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Bildungsfinanzierung

Weg mit der Schuldenbremse

Die Schwarze Null und die Unfähigkeit, makroökonomisch zu denken und zu handeln

„Die vorherrschende Wirtschaftswissenschaft ist durch ein hartnäckiges Tabu geprägt: Der Einsatz der öffentlichen Kreditaufnahme zur Finanzierung zukunftsrelevanter Infrastrukturinvestitionen - vor allem auch zur Abschöpfung der überschüssigen Liquidität in Deutschland zugunsten volkswirtschaftlicher Ausgaben - wird strikt abgelehnt. Nicht die Frage, welche Aufgaben durch welche Einnahmen zu finanzieren sind, steht im Mittelpunkt. Vielmehr gilt nur die Finanzpolitik als seriös, die wenigstens den öffentlichen Schuldenberg nicht mehr ansteigen lässt. Dadurch ist dem demokratisch-parlamentarischen Entscheidungsprozess im Zuge der Neuregelung in der Verfassung der ökonomisch begründbare Einsatz der öffentlichen Kreditaufnahme entzogen worden. Der Verzicht, die effektive Nachfrage zu steigern, hat wirtschaftliche Wachstumsprozente gekostet. Im Bereich der öffentlichen Infrastruktur sind nicht einmal mehr die Ersatzinvestitionen finanziert worden. Das infrastrukturelle Vermögen des Staates ist gesunken. Es ist höchste Zeit, die Tabuisierung der öffentlichen Kreditaufnahme zur Finanzierung und Steuerung aufzubrechen.“

 

Weniger öffentliche Investitionen

Hinter der ‚schwarzen Null’ „verbirgt sich der zuerst schleichende und dann endgütige Abschied von einer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung der Finanzpolitik. Dazu gehört auch der Verzicht auf eine Politik der Senkung der Unternehmenssteuern, die mangels ökonomischer Impulse am Ende wegen sinkender Steuereinnahmen den Staat in die erhöhte Kreditfinanzierung zwingt.

Zwei negative Folgen der Schuldenbremse sind heute schon erkennbar: Zum einen sind die öffentlichen Investitionen massiv zurück gegangen. Das zeigt sich sogar im Verzicht auf die Finanzierung der Reinvestitionen im Umfang der Abschreibungen.“

Zurück zur „goldenden Regel“

„Aber auch die Neuinvestitionen sind rückläufig. In Deutschland kam es zur Schrumpfung des öffentlichen Kapitalstocks, durch den auch die Standortqualität geschmälert wird. Zum anderen hat der Druck, öffentliche Investitionen durchzuführen, jedoch staatlich nicht mehr finanzieren zu wollen, zum zunehmenden Einsatz von Kapital aus privatwirtschaftlichen Kapitalsammelstellen geführt. Unterschiedliche Modelle zur Private-Public-Partnership (PPP) sind aufgelegt worden. Die Erfahrung lehrt, dass durch diese private Beteiligungsfinanzierung am Ende die Kosten für den Staat größer werden. Erste Pleiten zeichnen sich bei Firmen, die Autobahnteile finanziell managen, ab (etwa der Bau und Refinanzierung der Autobahn A 1 zwischen Bremen und Hamburg). Schlussfolgerung heißt „Zurück zur „goldenen Regel: Am Anfang der finanzpolitischen Staatsanalyse muss die Frage stehen, in welchem Umfang welche Aufgaben der Staat vor allem im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und der infrastrukturellen Zukunftssicherung bereitzustellen hat. Dann geht es um eine effiziente und widerspruchsfreie Finanzierung dieser Staatsaufgaben.“

 

Steuerlast gerechter verteilen

„Steuereinnahmen, dienen der Finanzierung vor allem der regelmäßig auftretenden ordentlichen Ausgaben. Sie werden von der jährlichen ökonomischen Wertschöpfung abgeschöpft. Hier stellt sich die Aufgabe, die Höhe der Gesamtsteuern im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt sowie die Prinzipien der Lastverteilung festzulegen. Die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ hat in den letzten Jahren immer wieder Vorschläge zu einer sozial-gerechten und leistungsorientierten Steuerlastverteilung entwickelt. Um die Finanzierung des Staates zu sichern, kritisierte die Arbeitsgruppe Vorschläge zu Steuersenkungen vor allem für die Unternehmen und Einkommensstarken. Kritisiert wird werden Steuersenkungen für Unternehmen, die am Ende wegen der unzureichend ausgelösten wirtschaftlichen Impulse und dadurch in folgende sinkender Steuereinnahmen den Staat zwingen, die Staatsverschuldung zu erhöhen. Öffentliche Kredite sind für öffentliche Investitionen wegen ihrer gesamtwirtschaftlichen und intergenerativen Wirkung sinnvoll. Der Staat vermag das gesamtwirtschaftliche Übersparen abzuschöpfen und für künftige Generationen durch öffentliche Infrastrukturinvestitionen Nutzen zu erzeugen.“

Die Alternative

„Die hier präsentierte Kritik belegt: Die Schuldenbremse sollte abgeschafft und ein effizienter Einsatz für öffentliche Investitionen sichergestellt werden. Die „goldene Regel“, die die staatliche Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen vorsieht, sollte finanzpolitisch wieder aufgenommen werden. Zur koordinierten Politik in der föderalen Verfassung sollten auch gezielte Fonds unter der finanziellen Führungsrolle des Bundes eingerichtet werden. Als Beispiel dafür steht das „Zukunftsinvestitionsprogramm“ von 1978. Die durch den Bund finanzierte Gesamtsumme ist in diesem Programm vor allem für Umweltprojekte zielorientiert zur Verfügung gestellt worden. Die Gemeinden konnten Projektanträge stellen. Damals waren die Projekte „Sanierung des Bodensees“ durch die Finanzierung von Kläranlagen in den Anliegergemeinden sowie „Verbesserung der Wasserqualität des Rheins“erfolgreich. An diesem Modell lässt sich heute bei der Realisierung eines projekt-fundierten Einsatzes der Staatsverschuldung anknüpfen. Es gibt also eine Alternative zur Schuldenbremse, die künftige Generationen mit nicht ausgeschöpften Wachstumspotenzialen, Arbeitslosigkeit und Infrastrukturdefiziten bestraft.“

(Auszüge aus: „Mythos Soziale Marktwirtschaft: Arbeit, Soziales und Kapital. Festschrift für Heinz-J. Bontrup“ . hrsg. von Ralf-M. Marquardt / Peter Pulte, Köln 2019)