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Schwerpunkt

Wenn Räume und Personal fehlen

Die akut unbefriedigende Situation an der Paul-Goldschmidt-Schule

Wenn ich sage, es reicht, dann muss ich mich auch fragen, was ist es, das reicht und warum verliere ich jetzt, nach 25 Dienstjahren, die Geduld und schreibe diesen Artikel?

Liebe Kolleg:innen, seit Februar 1998 arbeite ich als Sonderpädagoge an der Paul-Goldschmidt-Schule, damals Schule an der Louis-Seegelken-Straße, ein Förderzentrum für körperliche und motorische Entwicklung in Bremen-Lesum. Die Paul-Goldschmidt-Schule ist eine staatliche Schule und kann von Kindern mit körperlichen und/oder motorischen Beeinträchtigungen aus dem gesamten Stadtgebiet angewählt werden. Die Schülerschaft dieser Schule ist sehr heterogen von leichter körperlicher Beeinträchtigung bis zu schwerst-mehrfacher Behinderung. Unterrichtet und betreut werden die Schüler:innen im Halbtag durch multiprofessionelle Teams, bestehend aus Sonderpädagog:innen aller Fachbereiche, Heilerziehungspfleger:innen, Krankenschwestern, Krankenpflegern und Erzieher:innen.

Es reicht - Die Raumsituation

Das Schulgebäude ist für maximal 80 Schüler:innen geplant worden, momentan haben wir aber mehr als 160 Schüler:innen, Tendenz steigend. Viele Schüler:innen der Paul-Goldschmidt-Schule sind Seiteneinsteiger aus der Inklusion, die dort nicht die für sie notwendige Förderung erhielten. Aufgrund dieser Überbelegung wurden Fachräume zu Klassenräumen umfunktioniert und es fehlt an Differenzierungsräumen! Sowohl der Kunst-, Werk-, Snoezel- als auch der Musikraum mussten aufgegeben werden. Momentan wird ein Gebäudeteil renoviert, die Klassen wurden in ein schulnahes dreistöckiges Gebäude ausgelagert und während dieser Umbauphase gibt es kein Mitarbeiter:innenzimmer mehr. Dieses Provisorium ist für alle dort untergebrachten Klassen kaum zumutbar.

Mehrere Klassenräume sind zu klein für die Anzahl der Schüler, Unterrichtsdifferenzierung findet oft auf den Fluren vor den Klassen statt. Es gibt für viele Schüler:innen in diesem Gebäude keinen angemessenen Pausenbereich, die Schulpausen finden zu versetzten Zeiten im Flurbereich statt. Die räumliche Enge führt zu Stress bei Schüler:innen und dadurch zu Stress bei den Betreuungskräften. Die Fahrstühle sind verhältnismäßig klein und reparaturanfällig, dadurch kann die Bewältigung der Wege in bzw. aus dem Gebäude zu Beginn und bei Schulschluss sehr lang dauern. Zudem gibt es drei Standorte, an denen die Schüler morgens ankommen bzw. am Mittag abfahren. Der Transfer in die jeweiligen Klassenräume ist personal- und zeitintensiv.

Es reicht – Die Personalsituation

Nach fast drei Jahren Corona, in denen alle Mitarbeiter:innen durch zusätzliches Engagement die Schule unterstützt haben, fehlt vielen die Kraft, Ausfälle aufgrund von Krankheiten haben zugenommen. Zudem ist die Zahl der Langzeiterkrankungen gestiegen. Dadurch steigt die Belastung der anwesenden Kolleg:innen weiter. Arbeitsschutz, Fürsorgepflicht und Personalbindung sehen anders aus. Seit Beginn dieses Schuljahrs ist die Personallage dramatisch schlecht! Durch fehlendes nichtunterrichtendes pädagogisches Personal, Schwangerschaften und Erkrankungen waren in der Zeit von Anfang September 2022 bis zum Jahresende immer wieder Schulkassen in der Notbetreuung. Für viele Mitarbeiter:innen bedeutete dies, dass sie erst morgens erfuhren, in welchem Team sie zur Betreuung eingesetzt wurden. Ein geplantes pädagogisches Agieren ist so nicht möglich. Da sich die Personalsituation in naher Zukunft nicht verbessern wird, hat die Schulleitung den Kolleg:innen der Mittelstufe am 5. Dezember mitgeteilt, dass die Mittelstufe von sieben auf sechs Klassen reduziert werden soll. Diese Umsetzung wurde zum 16. Januar umgesetzt, das heißt, die davon betroffenen Schüler:innen und Kolleg:innen haben innerhalb des Schulhalbjahrs die Klassen und Teams gewechselt!

Die Anzahl der Schüler:innen pro Klasse ist gestiegen. Der Fachkräftemangel an der Paul-Goldschmidt-Schule hatte auch zur Folge, dass die Schulleitung mehrfach personelle Zusagen nicht einhalten konnte. Dies führt zu Spannungen zwischen den betroffenen Klassenteams und der Schulleitung! Durch den Einsatz von Kolleg:innen der Stadtteilschule wird versucht, den Personalmangel zu kompensieren! Diese Kolleg:innen sollten nur kurzfristige Vertretungen übernehmen, in der momentanen Situation werden sie häufig darüber hinaus eingesetzt. Das führt bei vielen zu erheblicher Belastung. Auch die Schulleitung ist durch diese Situation außerordentlich gefordert.

Es reicht – Die Rahmenbedingungen

Eine Schulentwicklung ist unter diesen Voraussetzungen kaum möglich. Die Einführung der Ganztagsschule an der Paul-Goldschmidt-Schule und die mögliche Auslagerung der Grundstufe an eine Grundschule ortsnah in Lesum sind weitere Großprojekte, die geplant und umgesetzt werden müssen.

Es reicht - für die Eltern

Durch die häufige Notbetreuung entfällt viel Unterricht für ihre Kinder. Für die Eltern, deren Kinder nicht in die Notbetreuung der Schule gehen können, ist es eine zusätzliche Belastung. Planbarkeit des familiären Alltags ist bei ihnen so kaum möglich.

Es reicht - für die Schüler:innen

Häufiger Personalwechsel führt bei vielen Schüler:innen zu Verunsicherung und Stress. Im Notdienst gibt es oft nur Betreuung statt Unterricht, es fehlt die gewohnte Klassenzusammensetzung. Viele Schüler:innen an unserer Schule sind auf ein vertrautes Umfeld angewiesen.

Was braucht es für die Überwindung dieser Krise? In erster Linie braucht es mehr Geld für den Bildungsbereich. Ohne den konsequenten Willen, die Schulmisere in Bremen zu überwinden, werden wir nicht aus dem Krisenmodus herausfinden. Es braucht mehr nichtunterrichtendes pädagogisches Personal. Da es auch in diesen Berufsgruppen einen Fachkräftemangel gibt, muss die Attraktivität der Stellen zum Beispiel durch bessere Bezahlung erhöht werden. Es braucht mehr unterrichtendes Personal, damit die Kolleg:innen der Stadtteilschule nicht überlastet werden. Es braucht eine Verbesserung der Raumsituation: Die Ausgliederung der Grundstufe muss vorangetrieben werden. Neubauten sind großzügig zu planen und zu bauen. Dabei sind auch Räume für den Betrieb einer Ganztagsschule mitzudenken.