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Zweisprachigkeit ist das Konzept

Von Bremen nach Györ: Die Erfahrungen einer Auslandlehrkraft in Ungarn

Ich bin seit einem Jahr in Ungarn an der Audi Hungaria Schule in Györ, die sich seit diesem Schuljahr Audi Hungaria Bildungszentrum nennt, als Auslandslehrkraft (ADLK) angestellt. Wir arbeiten mit fünf deutschen Lehrkräften an der Grundschule. Die Schule nennt sich nun Bildungszentrum, da ein beruflicher Bildungsgang hinzugekommen ist, ähnlich wie bei uns die Handelsschule.

Die Schule verfügt weiterhin über einen Kindergarten, Grundschule, Sek. I und Sek. II Bereich. In der Sek. I und Sek. II sind weitaus mehr deutsche Kolleginnen und Kollegen beschäftigt. Es ist möglich alle Abschlüsse zu machen.

Unterricht

Der Unterricht findet nach deutschen Standards statt und er richtet sich nach den Bildungsplänen von Baden- Württemberg. Dementsprechend nimmt die Schule auch an den allgemeinen deutschen Testverfahren teil. Es wird versucht, unterschiedliche Unterrichtsmethoden zu integrieren, offene Lernprozesse und Projektarbeit, Forschendes und Entdeckendes Lernen, mit mehr Materialeinsatz, sind noch nicht überall verankert. Vielfach steht die Präsentation in Form von Plakaten im Vordergrund. Schülerinnen und Schüler nehmen sehr häufig an Wettbewerben im Bereich Sprache teil. Gerade fand ein Landeswettbewerb „Kunterbunt“ in der Schule statt. Hier gab es ein großes Angebot an Aufgaben, die die Sprachkompetenz der Kinder herausfordert. Das Besondere dieser Schule ist die Zweisprachigkeit. Die Schülerinnen und Schüler werden in ihrer Muttersprache, sowie in der deutschen Sprache ausgebildet. Die Hauptfächer werden zum größten Teil für alle Kinder auf Deutsch unterrichtet. Gefördert wird die Schule von der Audi Hungaria Schule-Stiftung, eine öffentliche Träger – und Betreiberstiftung und vom ungarischen Staat. Die Stiftung unterstützt den Betrieb, hat ein großes Mitspracherecht außer in den pädagogischen Belangen. Die Klassenfrequenzen sind sehr unterschiedlich. Im Kindergarten, sowie in der Grundschule haben die Gruppen 25 bis 28 Kinder. Die Gruppengröße entspricht nicht den Anforderungen und dem Anspruch der Schule, Kinder zweisprachig auszubilden. Ebenso sind die Räume zu klein, um einen stark handlungsorientierten Unterricht zu organisieren und durchzuführen. Sie entsprechen aber dem ungarischen Standard. Es ist kaum ein Sitzkreis möglich. Sonst steht die Ausstattung der Schule zum Beispiel mit digitalen Mitteln auf einem hohen Niveau. In der Sek. I und Sek. II sind 10 – 15 Kinder in einer Klasse, manchmal weniger. Hier wäre von der räumlichen Situation her vieles möglich. Die Schule ist zweizügig und hat insgesamt ca. 530 Schülerinnen und Schüler. Der Kindergarten und die Grundschule haben einen Ganztagesbetrieb. Von 7.00 – 7.30 Uhr gibt es eine Frühbetreuung und von 16.00 – 17.30 Uhr eine Spätbetreuung für Berufstätige. Kernzeit ist 7.50 – 16 Uhr. In der Grundschule finden in den Nachmittagsstunden hauptsächlich AGs und Lernzeitstunden statt. Mit guter Begründung können sich die Kinder teilweise vom Nachmittagsangebot befreien lassen. Das wird viel von deutschen Eltern genutzt. In der Sek. I und Sek. II wird das Thema Demokratie und Mitbestimmung für die Schüler groß geschrieben.

Lehrkräfte und Stimmungen

Es gibt allerdings keine Interessenvertretung der ungarischen Lehrkräfte dieser Schule, obwohl sie sich durchaus in verschiedenen Lehrergewerkschaften organisieren können. Die meisten Verträge der Kolleginnen und Kollegen sind unbefristet. Sie brauchen zu Beginn ihrer Tätigkeit keine Probezeit zu absolvieren und Kündigungen können nur bei schweren Vergehen ausgesprochen werden. Dennoch wirken die Kolleginnen zum Teil etwas ängstlich  und es  ist schwierig eine vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen. Man begegnet sich freundlich, aber mit Vorsicht und möglicherweise manchmal auch mit Vorbehalten. Über Politik wird, wenn, dann eher hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Fragen, die uns gestellt werden, sind oft hauptsächlich die zur Situation der Geflüchteten in Deutschland. Da kursieren die abenteuerlichsten Vorstellungen und Gerüchte über angebliche „Kriminalität“ und „Fehlverhalten“ von Geflüchteten.

Meine persönlichen Erfahrungen im Auslandschuldienst und an dieser Schule sind positiv. Ich möchte sie, trotz einiger Unwegsamkeiten, nicht missen. Es gibt mehr Entlastungsstunden für Teamarbeit und zusätzliche Aufgaben. Ich erfahre viel Wertschätzung meiner Arbeit aus dem Team und von der Schulleitung. Ich bin froh diesen Schritt gewagt zu haben. Es fordert mich neu heraus und das bringt mich in meiner Entwicklung sicherlich ein Stück weiter.