Mustafa Güngör
Bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion
Grundsätzliche Bestätigung, aber weiterer Optimierungsbedarf: Das Bremer Bildungssystem ist zukunftsfähig. Daher wird empfohlen, die neu geschaffene Schulstruktur unbedingt beizubehalten. Die Einführung eines Zweisäulenmodells und die Inklusion sind bei Schulen und Eltern akzeptiert. Bei zwei zentralen Reformzielen – der Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der Entkopplung des Schulerfolgs von sozialer Herkunft - sind wir allerdings hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Das hatten vorher schon die jüngsten IQB-Bildungstrends deutlich gemacht.
Um gegenzusteuern, haben wir bereits ein Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht: Neben der Verstärkung der Sprachförderung und mehr Unterstützung für die inklusive Beschulung sind insbesondere für Schulen in schwieriger Lage zusätzliche Ressourcen vorgesehen. Damit sind wir auf dem richtigen Weg, das bestätigt auch die Expertenkommission. Erhebliche zusätzliche Mittel sind in den vergangenen Jahren in die Bereiche Kinder und Bildung geflossen. Im Vergleich zum vorherigen werden im aktuellen Doppelhaushalt 270 Millionen Euro mehr zur Verfügung gestellt.
Klar ist: wir müssen darüber hinaus dringend zu den Bildungsausgaben der übrigen Stadtstaaten aufschließen! Auch der bundesweite Lehrkräftemangel bleibt eine Mammutaufgabe – trotz bereits umgesetzter Maßnahmen wie zusätzlicher Referendariatsplätze, besserer Seiteneinstiegsmöglichkeiten, der Fortführung des „Inklusions-Masters“ und dem neuen Studiengang „Inklusive Pädagogik“ für das Lehramt an Oberschulen und Gymnasien.
Mit dem Qualitätsinstitut IQHB werden wir, wie vom Expertenteam angeraten, die datenbasierte Schul- und Unterrichtsentwicklung verbessern. In diesem Zusammenhang sind nicht nur die Steuerungsfunktion der Behörde, sondern auch die Unterstützungs- und Kooperationsstrukturen im Schulsystem weiter auszubauen und transparenter zu gestalten!
Bei allem, was noch zu tun bleibt: Die Evaluation ist eine Bestätigung des Schulkonsens‘. Wir laden daher alle Parteien dazu ein, auf dieser Basis an der Optimierung unseres Bildungssystems weiterzuarbeiten!
Matthias Güldner
Bildungspolitischer Sprecher der Grünen
Die Kernaussage des Berichts der ExpertInnen bezüglich der Schulstruktur ist glasklar: das zwei-Säulen-Modell soll beibehalten, die neu eingeführte Oberschule weiter gestärkt werden. Dieses Urteil deckt sich mit allen Aussagen, die ich in den letzten Jahren in den Schulen dazu eingesammelt habe.
Damit ist unsere Arbeit aber keineswegs getan. Eine viel schwierigere Aufgabe ist das Ausfüllen der Struktur in Form von qualitativ guten Schulen, zufriedenen SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen. Hier gibt es im Bericht viele Hinweise, aber wenig präzise Handlungsanleitungen. Die Arbeit der Übersetzung der Thesen der ExpertInnen liegt jetzt bei der Bildungspolitik. Da wäre zum Beispiel die grundsätzlich getragene aber in der praktischen Umsetzung viel kritisierte Inklusion. Hier wird die Kommission auch mal konkret: eine ständige Arbeitsgruppe aus allen zentral und dezentral Verantwortlichen für die Inklusion (Behörde, ReBUZ, ZuP-Leitungen.....) muss her, um endlich der wünschenswerten Vielfalt der Praxis in den Schulen einen sicheren und konzeptionellen Rahmen zu geben, auf den sich alle Beteiligten verlassen können. Es geht um die konkrete Umsetzung der Inklusion auf der Basis eines gemeinsamen pädagogischen, didaktischen und sozialen Verständnisses.
Wir müssen auch die Hinweise aufgreifen, dass das gemeinsame Lernen von ca 80% der SuS in einer weiterführenden Schulform nicht zur Verkleinerung der Abhängigkeit des Schulerfolges von der sozialen Herkunft geführt hat. Die soziale Schere klappt nicht von alleine durch die Existenz der Oberschulen zu. Teil des zukünftigen Schulkonsenses muss sein, dass die Schulen mit den schwierigsten SuS die besten Bedingungen zum Arbeiten brauchen. Mehr Ressourcen, starke Unterstützung, konzeptionelle Hilfe und solidarische Begleitung der LehrerInnen und der NUPs bei ihrer kräftezehrenden Arbeit.
Ich wünsche mir eine vertiefte Diskussion überall dort, wo an guter Schule gearbeitet wird. Die Erkenntnisse müssen am Ende weit über den vorliegenden Bericht hinausgehen, wenn es mehr als bisher voran gehen soll.
Kristina Vogt. Fraktion DIE LINKE. in der Bremischen Bürgerschaft
Die Evaluationsstudie benennt sehr offen, woran es im Bremer Bildungssystem hapert:
1) Es fehlen Ressourcen, insbesondere die Inklusion ist unterausgestattet. Die Förderquote in der Zuweisungsrichtlinie ist zu niedrig angesetzt, den ZuP-Leitungen stehen zu wenig Entlastungsstunden zur Verfügung und die ReBUZ sind personell unterausgestattet. Eine hohe Bereitschaft zum inklusiven Unterricht an den Schulen wird durch die katastrophale Ausstattung kaputt gemacht. Nur massives Umsteuern in diesem Bereich wird die Inklusion zu einem Erfolgsmodell werden lassen.
2) An den Bremer Schulen wird soziale Ungleichheit eher verstärkt. Damit ist eines der wichtigsten Ziele der Schulreform nicht erreicht worden: die Oberschule sollte mehr Kinder aus benachteiligten Familien zum Bildungserfolg helfen. Es reicht nicht, lediglich die Schulstrukturen zu ändern. Schulen in sozialen Brennpunkten müssen gezielt mit zusätzlichen Mitteln und Personal ausgestattet werden, damit die notwendige Förderung gelingt. Es bedarf anderer Konzepte und Methoden. Vor allem für die gezielte Sprachförderung besteht Handlungsbedarf.
3) Die Konkurrenz der Schulen in der Sekundarstufe I ist nicht zielführend. Das betrifft das Nebeneinander von Gymnasien und Oberschulen, aber auch den Wettbewerb zwischen Oberschulen mit und ohne Oberstufe. Vor allem die kleinen Oberschulen drohen zum Verlierer im System zu werden. Kleine Oberstufen bieten zudem weniger Profile an, durch Umberatungen scheitern einige Schüler*innen. Langfristig muss es das Ziel bleiben zu einer wirklichen Schule für alle zu kommen. Kurzfristig müssen klare Kooperationen zwischen Oberschulen mit und ohne Sekundarstufe II etabliert oder Oberstufenzentren reaktiviert werden, um an allen Schulen einen Weg zum Abitur aufzuzeigen.
Dies sind alles Punkte, auf die wir als LINKE immer wieder hingewiesen haben. Die Wissenschaft bestätigt unsere Kritik. Man darf jetzt keine Zeit mit weiteren Diskussionen verschwenden, sondern muss zügig in Personal, Räume und Ausstattung der Schulen investieren.
Julie Kohlrausch
Bildungspolitische Sprecherin der FDP
Der Schulfrieden hat sein Ziel im Grundsatz nicht erreicht. Die Bremer Schülerinnen und Schüler schneiden nach wie vor in allen Bildungstests schlechter ab, als die Schülerinnen und Schüler in anderen Bundesländern. Insgesamt ist bei mir der Eindruck entstanden, dass die Koalition den Schulfrieden als Anlass genommen hat, sich auszuruhen, statt aktiv für eine bessere Qualität im Bremer Bildungswesen zu arbeiten. Um die Probleme der aktuellen Schulpolitik zu lösen, braucht es neue Ideen, mehr Geld und eine Rückbesinnung auf die grundlegenden Aufgaben der Schule.
Die Studie zeigt auch, dass unsere Forderung, nach der Fokussierung auf die Basiskompetenzen in der Grundschule elementar zur Qualitätssteigerung im Bildungsbereich beitragen wird. Alle Kinder die die 4. Klasse verlassen sollen die Grundlagen im Lesen, Schreiben und Rechnen erlernt haben. Wichtig ist, dass mehr Geld in die Schulbildung fließt. Gerade im Bereich des Personals und der räumlichen Ressourcen ist eine bessere Ausstattung unumgänglich. Darüber hinaus fordern wir mehr Doppelbesetzungen in Klassen und mehr Zeit für Kooperationen.
Dass Senatorin Bogedan sich dafür lobt, im Herbst 2017 auf die Bildungstrend-Ergebnisse reagiert zu haben, findet ich als ehemalige Schulleiterin beschämend. Unter Bogedan stagniert die Bildung unserer Kinder auf schlechtem Niveau. Nicht schlechter geworden zu sein, reicht anscheinend aus. Das zeigt, dass wir in Bremen dringend neue Impulse und Köpfe brauchen.