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Vergeichsarbeiten

Wenn ich nicht mehr weiter weiß, schreib' ich 'ne Vergleichsarbeit?!

Eine Beurteilung der „Testeritis“ aus Schüler*innensicht

Im Moment wird die geplante Erweiterung von VERA 3 auf zwei verpflichtende Fächer heiß diskutiert. Was man dabei aber nicht vergessen darf: VERA 3 ist mitnichten die einzige Vergleichsarbeit, die Schüler*in von heute schreiben darf. Mit insgesamt sieben solcher Arbeiten, vier Schulleistungsstudien, national und international, zwei Schulentwicklungsstudien und einer schulinternen Vergleichsarbeit, wird das Schulsystem geprüft. Und den Schüler*innen wird schon in der Grundschule gezeigt, worauf es im Leben wirklich ankommt: Besser sein als alle anderen.

In einer Vorstandssitzung der GSV (Gesamtschüler*innenvertretung) haben wir mal gesammelt, welche Meinungen und Erfahrungen es zu Vergleichsarbeiten gibt. Im Großen und Ganzen ließ sich das Gesagte in drei Kategorien einteilen, die allesamt nicht positiv waren. Die erste Kritikkategorie war die nicht bis gar nicht vorhandene Aussagekraft. Auch wenn der Studienaufbau erst mal „idiotensicher“ wirkt, gibt es in der Praxis nicht zu übersehende Unzulänglichkeiten. Erstmal ist es überhaupt fraglich, ob man Wissen quantifizieren kann, und wenn ja, ob eine Vergleichsstudie das richtige Mittel ist.

Zweitens haben die Studien, so wie sie im Moment durchgeführt werden, keinen wirklichen Wert. In der Sitzung wird von Einflussnahmen durch die Lehrkräfte und geringschätziger Nicht-Bearbeitung durch die Schüler*innen berichtet. Wofür also eine Vergleichsarbeit, wenn Lehrkräfte bei der Bearbeitung helfen oder nicht alle mitschreiben lassen? Oder die anderen in der Klasse die Arbeit halb ausgefüllt abgeben, um früher Pause zu haben, immerhin zählt sie nicht mit für die Noten. Trotz dessen, dass einige Schüler*innen die Vergleichsstudien nicht ernst nehmen, scheint den Lehrkräften ein gutes Abschneiden trotzdem sehr wichtig zu sein, was teilweise seltsamste Stilblüten treibt. „Bei uns wurde so viel gelernt, wie für die MSA-Arbeiten. Die Lehrkräfte haben uns noch mehr Druck gemacht, als eh immer schon“, heißt es aus der Runde.

Die zweite Hauptkritik schließt daran an, eine große Belastung für alle ohne ernsthaften Benefit. Dadurch, dass vor Ende des Schuljahres alle Themen abgefragt werden, die in diesem Schuljahr behandelt werden müssen, wird eine ziemlich kontraproduktive Kettenreaktion in Gang gesetzt. Die betreffenden Lehrkräfte, oder zumindest ein Teil davon, bekommen das große „P“ in den Augen, weil sie mit ihren Schüler*innen noch nicht so weit im Unterricht sind. Also werden Themen mit Phrasen wie, „So und das merkt ihr euch jetzt bitte, bis wir damit weiter machen, aber erst müssen wir noch ein anderes Thema zwischen schieben“ vorgezogen. Die Erfahrungsberichte aus der Gruppe bestätigen, was man sich denken könnte: Niemand hat sich das erste Thema soweit gemerkt, dass man nach dem Zwischenschub nahtlos hätte weiter machen können. Es ist auch nicht grade pädagogisch wertvoll, Schüler*innen eine Arbeit schreiben zu lassen, die darauf ausgelegt ist, dass sie niemand schaffen kann. Effizienter kann man die Botschaft, „du bist absolut nicht gut genug, außer du kommst aus einem „bildungsnahen“ Haushalt, der weiß, wie diese Tests funktionieren und dir, unterstützend zur Lehrkraft, alles in den Kopf prügelt“,  nicht vermitteln.

Wenn es dann, um zum dritten Kritikpunkt zu kommen, aus den Tests resultierende Förderungen und zur Verfügungstellung von Ressourcen gäbe, hätten die Vergleichsstudien wenigstens einen Sinn. Aber im Plenum konnte sich niemand an merk- oder sehbare Verbesserungen erinnern.  

Wozu also der ganze Stress, wenn man am Ende nicht-belastbare Ergebnisse hat, die keinerlei Auswirkungen auf konkrete Probleme haben, sondern stattdessen zu einem hohem Preis gekauft werde: Fehlende Unterrichtszeit, kein nachhaltiger Unterricht und demotivierte Schüler*innen. Aber wer will schon Geld für bessere Bildung ausgeben, wenn man stattdessen mit noch mehr Tests, ja was eigentlich beweisen kann? Das ist dann doch nicht mal mehr Filckschusterei.