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Schwerpunkt

Unerheblich und bedeutungslos

Die Zentralen Abschlussprüfungen und der Schnellschuss

Manchen Politiker:innen wird unterstellt, dass sie die Dinge vom Ende her denken – andere entscheiden da lieber aus dem Bauch heraus. Am Anfang stand die Entscheidung, dass die Noten der Zentralen Abschlussprüfungen (ZAP) nur dann in die Gesamtnote der Fächer einbezogen werden, soweit sie zu einer Verbesserung oder Bestätigung beitragen. Was Anfang Februar bestenfalls noch als Erleichterung für die Prüflinge gedacht war, erwies sich umgehend und einmal mehr als voreiliger Schnellschuss. Früh waren so die Weichen für eine völlig falsche Richtung gestellt. Als dann in der Woche vor den Osterferien die Regelungen zu den Abschlüssen der Sekundarstufe I konkretisiert wurden, war das Dilemma offensichtlich und konnte nicht mehr kaschiert werden.

Der Wille zählt, nicht die Note

In schönstem Beamt:inendeutsch wird mit Verweis auf die bestehende Rechts- und Verordnungslage erläutert, dass zwar alle Schüler:innen verpflichtet sind, an der Prüfung teilzunehmen, („Der Prüfling darf also weder unentschuldigt den Prüfungen fernbleiben noch die Leistungserbringung verweigern.“), dafür dann die Note zwar nicht, aber der Wille zählt („Mindestleistungen in den Prüfungen sind keine Voraussetzung für das Bestehen der Prüfung“).

Ein Täuschungsversuch oder auch mehrere bleiben ohne Konsequenzen („Prüflinge, die einen Täuschungsversuch begehen, erhalten zwar die Note ‚ungenügend‘, sie geht allerdings nicht in die Bewertung ein.“).

Eine Behinderung der Prüfung kann zum Ausschluss führen, sofern für den Prüfling oder andere “die Ernsthaftigkeit der Prüfungsteilnahme nicht mehr gegeben ist“ und die Prüfungsleistungen nicht im Abschlusszeugnis ausgewiesen werden.

Die Mitteilung endet mit dem hehren Ziel, dass alle „die Chance erhalten, mit ihrer Prüfungsleistung weniger gute Vornoten (...) zu verbessern.“ Diese Einschränkung auf „weniger gute Noten“ ist vor allem deshalb angemessen, weil gute und sehr gute Noten aufgrund der Arithmetik ohnehin nicht verbessert werden können, da dies nur bei einem Notensprung von zwei ganzen Noten nach oben möglich ist. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren haben allerdings den Eindruck hinterlassen, dass die Anzahl derjenigen, die mit weniger guten Noten vorzensiert waren und sich in den ZAP dann um zwei ganze Noten verbessert haben, – nun sagen wir es einmal so – überschaubar gewesen ist.

Die kleine Corona wird’s freuen

Völlig unabhängig davon, wie sich die Pandemie in den kommenden Tagen und Wochen entwickelt und ob alle Klassenstufen in den Distanzunterricht wechseln müssen, gilt für die Abschlussjahrgänge, dass sie drei Wochen vor den schriftlichen ZAP prüfungsvorbereitenden Distanzunterricht erhalten für eine Prüfung, die für die allermeisten Schüler:innen völlig unerheblich und bedeutungslos ist. Erhebliche Bedeutung können die Prüfungen für Schüler:innen und Kolleg:innen allerdings für den Fall erlangen, dass – wie im Augenblick ernsthaft diskutiert wird – die Test- und Maskenpflicht für die Prüfungstage ausgesetzt werden, da beides als Belastung für die Prüflinge (in einer unerheblichen Prüfung) empfunden werden könnte. Der Gesundheitsschutz könnte hier also mal eben der unbedingten Prüfungsdurchführung geopfert werden - die kleine Corona wird’s freuen.

Als ungünstig mag es sich zudem erweisen, dass der Zeitraum zwischen Haupttermin und Nachholtermin kürzer ist als die vorgeschriebene Quarantänezeit. Ein Schelm, wer da denkt, dass dies der eigentliche Grund für das Aussetzen der Testpflicht am Prüfungstag sein könnte.

„Alle Maßnahmen sind von dem Gedanken getragen, die für Kinder und Jugendliche essentiell notwendige Möglichkeit des Schulbesuchs an den bestmöglichen Schutz in den Einrichtungen zu koppeln“, heißt es im Erlass vom 12. April 2021. Das klingt zumindest ungleich besser als, dass durch die Regelungen Schüler:innen in eine zumeist sinnlose Abschlussprüfung gezwungen werden, welche das Infektionsrisiko für alle Beteiligten deutlich erhöht.