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Bildung für Geflüchtete

Unpädagogische Zustände

Die Situation rund um die Erstbeschulung von Zugewanderten hat sich nicht verbessert

Wenn Sonja van der Westhuizen an die Situation ihrer Schülerinnen und Schüler denkt, erkennt man sofort ihre Sorgenfalten. Die Rahmenbedingungen für Lernen und Unterricht und ihre Arbeitsbedingungen in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber und Flüchtlinge (ZASt) in der Lindenstraße 110 (Bremen-Nord) sind schlecht. Um die Berufszufriedenheit der Lehrerin, die dort im Rahmen einer Hausbeschulung unterrichtet, ist es nicht gut bestellt. „Uns Lehrerinnen wurde ein Raum abgezogen, die Elterngespräche müssen auf dem Flur stattfinden, es gibt keine Sozialräume, der Kopierer steht im Klassenraum, auch die bei heterogenen Gruppen so wichtigen Differenzierungsräume fehlen, der Fahrstuhl ist oft außer Betrieb“, klagt sie. Und dies sind nur Beispiele aus ihrer Mängelliste.

Improvisation ist angesagt

Westhuizen und ihre beiden Kolleginnen versuchen alles, um den Start der Kinder in Deutschland und Bremen zu erleichtern. Durch die so genannten Transfers, wenn die Schülerinnen und Schüler aus der ZASt ein- und ausziehen, herrscht eine große Fluktuation. Ein kontinuierliches Arbeiten ist so nur schwer möglich. Die Lehrkräfte unterrichten derzeit zusammen rund 100 junge Menschen. Sie bringen ihnen vor allem Deutsch bei. Die Anzahl an Schülerinnen und Schülern schwankt stark.„Hier ist Improvisation angesagt.“ Und wenn zu viel improvisiert werden muss, erschwert dies den Integrationsprozess oder verhindert ihn sogar, so die Einschätzung der Lehrerinnen.

Mangelnde Kommunikation

Die BLZ hatte vor vier Jahren – zur Zeit, als besonders viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche nach Bremen gekommen sind, über die Lage der Hausbeschulung berichtet. Damals noch an mehreren Standorten, derzeit wird sie nur noch in der Erstaufnahmeeinrichtung in Vegesack durchgeführt. Das Angebot richtet sich an Schulpflichtige, die noch nicht auf Regelschulen verteilt werden konnten. Obwohl laut Bildungsbehörde nur ein temporärer Aufenthalt vorgesehen ist, bleiben die Kinder nicht selten länger als ein halbes Jahr in der ZASt und werden viel zu spät einer Regelschule zugewiesen. „Ein Unding“, meint Westhuizen. Sie kritisiert auch die mangelnde Kommunikation mit der Arbeiterwohlfahrt als örtlicher Träger. Der Informationsfluss mit der Bildungsbehörde ist ebenfalls verbesserungswürdig. „Wir wünschen uns mehr und verlässlichere Transparenz. Oft bleiben nachfragende Mails unbeantwortet.“

Personalrat eingeschaltet

Mittlerweile wurde auch der Personalrat Schulen eingeschaltet und um Hilfe gebeten. Miriam Breckoff hat sich vor Ort die Sorgen und Nöte ihrer Kolleginnen angehört, sich ein Bild gemacht. Die Personalrätin sieht ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. „Nicht überall wo Schule dran steht, ist auch Schule drin. Die Lern- und Lebensbedingungen sind katastrophal. Die Kinder leben häufig und über lange Zeit in fensterlosen Zimmern. Sie bekommen Abschiebungen oder nächtliche Alarme hautnah mit. Die Kinder haben ein Recht auf ordentliche Beschulung.“ Auch die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte kritisiert die Interessenvertreterin, die selbst Lehrerin ist: „Das ist auch arbeitsrechtlich problematisch. Wir werden das bei der Bildungsbehörde zur Sprache bringen.“

Sonja van der Westhuizen und ihre Kolleginnen haben einen schwierigen Alltag. Sie müssen multiprofessionell mehrere Tätigkeiten gleichzeitig erledigen. Sie sind Lehrerinnnen, Inklusionsbeauftragte, Streitschlichter, Alltagsberater und vor allem Kämpferinnen gegen widrige Umstände.