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Bremerhaven

Wem hilft die Diskussion um ein weiteres Gymnasium in Bremerhaven?

In den vergangenen Tagen hat die CDU mit einer Forderung nach einem weiteren Gymnasium den Koalitionsvertrag mit der SPD in Frage gestellt. Heute legt die FDP nach: Das Lloyd-Gymnasium platze aus allen Nähten, da sind sich beide Parteien einig. Die GEW hält dagegen: Mit einer unsinnigen Strukturdebatte beteiligen sich beide Parteien daran, von den tatsächlichen Problemen abzulenken!

Bremerhaven – Kennt man sich in den Schulen tatsächlich aus, so weiß man, dass folgende Probleme im Mittelpunkt stehen:

  • die Grundausstattung der Schulen ist schlechter als der Bundesdurchschnitt (S-L-Relation: Land Bremen: 15,3, Bundesdurchschnitt: 14,7, Hamburg: 14,1, Berlin: 13,7 (siehe KMK vom Dezember 2015); dies gilt auch für die Ausstattung im Ganztag (aktueller Vergleich Studie)
  • die Integration zugewanderter Kinder und Jugendlichen stellt die Schulen vor große Herausforderungen, nicht nur bzgl. der Sprachförderung, sondern auch hinsichtlich der Einbeziehung in die Stadtgesellschaft;
  • wesentliche Bereiche der Inklusion sind nicht umgesetzt; es fehlt massiv an Förderung, da Sonderpädagog*innen zunehmend den Regelbetrieb aufrecht erhalten; ein Konzept, um der Armut als Exklusionsfaktor zu begegnen, gibt es nicht;
  • der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungs(miss-)erfolg wirkt ungemindert weiter mit allen Konsequenzen für die Chancenlosigkeit ganzer Bevölkerungsgruppen.

Keines dieser Probleme wird durch ein zweites Gymnasium auch nur angegangen: vielmehr wird versucht, durch ein emotional nachhaltig besetztes Thema Stimmung zu machen. Bevor diese Stimmung weiter angeheizt wird, sollten alle Beteiligten bedenken, dass

  • auf Elternwunsch Gymnasialplätze von Kindern besetzt werden, die nicht die so hoch gehaltenen Leistungsvoraussetzungen erfüllen (Leistungen über dem Regelstandard in Deutsch und Mathematik),
  • ein Blick über den Zaun über die „Spätfolgen“ einer gymnasialen Ausweitung aufklärt: In Hamburg wählen mehr als 55 % der Menschen das Gymnasium an, die Stadtteilschulen erhalten „den Rest“, die soziale Spaltung wird gestärkt.

Nur: Wenn man die soziale Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreiben will, soll man dies auch sagen und keine vorgeschobenen Schulstrukturdebatte führen. Wenn man etwas Gutes für die Gymnasien tun will, sollte man sich dort – wie an allen Schulen – den Lern- und Arbeitsbedingungen widmen.

Die GEW unterstreicht ihre Forderungen nach materieller Ausstattung aller Schulen, mit der sie die Aufgaben auch erfüllen können. Um ausgestattet zu werden wie in Berlin, benötigte Bremerhaven ca. 150 zusätzliche Stellen. Wir fordern endlich ein Personalentwicklungskonzept, das den Namen verdient. Die personellen Engpässe sind eklatant!

Wir fordern von den politischen Parteien umgehend Initiativen, die die Situation verbessern. Mit der Strukturdebatte wird erneut versucht, von den eigentlichen Problemen abzulenken. Das hilft keiner Schule!