-Info [hier]

TV-Stud beim Streik 2021 - Foto: Inge Kleemann

Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte - TVStud! Jetzt oder Nie!

Dies kann das Semester, die Tarifrunde werden, in dem wir gemeinsam einen Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte (Hilfskräfte und Tutor*innen) durchsetzen. Dank unermüdlicher Arbeit in Hörsälen und Büros deutscher Hochschulen, dank vieler Proteste und Gespräche auf verschiedenen Ebenen und dank guter Öffentlichkeitsarbeit kann sich aktuell niemand mehr davor verschließen, dass Studentische Beschäftigte bessere Arbeitsbedingungen 
brauchen. So spricht sich mittlerweile einer Mehrheit der Landesregierungen für Verbesserungen von studentischen Arbeitsbedingungen aus. Auf so viel Verständnis ist bisher noch keine studentische Generation gestoßen. Dieses Verständnis haben wir auch objektiv dadurch gewonnen, dass wir gemeinsam Anfang des Jahres mit dem IAW in Bremen die Studie ‚Jung, akademisch, prekär‘ veröffentlicht haben.
Es ist nötig!
Auch uns Student*innen zeigt die Studie nochmal, wie nötig es ist, im eignen Interesse diese gewerkschaftlichen Kämpfe zu führen. Nach offiziellen Zahlen leben etwa 30% der Student*innen in Armut. Wenn die Studierendenbefragung herangezogen wird, sind es sogar 75%. Vielmehr leben 30% unter dem sozio-ökonomischen Existenzminimum von 771€ pro Monat und ein wachsender Anteil von aktuell 10% muss mit weniger als 400€ auskommen.
Zwei von drei Student*innen arbeiten neben dem Studium, davon wiederum 39% als Hilfskräfte an Hochschulen oder Forschungseinrichtungen, also im öffentlichen Dienst. Wenn wir hier auf gute Bedingungen treffen würden, wäre das vielleicht ein Ausgleich für das schlechte BAföG. 
Doch sind wir nicht nur explizit vom Tarifvertrag der Länder (TV-L) ausgeschlossen, sondern die Missachtung grundlegender Arbeitsrechte gehört fast zum Standard.
So hat die Studie des IAW gezeigt, dass wir in Bremen auf die durchschnittlichen acht Stunde, für die wir bezahlt werden, pro Woche noch eine Stunde unbezahlt mehr arbeiten. Nur knapp die Hälfte der SHKs in Bremen sagen, dass sie ihren Urlaub in Anspruch nehmen. Fast 20% wissen, dass sie es nicht tun. In gleicher Weise arbeiten fast die Hälfte mindestens manchmal ihre Krankheitstage nach und 18% immer.
Diese Missstände, die in den anderen Bundesländern traurigerweise häufig noch schlimmer sind, sind nicht nur ein Problem von schlechter Informationspolitik. Vielmehr werden wir standardmäßig aus den Mitbestimmungsmechanismen ausgeschlossen, die sich in Deutschland etabliert haben, und nur selten als echte Arbeitnehmer*innen eingeordnet.
Das ist nötig!
Um dieser prekären Situation zu entkommen fordern wir mit dem TVStud nicht nur einen Stundenlohn von 16,50€, sondern auch eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten und Lohnsteigerungen mit laufender Erfahrung im Beruf.Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Studentische Beschäftigte nicht als kurzfristige Praktikant*innen betrachtet werden. Die Studie hat gezeigt, dass das Einkommen die Hauptmotivation für Studentische Beschäftigte ist. Dieses kann nur sichergestellt werden, wenn mit steigendem Lohn die bezahlten Arbeitsstunden nicht reduziert werden. Deswegen fordern wir begleitend dazu eine Mindeststundenanzahl, die nur auf Antrag der Student*innen, nicht der Hochschulen reduziert werden kann. Daneben fordern wir eine Angleichung an den TV-L, was Sonderzahlungen, Zuschläge und Urlaubstage (30 statt 20 Tage!) angeht.  
Es liegt an uns!
Doch damit wir das auch bekommen, damit die größte Tariflücke im öffentlichen Dienst geschlossen wird und wir einen wichtigen Schritt Richtung Bildungsgerechtigkeit gehen, müssen wir uns selbst in den nächsten Wochen ordentlich bewegen.

  • Sprich dazu mit allen Studentischen Beschäftigten, die du kennst!
  • Lade alle in die Telegram-Gruppe ein, sodass wir ein vertrauensvolles Netzwerk aufbauen!
  • Sei bei Protestaktionen dabei und streike, wenn unseren Gewerkschaften uns dazu aufrufen!

Wir haben zum Semesterstart wieder eine schlagkräftige TVStud-Gruppe in Bremen aufgebaut, mit der wir in den kommenden Wochen öfter auf dem Campus zu sehen sind und Aktionen planen. Schließe dich uns an!
Lasst uns darüber hinaus ein Bündnis aus Student*innen, Studentischen Beschäftigten, Promovend*innen, wissenschaftlichem Mittelbau und allen anderen Hochschulbeschäftigten schmieden, um am Hochschulaktionstag, dem 20. November, Aktionen zu organisieren, die auch in Bremen unsere Wut über unsere prekären Lern-, Arbeits- und Lebenssituationen zeigen.

Link zum Semester-Info [hier]