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Schwerpunkt

Wie sich die Zeiten ändern

Frauenforschung, Feministische Studien, Gender Studies: Auseinandersetzungen um die Grundlagen wissenschaftlicher Erkenntnis

Grafik: www.vectorstock.com/huza

Am 30. Oktober 1989 erhielt die Frauenforschung in der Universität Bremen erstmals einen eigenen Raum. Die Redakteurin des BUS charakterisiert die Vorgeschichte dazu treffend: „Der Weg ist lang, aber nach einigem treppauf und treppab, ein paar Ecken, einem langen Flur und vorbei am sportärztlichen Notdienst, ist das Ziel erreicht. Ganz hinten und ganz unten im Sportturm hat die Wissenschaftliche Einheit (WE) Frauenforschung einen Raum zugeteilt bekommen, wie sie selbst sagen „mit Charme und Tücke und des Rektors und Frau Brüggemanns Hilfe hat´s denn nun endlich geklappt.“ Die WE „Frauenforschung“ war Mitte der 80er Jahre von Wissenschaftlerinnen in der Uni gegründet worden. Anfang 1989 hatte der Akademische Senat (AS) für den Schwerpunkt Frauenforschung als Forschungs- und Lehrprofil die Einrichtung der Professorinnenstellen Feministische Naturwissenschaft, Soziologie des Geschlechterverhältnisses und Recht der Geschlechterbeziehungen, sowie eine Dozentinnenstelle Kulturanthropologie mit dem Schwerpunkt feministische Theorie beschlossen.

Viele Debatten und ein Streik

Davor lagen seit den 1970ern Debatten, Seminare, Examensarbeiten, Konferenzen, und nicht zuletzt ein (bundesweiter) Studierendenstreik im WS 88/89, aufgrund dessen der Rektor zu einer Viertelparitätischen, nicht ganz hart quotierten Kommission für Hochschulentwicklungsplanung und Überlast gedrängt wurde. Diese empfahl dem AS, die „wissenschaftliche Auseinandersetzung mit frauenspezifischen Fragen in allen Fächergruppen (NW, IW, SW, GW) personell abzusichern“. Vom Bund gab es Überlastmittel, woraus zusätzlich je eine Professorinnenstelle für frauenspezifische Fragestellungen in der Informatik, für frauenspezifische Aspekte der Technik und Technologiegestaltung, und für feministische Geisteswissenschaft geplant wurden. Nur zwei dieser Professuren konnten allerdings zeitnah besetzt werden: Soziologie 1990 und Jura 1992. Um die übrigen Stellen folgte ein Gerangel zwischen universitären Gremien, wegen einzelner Kandidatinnen, oder hinsichtlich der Zuordnung zu Fachbereichen.

Professorinnenstellen

Ab 1995 verhandelte der AS die weitergehende Institutionalisierung der Frauen- und Geschlechterforschung. Im Ergebnis wurde 1998 das Zentrum für Feministische Studien, Frauenstudien - Genderstudies (ZFS) als Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der Universität Bremen beschlossen. Es wurden sieben der Frauenforschungsprofessuren sowie zwei Dozenturen zugeordnet. Als Besonderheit erfolgte die Aufteilung der Lehrdeputate mit einer Doppelstruktur: 50 Prozent sollten dem jeweiligen Fach und 50 Prozent dem ZFS für neue Lehrangebote der Frauen- und Geschlechterstudien zustehen. Bis 2001 wurden fünf der Professorinnenstellen am ZFS besetzt.

Zentrum Gender Studies

In 2002 wurde die Hochschulentwicklungsplanung neu gefasst und der Schwerpunkt Frauenforschung gestrichen; alle Professuren wurden den Fachbereichen zugewiesen. Das ZFS wurde trotz erheblicher Einschränkungen weitergeführt und später umbenannt in Zentrum Gender Studies (ZGS). Die Wissenschaftlerinnen des ZFS bauten ab 2004 ein viersemestriges Zertifikatsstudium „Gender Studies“ auf. Es konnte bis 2012 in Kooperation mit der Universität Oldenburg durchgeführt werden, wo inzwischen erfolgreich das Bachelor-Studium Gender Studies angeboten wird. Das ZGS geriet im Zuge mehrerer Sparrunden weiter unter Druck und löste sich 2014 auf. Keine der in den Fachbereichen frei gewordenen Professuren wurde wiederbesetzt. In diesen Tagen gehen die letzten beiden Professorinnen für Geschlechterforschung aus Jura und Soziologie in den wohl verdienten Ruhestand.

Fazit

Mehrere Jahrzehnte lang war die Universität Bremen ein herausragender Ort für den disziplin-übergreifenden Austausch der Geschlechterforschung. Nachwuchswissenschaftler*innen aus diesen Kontexten haben inzwischen andernorts wichtige Positionen inne. Insbesondere muss die Entwicklungsgeschichte der feministisch-kritischen Auseinandersetzung mit Natur- und Technikwissenschaften als international hochrangig beurteilt werden. Gegen den institutionellen und individuellen Widerstand auf vielen Ebenen ist in 50 Jahren (noch?) kein Kraut gewachsen. Das unwissenschaftliche Niveau vieler dieser Auseinandersetzungen benennt der BUS-Artikel von 1989 deutlich:

«Es geht also voran, hoffentlich auch mit der Einsicht bei einigen Bewohnern des Sportturms, dass nämlich das systematische Abreißen von Plakaten mit Hinweisen und Informationen für Frauen nicht nur unsportlich, sondern schlicht borniert ist.«