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Schulsozialarbeit

Bildungs- und Teilhabechancen müssen sich verbessern

Schulsozialarbeit: Eine kritische Bilanz nach zwei Jahren Rahmenkonzept

Im Dezember 2021 wurde das Rahmenkonzept Schulsozialarbeit zur Sozialen Arbeit an Bremer Schulen veröffentlicht. Es bildet die Grundlage zur fachlichen Verankerung und Professionalisierung der Schulsozialarbeit in Bremen. Das Konzept entstand in Kooperation von Bildungsbehörde und Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit Bremen e.V. (LAG), unterstützt vom Landesinstitut für Schule (LIS) und durch Fachkräfte aus der Schulsozialarbeit. Bei einem Regionaltreffen der Schulsozialarbeit reagierten die anwesenden Fachkräfte jedoch ernüchtert auf die konkreten Veränderungen. Insbesondere das Ausbleiben der Schaffung angekündigter Stellen zur Fachaufsicht und Fachbegleitung wurde mit Enttäuschung aufgenommen: „Lippenbekenntnis” und „das Rahmenkonzept wurde gefeiert ohne Ende, aber wir kriegen keinen Support” waren Kommentare.

Zusammenfassend lassen sich die aktuellen Herausforderungen der Schulsozialarbeit in Bremen wie folgt analysieren:   

* Rascher Personalaufbau, fehlende Personalentwicklung: Durch die Neueinstellungen befindet sich die Schulsozialarbeit in einem ständigen Prozess der Erweiterung und Veränderung. Die neuen Kolleg:innen sind oft Berufseinsteiger:innen, die sich in einem neuen Arbeitsfeld zurechtfinden müssen. Häufig befindet sich nur eine Person an der Schule, die in der Sozialen Arbeit tätig ist. Erfahrungsbasierte Einarbeitungen und kollegiale Beratung durch Kolleg:innen sind kaum möglich.

* Fehlendes Netzwerk, fehlende Fachberatung: Schnell und einfach zugängliche Hilfe im Rahmen regionaler Netzwerkstrukturen sind für die Fachkräfte der Sozialen Arbeit an Schulen kaum vorhanden. Sie hängen vom Engagement einzelner Kolleg:innen ab, die neben ihrer alltäglichen Arbeit in ihren Schulen Sitzungen organisieren, Kooperationspartner:innen einladen etc.   

* Fehlende Einbindung der Schulsozialarbeit in die Schulentwicklung: Die Schulen sind auf dem Weg zum multiprofessionellen Arbeiten noch am Anfang und personell in allen Bereichen unterausgestattet. Die Kolleg:innen aus der Schulsozialarbeit stehen immer wieder vor der Situation, die Prinzipien ihrer Arbeit und ihr Aufgabenportfolio gegenüber Lehr- und Leitungskräften zu erklären und sich dafür einsetzen zu müssen, dass ihre Arbeit konzeptionell aufgenommen und im schulischen Alltag durch das Team unterstützt wird.  Der Rückgriff auf Schulsozialarbeiter:innen für die Aufrechterhaltung des schulischen Regelbetriebs kann durch den Lehrkräftemangel schnell zum Normalzustand werden. 

Qualifikation absichern  

Die aktuelle personelle Ausstattung mit Schulsozialarbeiter:innen ist an den einzelnen Schulformen in Bremen unterschiedlich (siehe Foto). Schulsozialarbeiter:innen sind in der Regel dem ZUP-Team zugeordnet (Ausnahme bilden die beruflichen Schulen). Die Fachaufsicht für die Schulsozialarbeit liegt bei der senatorischen Behörde für Kinder und Bildung und soll laut Koalitionsvertrag personell verstärkt werden. Eine gesicherte strukturelle Verankerung von Fortbildungen explizit für Schulsozialarbeit im Landesinstitut für Schule gibt es zurzeit nicht. Sozialarbeiter:innen an Schulen verfügen über ein generalistisches Studium der Sozialen Arbeit oder der Sozialpädagogik und bringen damit eine grundlegende Qualifikation, jedoch keine spezifische Zusatzqualifikation für ihre Tätigkeit mit. Um die Schulsozialarbeit fachlich weiter zu etablieren, sowie den steigenden Anforderungen im schulischen Umfeld professionell gerecht zu werden, sind ein Aufbau und eine Absicherung der fachlichen Qualifikationen der Schulsozialarbeiter:innen notwendig.  

Gestaltungsräume schaffen

Das professionelle sozialarbeiterische Handeln steht in einem Spannungsverhältnis zu den Bewertungslogiken und der Beziehungsgestaltung der Institution Schule: er basiert u.a. auf Freiwilligkeit und der Stärkung von autonomen Entscheidungen. Um fachlich kompetent handeln zu können, brauchen die Schulsozialarbeiter:innen nicht nur ein fundiertes Wissen zum Schulsystem und zur Bildungs- und Präventionsarbeit, sondern zudem Kenntnisse u.a. zum sozialen Hilfesystem in dem Stadtteil und darin verorten Akteur:innen der Kinder- und Jugendhilfe sowie projektbezogenen Kooperationsmöglichkeiten. Damit Schulsozialarbeiter:innen ihre Kompetenzen wirkungsvoll in das System Schule einbringen können, müssen sie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen, ihren Erziehungsberechtigten und dem sozialen Umfeld aufbauen können. Sozialarbeiter:innen benötigen hierfür andere zeitliche und soziale Gestaltungsräume als Lehrkräfte, wodurch auch für die Schüler:innen die wichtige personelle Unterscheidung der Professionen erst möglich wird.  Dies gehört zu einer der zentralen Gelingensbedingungen Sozialer Arbeit an Schulen. Die Bundesländer spielen bei der Ausstattung und Ausgestaltung die entscheidende Rolle, da sie die rechtlichen Rahmenbedingungen und finanziellen Ressourcen festlegen. Im bundesweiten Vergleich fällt auf, dass es in Bremen bisher kaum rechtliche Regelungen für die Schulsozialarbeit gibt.  

Weiterbildungen und Netzwerke aufbauen

Auf Veranstaltungen wie dem “Fachtag Schulsozialarbeit” wurde von den Schulsozialarbeiter:innen die Hoffnung formuliert, dass das Rahmenkonzept zu einer Stärkung und Etablierung der Sozialen Arbeit an Schulen führen kann und für die Fachkräfte vor Ort konkrete Unterstützungsangebote bietet. Dieses ist bisher trotz des Personalaufwuchs nur in Ansätzen gelungen. Schulsozialarbeit kann perspektivisch aber nur dann zu mehr Teilhabegerechtigkeit führen und eine inklusivere Schule unterstützen, wenn ihre originären fachlichen Anliegen und Qualifikationen anerkannt und tatsächlich konzeptionell in ein multiprofessionelles Schulteam eingebunden werden. Verbleibt Schulsozialarbeit als eine Entlastungsressource für den Unterricht und ein – im günstigen Fall – Zusatzangebot für Schüler:innen am Rande der Schule, kann sie ihre Zielsetzungen nicht erreichen. Für die im Rahmenkonzept formulierte Weiterentwicklung der professionellen Schulsozialarbeit in Bremen braucht es attraktive Stellenangebote für Schulsozialarbeiter:innen, aber zugleich auch den Aufbau wie die Absicherung von kontinuierlichen Fort- und Weiterbildungsangeboten und durch das Schulsystem abgesicherte professionelle und interprofessionelle Netzwerke und Foren. Qualifikation und Qualität darf auch in der Schulsozialarbeit kein Hobby mehr sein. Auch hieran muss sich die aktuelle und zukünftige Bremer Schulpolitik messen lassen, wenn sie ihre Zielsetzungen für eine Verbesserung der Bildungs- und Teilhabechancen ernst nimmt.