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Schwerpunkt

War früher besser?

Fortschritte durch Pragmatismus, inklusive Ausbildung und ein Sondervermögen für Bildung

Foto: Susanne Carstensen

Ich arbeite als Sonderpädagogin in einer schulersetzenden Maßnahme und bin ehrenamtlich in einem interkulturellen Verein tätig, der geflüchtete Menschen unterstützt. Ich weiß gar nicht, wie oft ich in den vergangenen Jahren gehört habe: „Wann wird alles wieder endlich normal?“ Ich mag den Begriff „normal“ nicht, da meist von einem subjektiven Normalitätsbegriff einer vermeintlichen Mehrheit ausgegangen wird, die somit die „Normalität“ anderer ausklammert oder nicht zulässt. Und das führt zu Ungerechtigkeit, da jede und jeder für sich selbst definiert, was „normal“ ist. Es geht doch bei diesem Ausspruch darum, dass wir uns in eine Zeit zurücksehnen, die vermeintlich besser war. Aber war sie das?

Schlechte Bildungsversorgung

Die schlechten Bedingungen im Bildungssystem bestehen schon lange, die Pandemie hat sie uns nur außerordentlich deutlich gemacht. Besonders gravierend betrifft das die Situation der zugezogenen Menschen und der Menschen, die in prekären Verhältnissen leben. Die Bildungsversorgung der Kinder und Jugendlichen mit denen ich arbeite, sowohl beruflich als auch ehrenamtlich, verschlechtert sich auch weiterhin, trotz vielfach aufgelegter Förderprogramme. Ich glaube, ganz oft kommen die Maßnahmen nicht bei denen an, die sie am meisten benötigen. Hier wünsche ich mir mehr Pragmatismus und verbesserte Netzwerkarbeit mit lokalen Akteur:innen und Vereinen.

Stundenreduzierung reicht nicht

Zurzeit sind es die hoch engagierten Menschen, die im Bildungssystem arbeiten, die es am Laufen halten. Ich habe selber die Erfahrung gemacht, dass die persönlichen Kräfte nicht unendlich einsetzbar sind und jede:r irgendwann an den Punkt kommt zu entscheiden, ob und wie diese Arbeit noch machbar ist. Wenn man an diesen Punkt kommt, muss es möglich sein, sich beruflich verändern zu können. Eine Stundenreduzierung reicht häufig nicht aus, um zufrieden, gesund und gut in diesem Beruf arbeiten zu können. Hier wünsche ich mir pragmatischere und kurzfristige Lösungen für Lehrkräfte.

Mehr Zeit und Ressourcen

Die Pandemie hat mir auch gezeigt, dass es möglich ist, für wichtige Ziele, alles Erdenkliche möglich zu machen. Wir brauchen eine Bildungsoffensive, die die Grundstrukturen der Ausbildung von Lehrkräfte neu denkt. Verlangt ein inklusives Schulsystem nicht auch eine inklusive Ausbildung? Und besonders in der aktuellen politischen Situation würde ich mir ein Sondervermögen für Bildung wünschen. Nicht um iPpads anzuschaffen, sondern um Kindern und Jugendlichen Zeit und Ressourcen zu Teil werden zu lassen, die sie dringend benötigen. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben.