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Gesundheit

Zurück in die Zukunft

Die Altersteilzeit für Tarifbeschäftigte der Länder muss wieder eingeführt werden

Ingo Lenz, Praxislehrkraft aus Bremen
Ingo Lenz | Fachpraxislehrkraft

Ich müsste noch 3,5 Jahre in der Schule arbeiten. Mit über 66 Jahren, nicht wirklich vorstellbar. Die stressigen Situationen mit den Jugendlichen nehmen zu. Die Empathie für deren Lebenswelten aufzubringen, fällt zunehmend schwerer. Lärm wird immer unangenehmer. Die Renitenz einiger Schüler:innen stellen Barrieren dar, deren Überwindung immer mehr Kraft erfordert. Erfahrungen und Souveränität im pädagogischen Handeln helfen natürlich, stoßen aber an Grenzen. Die Belastungsgrenze sinkt eindeutig. Gefühl der Erschöpfung, keine Energie mehr – krank. Klar, viele auch Jüngere befinden sich in diesem „Hamsterrad“. Andere wiederum kommen mit ihrer Lehrsituation auch im fortgeschrittenen Alter gut klar. Trotz aller differenzierenden Betrachtungen, die als Belastung empfundener Faktoren nehmen mit zunehmendem Alter zu. Darauf weist auch der Gesundheitsbericht des bremischen öffentlichen Dienstes hin. Dort wird festgestellt, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten mit dem Alter tendenziell zunehmen, besonders die Dauer attestierter Erkrankungen. Nahezu ein Drittel aller Lehrkräfte sollen wegen psychischen und psychosomatischen Störungen oder Folgeerkrankungen vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden.

Keine altersgerechten Arbeitsplätze

3,5 Jahre noch. Was tun? Augen zu und durch. Wie hoch ist der Preis? Welche Möglichkeiten gibt es aus belastenden Arbeitssituationen auszusteigen. Ein präventives Angebot für altersgerechte Arbeitsplätze ist nicht erkennbar. Die betriebliche Sozialberatung kann genutzt werden. Vielleicht verhilft das Gespräch dort zu entlastenden Einsichten. Oder einfach aufhören? Finanziell nicht machbar.

Aber bis vor zwölf Jahren gab es eine Möglichkeit, den Ausstieg praktikabel vorzuziehen: Die Altersteilzeit. Für Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes der Länder wurde 1998, auf der Grundlage des Alterteilzeitgesetzes (AltTZG), ein Tarifvertrag abgeschlossen. Dieses Gesetz und auch die tariflichen Vereinbarungen sollten einen gleitenden Übergang in die Rente ermöglichen und gleichzeitig jüngeren Arbeitssuchenden einen Arbeitsplatz bieten. Kernpunkte in dem AltTZG und den bezugnehmenden tariflichen Vereinbarungen ist die Möglichkeit zur Halbierung der Arbeitszeit in einer dreijährigen Phase vor dem Rentenbeginn. Dieses entweder in einem Blockmodell, 1,5 Jahre Arbeiten und nachfolgend 1,5 Jahre Freistellung, oder als Teilzeitmodell.

Unterschiedliche Rechte

Vorteilhaft waren die mindestens 20-Prozent-Zulagen auf das Einkommen und der auf 80 Prozent aufgestockte Beitrag zur Rentenversicherung. In dem Tarifvertrag-Altersteilzeit wurden sogar 83 Prozent des Nettoverdienstes während der Altersteilzeitphase gewährt. Während heute verbeamtete und bei Kommunen angestellte Kolleginnen und Kollegen auf beamtenrechtliche oder TVÖD-Regelungen Bezug nehmen können, wird den Tarifbeschäftigten der Länder diese Möglichkeit seit 2010 verwehrt.

Seitdem hat sich die Verhandlungsführung der Tarifgemeinschaft der Länder geweigert, Verhandlungen über tarifvertragliche Regelungen zur Altersteilzeit zu führen. Hat die Blockadehaltung der Arbeitgeberseite weiter Bestand, gäbe es die Alternative einer Betriebsvereinbarung, die auf der Grundlage des AltTZG vereinbart werden kann. Allerdings konnten in Dienststellen TVL-Beschäftigte sehr wohl eine Altersteilzeitvereinbarung auf Grundlage des AltTZG treffen. Dort, wo es darum ging, Personal abzubauen oder durch billigeres zu ersetzen.

Das wäre doch mal Fürsorge

Natürlich geht es zu allererst darum, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Jedoch ist es im Hinblick auf die länger werdende Lebensarbeitszeit bei gleichzeitig ansteigenden Belastungsfaktoren an der Zeit, die Altersteilzeit wieder als Ausstiegschance aus krankmachenden Stressoren anzubieten, bevor sich Krankheit manifestiert. Das wäre doch mal Fürsorge.