Zum Inhalt springen

Schwerpunkt

„Wir müssen über die Stundendeputate reden“

Grünen-Politiker Christopher Hupe über den fehlenden Mut der Bildungsbehörde und den langen Weg zur eigenen Vision

Foto: Grüne

Ihre Zukunftsvision in Sachen Bildung auf gruene-bremen.de lautet: Schüler:innen lernen gemeinsam in modernen, sanierten Schulen, in denen sie ihre Talente entfalten und ihre Potenziale erreichen können, unabhängig von den Gegebenheiten im Stadtteil, Elternhaus oder der Brieftasche. Wie weit ist Bremen von dieser Vision entfernt?

Wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns. Das ist eine Vision, der man immer nachstreben muss. Sie ist Ziel unserer Politik. Man braucht eine Vision, um zu wissen, wo es im Alltagsgeschäft hingehen soll. Da wir jetzt 2,5 Milliarden Euro für den Klimaschutz bereitstellen, ist - was die Schulgebäude angeht - in den nächsten Jahren schon mal viel möglich. Dann müssen wir schauen, den Fachkräftemangel entschieden anzugehen, um diese Vision möglich zu machen.

Was würden Sie als Erstes tun, um diesem Ziel näher zu kommen?

Das Allerwichtigste im Moment ist, Lehrkräfte zu entlasten und ausreichend qualifiziertes Personal in die Schulen zu bringen, damit wir die Ideen, die wir im Bereich Bildung haben, voranbringen. Wenn wir auf die Schüler:innen schauen, dann muss die Sprachförderung zeitnah ausgeweitet werden, zumal die Mehrheit der Schüler:innen einen mehrsprachigen Hintergrund hat. Wir Grüne haben da am Anfang der Legislatur einen entsprechenden Antrag vorgelegt. Da ist das Ressort leider nur sehr langsam vorangekommen, und da erwarten wir in der nächsten Legislatur große Schritte.

In welchen Bereichen sind Sie mit der Bremer Bildungspolitik unzufrieden?

Es geht in vielen Bereichen zu langsam voran. Die Probleme sind offensichtlich. Mit dem Tempo, in dem Konzepte erstellt und umgesetzt werden, sind wir sehr unzufrieden. Das Institut für Qualitätsentwicklung wurde endlich ausgegründet, ist aber noch lange nicht so aufgestellt, dass es den Schulen und den Lehrkräften flächendeckend bei der Unterrichtsentwicklung gut unter die Arme greifen kann. Das müsste deutlich schneller gehen, zumal es den Bürgerschaftsbeschluss dazu schon in der Legislatur davor gegeben hat.

Wer bremst da?

Manchmal fehlte der Mut im Bildungsressort, da entschlossen zu agieren. Man hat lange ausdiskutiert, intern und extern, wie man das Institut aufstellen kann, statt entscheidende Weichen zu stellen. Klar, Vorhaben wurden auch durch die Pandemie verlangsamt, dennoch hätte ich mir an einigen Stellen mehr Tempo und Effektivität gewünscht.

Mit welchen drei Adjektiven würden Sie die Arbeit des Bildungsressorts beschreiben?

Das Ressort ist lernfähig, wenn man auf den Umgang mit der Pandemie und die Aufnahme der vielen geflüchteten Schüler:innen schaut. Es ist aber auch gehemmt, beispielsweise bei der Umsetzung vom IQHB, Sprachförderungskonzept oder dem Aktionsplan für gesunde Ernährung. Innovativ ist ein weiteres passendes Adjektiv, wenn man Bremens Vorreiterrolle bei der Digitalisierung betrachtet.

Die Schlagzeile auf der Titelseite unseres Magazins heißt „Welche Priorität bekommt die Bildung nach der Bürgerschaftswahl?“ Was meinen Sie?

In dieser Legislatur waren für uns Grüne die Themen Klima und Bildung die Bereiche, die die oberste Priorität hatten. Das gilt für uns auch weiterhin. Und es gibt ja auch deutliche Verbindungen zwischen diesen beiden Themen. Der Bildungshaushalt ist in den letzten Jahren gesteigert worden, er hat mittlerweile ein Volumen von mehr als einer Milliarde Euro. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Bildung den anderen Stadtstaaten anzugleichen, bleibt weiter unser Ziel. Man muss schauen, ob das Geld überall zielgerichtet eingesetzt und vor allem auch abgerufen wird. Unser Ziel bleibt es, dass bei steigenden Schüler:innenzahlen auch die eingesetzten Mittel pro Schüler:in steigen.

Kita-Plätze fehlen, Schulpersonal fehlt. Der Fachkräftemangel gefährdet den Bildungserfolg von vielen Kindern und auch die Umsetzung der Ziele im Grünen-Wahlprogramm.

Die Koalition hat ja vor kurzem Maßnahmen wie die Seiteneinstiegsmöglichkeiten für Ein-Fach-Lehrkräfte oder die einfachere Anerkennung ausländischer Lehrkraftqualifikationen umgesetzt. Da müssen wir noch einen Schritt weitergehen. Wichtig ist der Ausbau von Studienplätzen oder die aktive Bewerbung des Lehramts. Das ist ja ein toller Beruf. Die Lehrkräfte müssen zudem unbedingt entlastet werden, denn denn die Herausforderungen an den Schulen sind hoch.

Wie kann und muss man entlasten?

In Zeiten des Fachkräftemangels ist die Umsetzung total schwierig, aber ich glaube trotzdem, dass wir über geringere Stundendeputate reden müssen. Ich kann mir zum Einstieg eine Entlastung an Schulen mit hohem Sozialindex vorstellen, eben für Schulen, die Schwierigkeiten haben, neue Kolleginnen und Kollegen zu finden.

Geringere Stundendeputate. Können Sie das quantifizieren?

Die Entlastung muss spürbar sein. Um keine großen Löcher zu reißen, muss man gut abwägen, aber man muss auch den Mut haben, über die Deputate zu reden.

Ein Beispiel für die massiven Probleme an Bremer Schulen ist die Tami-Oelfken-Schule. Was ist da schiefgelaufen?

Ich frage mich manchmal, wie gut eigentlich die Kommunikation zwischen Schulen, Schulaufsicht und Behörde funktioniert. Bei den Schulbesuchen, die ich mache, höre ich oft, dass man auf Nachfragen wochen- und monatelang keine Rückmeldung bekommt. Das darf so nicht sein.