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Arbeitszeiterfassung

Arbeitszeiterfassung dient dem Gesundheitsschutz

Die Frage ist nicht ob, sondern wie der Arbeitsgerichtsbeschluss umgesetzt wird

Spätestens seit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 steht fest: die Arbeitszeit von allen Arbeitnehmer*innen ist zu erfassen. Die Arbeitgeberseite ist verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu messen. Mit diesem Beschluss des BAG wurde das entsprechende Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Mai 2019 auch für Deutschland verbindlich, auch ohne ein entsprechendes Bundesgesetz. In Artikel 17 dieser EU-Arbeitszeitrichtlinie werden Abweichungen bei der Umsetzung beschrieben. Diese seien möglich bei Tätigkeiten, die aufgrund ihrer besonderen Merkmale nicht gemessen bzw. im Voraus festgelegt werden könnten. Benannt werden hier u.a. leitende Angestellte oder sonstige Personen mit selbständiger Entscheidungsbefugnis. Darauf bezugnehmend forderte die Kultusministerkonferenz (KMK), dass Lehrkräfte von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen werden sollen.

Für alle Beschäftigten in Schulen

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erteilte dieser Anfrage im August eine klare Absage; für Lehrkräfte käme Artikel 17 nicht zur Anwendung. Das BMAS schrieb ferner, dass der europäische Arbeitnehmerbegriff auch Beamt*innen einschließt und das Arbeitsschutzgesetz Anwendung findet. Und nur weil der konkrete Umfang der Arbeitszeit nicht in jedem Fall im Voraus feststeht, steht einer nachträglichen Dokumentation am Ende des Arbeitstages nichts entgegen. Mit dieser Maßgabe des BMAS ist klar, die Arbeitszeiterfassung gilt für alle Beschäftigten in Schulen. Die Frage ist also nicht, ob die Arbeitszeiterfassung kommt, sondern wie sie umgesetzt werden wird. Arbeitszeiterfassung ist Teil der Anwendung des Arbeitsschutzgesetzes und dient damit dem Gesundheitsschutz.

Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung

In verschiedenen Arbeitsgruppen auf Landes- und auf Bundesebene hat sich die GEW intensiv mit dem Thema Arbeitszeiterfassung beschäftigt. Dabei wurde klar, die Verhandlungen zur Arbeitszeiterfassung müssen getrennt von einer Diskussion um andere Arbeitszeitmodelle geführt werden. Die Personal- bzw. Betriebsräte sind hier in der Mitbestimmung. Folgende Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung wurden definiert:

  1. Die vom Arbeitgeber zu verantwortende Erfassung der geleisteten Arbeitszeit muss datensparsam erfolgen – es wird nur erfasst, was gesetzlich erforderlich ist: Anfang, Ende und Pausen. Die Beschäftigten sowie die zur Vertraulichkeit verpflichteten Personalvertretungen haben jederzeit Zugriff auf die gespeicherten Daten.
  2. Die Erfassung sollte zeitnah durch die Beschäftigten mit einem einfach zu handhabenden, manipulationssicheren elektronischen System erfolgen. Sie ist dadurch unabhängig von Zeit und Ort der Erbringung der Arbeitszeit und schränkt Lehrkräfte nicht in ihrer pädagogischen Freiheit ein.
  3.  Arbeitszeiterfassung ist kein Instrument der Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Maßnahmen zur Durchsetzung von Arbeitsschutznormen sind gemeinsam mit den Personalräten zu entwickeln und müssen die Arbeits- und Lebensrealität der Lehrkräfte berücksichtigen.
  4. Um die Handlungsbedarfe aufgrund zeitlicher Überlastung zu identifizieren, kann es sinnvoll sein, Daten in einem aggregierbaren Format zu erfassen und zu speichern. Weitergehende Informationen, z.B. über ein Cluster der Tätigkeiten, dürfen nur in anonymisierter Form aggregiert und verarbeitet werden. Dann aber können sie wertvolle Informationen zur Weiterentwicklung der Schulentwicklung und der Personalbedarfsplanung liefern.
  5. Zur Steuerung ihrer eigenen Arbeit kann es für Lehrkräfte zudem sinnvoll sein, verschiedene Tätigkeitscluster differenziert zu erfassen. Diese Informationen dürfen dann aber nur der einzelnen Lehrkraft zur Verfügung stehen, nicht den Dienstvorgesetzten.

Formen der Entlastung verhandeln

Verschiedene Arbeitszeitstudien, die für Lehrkräfte durchgeführt worden sind, belegen schon seit 2015, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit für Lehrkräfte viel zu hoch ist. Diese übersteigt regelmäßig die gesetzlich festgelegte maximale Arbeitszeit von 48 Stunden in der Woche und ist in den vergangenen Jahren noch einmal gestiegen. Ganz klar ist, die Arbeitszeiten sind strukturell viel zu hoch. Allein um diese Mehrarbeit auszugleichen müssten laut Rackles rund 30.000 Lehrkräfte eingestellt werden. Nicht unterrichtende pädagogische Beschäftigte im Land Bremen berichten ebenfalls, dass die Zeiten, die sie mit Vor- und Nachbereitung sowie Kooperation und Gesprächen verbringen, nicht mit den zur Verfügung stehenden Stunden abgedeckt werden kann. Wenn die Arbeitszeiterfassung diese Mehrarbeit aller Beschäftigten endlich sichtbar macht, gilt es die richtigen Konsequenzen in Form von Entlastung zu verhandeln.