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Berufsschule

Über Krisen diskutieren

Wichtiger als die Mathematikarbeit in zwei Wochen

Foto: Wilfried Meyer

Mein erster Gedanke zu den Krisen in letzter Zeit ist der, dass ich mich umso mehr freue, dass ich nicht mehr so ganz jung bin. Also ich hatte viele, viele Jahre, wo es diese Krisen nicht gab. Und in den nächsten Jahren wird es nicht besser, im Gegenteil, die Krisenlagen werden sich verschärfen. Ich denke da zuerst an das Klima und an kriegerische Auseinandersetzungen, aber auch an Corona. Mutierte Viren treten weiter auf. Für die jungen Menschen wird es leider viel schwieriger, als es damals für uns war.   

Unpolitisch als Trend

Meine Schüler:innen machen sich weniger Gedanken und Sorgen über die aktuellen Krisen. Nach meinem Gefühl ist das seit Jahrzehnten ein stetiger Trend. Es ist in der Schule insgesamt unpolitischer und weniger problemorientiert geworden, so meine Erfahrung. Die Schüler sehen selten Nachrichten im Fernsehen und lesen auch keine Tageszeitung. Ich bespreche aktuelle Geschehnisse auf der Welt gerne im Unterricht, aber viele in meinem Kollegium sind da passiver. Kontroverse Positionen und Standpunkte eignen sich hervorragend, um Themen aufzuarbeiten. Im Ukrainekrieg zum Beispiel die These, dass in den meisten Kriegen in den vergangenen 50 oder 60 Jahren auch Großmacht-Imperialisten am Werk waren, wie in Libyen, Irak Afghanistan, Vietnam oder gerade die Türken in Syrien. Meine Schüler sind dann interessierter, sie finden das spannend. Das liegt auch daran, dass die meisten von ihnen einen Migrationshintergrund haben. Viele kommen aus dem Nahen Osten oder Somalia.

Mir persönlich machen die derzeitigen Krisen wenig Angst. Das kann mich zwar noch betreffen, aber eigentlich nur noch monetär. Ob ich bald 100 oder 200 Euro mehr für das Gas bezahle oder 150 Euro mehr für einen Flug, macht mich nicht groß ärmer. Da gibt es viele andere Menschen, die wesentlich stärker betroffen sind.

Mehr mutige Lehrkräfte

Wenn ich an die nächsten Monate und Jahre denke, dann wünsche ich mir mehr Förderschulkräfte an unsere Schule. Dann hätten wir mehr Unterstützung für Schüler, die schwierig sind und dringend Hilfe brauchen. Ich würde mir auch wünschen, dass der Bereich Berufsorientierung einen höheren Stellenwert hat, und Prioritäten sich in diese Richtung verschieben. Und wir brauchen auch neue Kräfte, die den Mut haben, einmal vom Lehrplan abzuweichen, wenn zum Beispiel eine Krisensituation im Unterricht behandelt werden könnte. Also Leute, die sagen, das ist jetzt wichtig und es ist nicht entscheidend, ob wir in zwei Wochen eine Mathearbeit schreiben.