Fünf Tage, 108 Anträge, 100 Änderungsanträge, 432 Delegierte, Vorstandswahlen. Der diesjährige Gewerkschafstag der GEW hatte es in sich. Als Schritt in die Neuzeit gilt die Einführung elektronischer Wahlen: die Anwesenden schwankten zwischen der Vermutung, es handele sich um Teufelswerkzeug und der Ansicht, dass der vorherige Gewerkschafstag damit bereits hätte bereichert werden müssen. Die Bremer*innen (immerhin drei Prozent der Gesamtmasse, hälftig aus beiden Städten besetzt) sahen sich einer schier nicht enden wollenden Debatte ausgesetzt. Dabei war der Begrüßungsabend am Folgetag noch nicht verdaut: die glorreiche Unterbrechung durch Studierende der Rede des heimischen Ministerpräsidenten haftete dem Redner so an, dass es ihm nicht mehr gelang, die geneigten Zuhörer*innen davon zu überzeugen, dass vor allem die Eltern durch ihre Motzerei dem Bildungsbereich am schwersten zusetzten.
Irritiert ob dieser Ansichten schwor sich die Bremer Delegation auf die bevorstehenden Formalitäten und Redebeiträge ein, insbesondere aber auf die inhaltlichen Beratungen zu zwei unterschiedlichen Anträgen zum Thema Inklusion. Voller Hoffnung, es käme zu einer angemessenen Auseinandersetzung zu diesem für Bremen richtungsweisenden Antrag, trat Ernüchterung ein – alleine die Wahlvorgänge benötigen zwei volle Tage. Einige der Entsandten wünschten sich den Zauberer vom ersten Abend zurück auf das Podium, um dem Verlauf den notwendigen Witz noch zu verpassen. Besondere Spannung boten die Wahlen dennoch, da es bei der Besetzung für den Bereich Schule zu einer Kampfabstimmung kam, die Ilka Hoffmann mit nur einer Stimme Vorsprung im zweiten Durchgang für sich entscheiden konnte.
Balsam für die Bremer Seele war der Vortrag von Fred von Leeuwen, der mehr als deutlich machte, dass Lehrkräfte ein Recht auf die Entscheidung haben, Lehrpläne und Lehrmaterialien in Frage stellen zu dürfen, wenn diese die Ungerechtigkeit fördern: sogenannte Bildungsmaterialien, die aus der Tabak- oder Kohlebranche finanziert werden und gesundheitsbewusstes Leben propagieren verzerren die Realität! Dieses Plädoyer für die Zurückeroberung und Kontrolle des eigenen Berufes reihte sich in die Zufriedenheit der kleinen Bremer Delegation mit den Forderungen anderer Kanditaten*innen ein: Arbeit darf nicht arm machen und keine Bildung ist teurer als Bildung!
Trotz mannigfaltiger Anlässe, sich dem Sitzungsgeschehen zu entziehen, zeichnete sich die Bremische Abordnung durch eine hohe Teilnahmefrequenz aus, durch das von anderen Landesverbänden neidisch beäugte Zusammenraufen am Abend und zwischen den Tagesordnungspunkten sowie durch die teambildende Haltung: kein Genosse, keine Genossin geht allein – auch nicht zum Kaffeeausschank. Fürsorge wurde zu Recht großgeschrieben und Ausfallerscheinungen (bedingt durch Genuss von Kamikaze-Getränken und fahrigen Wortgefechten) wurden erfolgreich kompensiert.