Zeitlupe
Wie werden öffentliche Räume für alle nutzbar?
Wie zum Beispiel der Hillmannplatz in Bremen
Öffentlicher Raum ist ein kostbares Gut. So kostbar, dass die Konkurrenz um diesen Raum oft bizarre Züge und Bezugnahmen aufweist. Dann geht es nicht mehr um die praktische Nutzbarkeit von Flächen und die Erfüllung konkreter Bedürfnisse – sondern um einen identitär geladenen Kulturkampf. Bestes Beispiel: die Auseinandersetzungen um autoarme Innenstädte. Doch auch die Bahnhofsbereiche, die meist außerhalb der Innenstädte liegen und zu diesen einen urbanen Gegenpol markieren, sind Schauplatz von Kämpfen um öffentlichen Raum.
In Bremen hat sich die Nutzungskonkurrenz durch Verknappung gesteigert: Mit der Bebauung des Bahnhofsvorplatzes ist viel Raum verloren gegangen, der Konflikte zumindest entzerrt hatte. Die Enge der Restflächen, gepaart mit der Baumlosigkeit des ganzen Areals, trägt zur Erhitzung der gegenwärtigen Vertreibungsvorgänge bei. Die dritte Arena der Platzkonkurrenz ist derzeit der Hillmannplatz, mittig zwischen Spot 1 und Spot 2 gelegen. Bäume hat er, als einer der ganz wenigen Innenstadt-Plätze. Aber in deren Schatten ruht es sich nicht gut: Die Kriminalstatistik nennt für das vergangene Jahr 983 auf dem Platz begangene Straftaten. Insbesondere Körperverletzungen nahmen zu, ebenso Eigentumsdelikte. In diesem Zusammenhang wird vehement über die Drogenszene geklagt, die teils mit Obdachlosigkeit verbunden ist. Wie viele der unter Drogeneinfluss begangenen Straftaten auf das Konto alkokolisierter Junggesellenabschiede gehen, die gern am Bahnhof starten, wird allerdings nicht erfasst.
„Angsträume“ sicherer machen
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das Problem ist real, sehr real. Aber seit das Weinfest absagte und die Wurstbude schloss, wird das Thema Hillmannplatz auf eine Weise medial zelebriert, die uns Lösungen nicht unbedingt näher bringt. Im Rahmen der Platzbespielung durch die "Stad-Träume“ veranstalten die Heinrich Böll-Stiftung Bremen und der LieLa e.V. daher nun ein Programm mit Fragen: Wie können wir öffentliche Räume und Plätze für alle nutzbar machen? Wie können wir sogenannte „Angsträume“ in sichere Orte der Begegnung verwandeln? Input kommt u.a. aus Köln, vom Projekt „Unser Ebertplatz“. Seit 2018 bemüht es sich erfolgreich darum, den Platz zu vitalisieren und für Interessensausgleich zwischen allen Nutzenden zu sorgen. Konfliktthemen gibt es ja beispielsweise auch zwischen Urban Gardening-Aktivist:innen oder Kulturprojektleuten und Obdachlosen. So im „Rotkäppchens Garten“, so am Güterbahnhof, lange auch auf der Wilden Lucie in der Neustadt.
Natürlich können auch Formate wie das Weinfest eine bewusstseinserweiternde Wirkung haben. Besonders im Fall von Peter Gloystein, der sich 2005 auf dem Hillmannplatz zunächst schwerst daneben benahm: Als Wirtschaftssenator mit der Eröffnung des Weinfests betraut, goss er dem damals obdachlosen Udo Oelschläger von der Bühne herab Schampus auf den Kopf. Das kostete ihn zunächst seinen eigenen, politisch, und führte dann zu Erkenntnisprozessen: Oelschläger und Gloystein befreundeten sich, ausgehend von der gemeinsamen Analyse: „Jetzt sind wir beide beschissen dran.“ Gloystein verzichte auf Gehaltsauszahlungen und verhalf Oelschläger zu einer Wohnung. Schließlich ist auch privater Raum ein lebenswichtiges Gut.
Menschen im Mittelpunkt.
Eine gerechte Stadt für alle!
Sonntag, 22. September zwischen 16.30 und 19 Uhr auf dem Hillmannplatz
Mit Klara Esch vom Projekt „Unser Ebertplatz“ in Köln, Jonas Friedrich, Sprecher des Beirats Mitte, dem Obdachlosenaktivisten Markus Urban und Clara Schröder vom Verein LieLa e.V., der Frauen in Obdachlosigkeit unterstützt sowie einem Open air-Filmprogramm.
Weitere Informationen unter www.boell-bremen.de