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„Warum lasst ihr euch das gefallen?“

Gewerkschaftliches Engagement: GEW-Urgestein Horst von Hassel (88) über den Wandel der Zeiten

Horst von Hassel heute, im Hintergrund in den 80ern mit Bundespräsident Weizäcker

Horst von Hassel ist 88 Jahre und davon mehr als 69 Jahre in der GEW. Der Lehrer, Schulleiter und ehemalige Bildungssenator (1979-1983) mischt sich immer noch ein – im Arbeitskreis Senioren und als Delegierter beim Gewerkschaftstag. Er kann aus vielfältiger Perspektive berichten, wie sich die GEW Bremen und die Bereitschaft, sich für die Gewerkschaft zu engagieren, verändert haben.

Wann und warum bist in die GEW eingetreten?

Gleich nach meiner ersten Lehrerprüfung 1947, ich glaube im Juni, bin ich nicht in die GEW, weil es die damals noch nicht gab, sondern in den Bremerhavener Lehrer/innenverein eingetreten. Damals war es für uns junge Kollegen selbstverständlich, Mitglied in einer Gewerkschaft zu sein. Das war unsere Organisation und eine Organisation brauchte man ja, als Interessenvertretung. Mit seinen Aktivitäten, seinem Programm und seiner Struktur kam nur der Lehrerverein in Frage. Wenig später wurde der Lehrerverein in die GEW überführt.

Wie hat sich das Engagement für die GEW verändert?

Bei dem Vergleich zu heute ist vor allem auffällig, dass die GEW damals in einem viel stärkeren Maße pädagogische Interessen hatte. Es gab viel Rat und Hilfe von älteren Kollegen. Die rechtliche Situation und  Arbeitsbelastungen standen damals nicht im Vordergrund. Kurz nach dem Krieg waren wir froh in unserem Beruf arbeiten zu dürfen, ich hatte in meiner 7. Klasse bis zu 60 Schüler/innen. Ein demokratisches Verhalten und das Engagement für eigene Arbeitsinteressen zu kämpfen, haben wir nach der braunen Zeit mit Befehl und Gehorsam erst langsam aufgebaut. Die Veranstaltungen in der GEW waren für mich ein Stück weit auch politische Schule. Da habe ich gelernt, frei zu sprechen und mich einzusetzen für Formen der Schulveränderung. Aber die GEW hat sich auch damals politisch eingemischt, sie wurde bei den Verantwortlichen gehört.

Wie mutig war die GEW damals im Umgang mit der Bildungspolitik?

Es klingt vielleicht etwas vermessen, aber wir hatten damals nicht die gleiche Furcht vor Fürstenthrönen. Wir taten uns zusammen, wir fühlten uns stark. Mit der Organisation im Rücken haben wir unser Wort gemacht. Heute ist die Situation eine etwas andere. Im Gespräch mit jungen Kolleginnen und Kollegen habe ich zu meinem Bedauern, Schrecken fast, gedacht: Warum lasst ihr euch das gefallen? Dagegen muss man sich doch wehren. Es gibt doch Dienstanweisungen und alle möglichen Rechte, die sie haben. Dann kam oft als Antwort, etwas kleinlaut: Wir trauen uns nicht. Es tauchte auch das Wort Angst auf. Das hat mich bedrückt. Das war auch ein Grund, dass ich - trotz meines Alters - immer noch versuche, dabei zu bleiben und den Jüngeren mit meinen Erfahrungen den Rücken zu stärken. Gerade in dieser Zeit, in der es gesellschaftspolitisch auf Schule bezogen rückwärts geht. Mal abgesehen von der Inklusion, aber auch da muss festgestellt werden, dass sie überstürzt eingeführt und schlecht vorbereitet wurde. Sie wird betrieben auf Kosten der Lehrerschaft.

Du warst Schulleiter, in der Bildungsdeputation und auch vier Jahre SPD-Bildungssenator. Gab es da Interessenkonflikte mit deinem GEW-Engagement?

Das war die Zeit der Berufsverbote. Linke Kräfte haben versucht, die GEW zu einer Sperrspitze in der gesellschaftlichern Auseinandersetzung generell zu machen. Das war nicht mein Ding. Ich habe aber immer sorgfältig getrennt, wenn ich ein politisches Amt inne hatte. Ich bin immer GEW-Mitglied geblieben, aber es war nicht meine Aufgabe, politische Kämpfe zu führen. Als Senator war es meine Aufgabe schulpolitisch voran zu kommen und Verbündete zu finden. Damals habe ich mich gewundert, dass von der linken Seite oft Widerstände kamen, die ein bisschen hergesucht waren. Ich habe mir das so erklärt: Die SPD sollte nicht gewinnen.  

Deine derzeitige Nachfolgerin ist Claudia Bogedan. Wie ist mit ihr umzugehen? Was würdest Du der GEW raten?

Man muss sie bedrängen. Das ist klar. Die schulpolitischen Probleme sind so gewaltig, da darf man ihr keine Zeit mehr geben. Die ersten 100 Tage im Amt sind lange abgelaufen. Zu meiner Freude wird derzeit – trotz schwieriger Lage – gegenüber der Senatorin von GEW-Seite Positionen vertreten und Forderungen gestellt, die richtig sind und bleiben.

Zurück zu dir und deinem GEW-Engagement. Wie bringst du dich heute ein?

Ich gehe zum Seniorenkreis. Das ist ein Anregungsort. Der Arbeitskreis ist so aktiv, dass er Ideen in den Vorstandsbereich einbringt. Und ich war bis jetzt auch noch Delegierter, aber das will ich aus Altersgründen aufgeben. Die GEW ist der einzige Ort, an dem ich mich noch mit Überzeugung beteiligen kann, weil ich die Intention für „Eine Schule für alle Kinder“ erkenne.

Welche Erwartungen und Wünsche hast du an deine Gewerkschaft?

Sie muss weiter dran bleiben – auch wenn es um die Rolle der Kolleginnen, der Frauen innerhalb der GEW geht. Da hat es zuletzt intensive Auseinandersetzungen gegeben. Daraus mussten Konsequenzen erwachsen. Jetzt gab es einen notwendigen Fortschritt. Das ist erfreulich