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Bildung und Gesellschaft

Willst du Bremen oben sehn, musst du die Tabelle drehn

Was ich schon immer mal sagen wollte

Anders als Werder hat Bremen im schulischen Ländervergleich keine Chance, in näherer Zukunft irgendwohin aufzusteigen. Wir sind unten und bleiben, so wie es aussieht, auch in absehbarer Zeit dort. Eins vorweg: Ich habe eine Menge Kritik an diesen Vergleichen, dennoch ist Kennern der bremischen Bildungslandschaft klar, dass die Ergebnisse zumindest einen Teil der Realität widerspiegeln. Über Ursachen geben sie allerdings überhaupt keine Auskunft. Ex-Bildungssenatorin Claudia Bogedan hat vor Jahren in einer Deputationssitzung einmal gesagt, wenn große Anstrengungen unternommen werden, könne Bremen bis 2035 den Anschluss ans Mittelfeld schaffen - eine Aussage, die Empörung bei vielen Anwesenden ausgelöst hat. Ich selbst habe damals zwei Dinge gedacht. Erstens: Sie ist ganz schön mutig, das laut auszusprechen. Und zweitens: Das ist wirklich eine optimistische Vorstellung. Ich sehe offen gesagt bisher nichts Substanzielles, das die desolate Situation Bremens wirklich ändern könnte, eher im Gegenteil.

Erst die Pflicht, dann die Kür

Das Qualitätsinstitut (dazu ein andermal mehr) wird es nicht richten, sondern nur noch mehr Zeit und Geld verbrennen. Vergleichstests auch nicht - zumindest solange nicht einmal die Minimalvoraussetzungen für eine Verbesserung der Schulqualität geschaffen werden. Dazu gehören als allererstes ausreichend qualifizierte Fachkräfte, und zwar Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte, die genügend Zeit zur Verfügung haben, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Diejenigen, die jetzt im System sind, wurden in den letzten 20 Jahren mit immer mehr zusätzlichen Aufgaben überhäuft - in der Erwartung, dadurch werde alles besser.

Hektischer Stillstand

Ob die seit dem Pisa-Schock erfundenen Tätigkeiten und Vergleiche irgendeinen positiven Effekt hatten? Keiner weiß es. Aber wenn man sich ansieht, wo Bremen weiterhin steht, darf und sollte das durchaus angezweifelt werden. Ich sage also: weg damit und neu denken! Eine Freundin hat den Aktionismus der Behörde mal als „hektischen Stillstand“ bezeichnet. Ich finde das ziemlich treffend. Was ich nicht weiß, ist, ob diejenigen, die sich all das ausgedacht haben, selbst an eine Wirkung glauben – ich befürchte es allerdings schon. Außerdem kann die Behörde so behaupten, sie habe doch etwas getan. Und die Verantwortung wird schön den Kolleg:innen in den Schulen in die Schuhe geschoben. Das wird auch aus den Ansätzen zur Untersuchung der Bildungsqualität deutlich: Immer wird in den Schulen und im Unterricht gesucht – und wer schaut auf die personellen und materiellen Rahmenbedingungen? Davon lässt man lieber die Finger. Am Ende kommt noch etwas raus, das Geld kostet.

Bitte, lasst uns unsere Arbeit machen!

Vor Jahren kam mir an einem der Präsenztage am Ende der Sommerferien ein Kollege entgegen und rief flehend aus: Bitte gebt mir ein paar Schüler! Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass er viel lieber seiner eigentlichen Profession, der Arbeit mit Schüler:innen, nachgehen wollte, als sich noch ein ach so tolles Seminar über Projektmanagement reinziehen zu müssen. Lasst uns unsere pädagogische Arbeit machen. Dafür haben wir diesen Beruf gewählt. Und gebt uns endlich Entlastung für Kooperation, da wo sie dringend nötig ist - und wo eben nicht, sollte man auf entsprechende Pflichten verzichten. Und hat schon jemand mal was von Unterrichtsvorbereitung gehört? Die ist irgendwie zu einer von vielen Aufgaben verkommen. Vor zwanzig Jahren war die Unterrichtsverpflichtung bei viel weniger zusätzlichen Aufgaben genauso hoch wie heute. Ging die Behörde davon aus, dass wir noch Zeit übrighatten, die wir auf dem Tennisplatz, oder die unsportlichen von uns - so wie ich - mit Nasebohren verbracht haben? Wie wäre es also mit einer Fokussierung auf den Unterricht und auch auf so etwas Uncooles wie Fachlichkeit? Und zwar gerade in Bremen, wo fachfremder Unterricht schon fast die Regel ist.

Unmöglich, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden

Ich sehe das so: Bildungsbehörde und bremische Sparpolitik haben meinen Arbeitsplatz so „gestaltet“, dass es unmöglich ist, in Vollzeit zu arbeiten und gleichzeitig den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Es bleibt trotz zu viel Arbeit immer ein defizitäres Gefühl, das an der Zufriedenheit mit meiner Arbeit nagt. Mein Eindruck aus Gesprächen mit Kolleg:innen ist, dass es vielen anderen genauso geht. Die Erfindung immer neuer Aufgaben seitens der Behörde frisst Zeit auf und hält uns an den Schulen vom qualitativ hochwertigen Arbeiten ab. Man hat offensichtlich kein Vertrauen darin, dass wir selbst das größte Interesse an einem guten Bildungserfolg der uns anvertrauten Schüler:innen haben.

Erst kein Geld – jetzt kein Personal

Wenn die Verantwortlichen mit der Überlastung der Beschäftigten konfrontiert werden, wird schnell eine mitleidige aber bedauernde Miene aufgesetzt. Nach dem Motto: Wir würden ja gerne etwas tun, aber leider, leider fehlen die Fachkräfte. Das klingt dann immer so, als sei der Fachkräftemangel irgendwie vom Himmel gefallen und kein hausgemachtes Problem.

Jahrelang mussten wir uns anhören, es gäbe kein Geld für neue Stellen. Dann hieß es, Geld habe man ja, aber bedauerlicherweise fehlten die Fachkräfte. Ihr dürft einmal raten, was als nächstes kommt.

Mehr Qualität durch Dequalifizierung?

Der Fachkräftemangel wird immer schlimmer, und was tun Politik und Bildungsbehörde dagegen? So gut wie nichts. Es gibt zwar ein paar Maßnahmen, die reichen aber hinten und vorne nicht. Und Frau Aulepps wichtigster Lösungsansatz scheint zu sein, auch unqualifiziertes Personal in die Schulen und Kitas zu holen. Aber wie bitteschön passen solche Dequalifizierungstendenzen mit dem nach außen kommunizierten Qualitätsanspruch zusammen? Am Ende geht es den Verantwortlichen doch nur darum, den Betrieb gerade mal aufrecht zu erhalten und nicht selbst schlecht dazustehen. Und anstatt wenigstens für eine angemessene berufsbegleitende Qualifizierung zu sorgen, wird moralischer Druck auf die Interessenvertretungen ausgeübt, weil sie Forderungen nach einer deutlichen Ausweitung und Attraktivierung der Ausbildung und nach Qualifizierungsmaßnahmen stellen.

Jetzt eine Hand ausstrecken

Gegen das „Killerargument“, man könne derzeit für die Kolleg:innen nicht viel tun, weil qualifiziertes Personal nicht kurzfristig verfügbar ist, kann ich nur erwidern, dass sofort auf sinnfreie Aufgaben sowie auf Dokumentations- und Präsenzpflichten verzichtet werden kann. Ebenfalls sofort kann die Unterrichtsverpflichtung vertraglich abgesenkt werden, bei Pädagogischen Fachkräften die Zeit, die sie mit den Kindern arbeiten. Bis genügend Personal eingestellt ist, arbeiten alle mit der bisherigen Stundezahl weiter und die anfallenden Überstunden werden auf einem Guthabenkonto erfasst und zurückgegeben oder auf Wunsch der Beschäftigten auch angespart, um z. B. etwas früher in den Ruhestand zu gehen. Das wäre eine ausgestreckte Hand und die dringend überfällige Anerkennung für die enorme und gesellschaftsrelevante Arbeit, die in den Schulen geleistet wird. Vielleicht verlässt Bremen dann ja den letzten Tabellenplatz irgendwann – wer weiß?