Ungleichheit auf dem „freien Markt“
Der Vorgang ist nicht neu. Die Pestalozzistraße wurde vor vier Jahren geschlossen und als „Neue Oberschule Gröpelingen“ wieder gegründet. Kurz darauf erklärte die Bildungsbehörde ihre Absicht, die Wilhelm-Kaisen Schule zu schließen. Nach Protesten in der Neustadt zog sie die Ankündigung zurück. Die GEW hat damals darauf hingewiesen, dass die in Bremen betriebene Schulpolitik mit Regelmäßigkeit solche Negativ-Ereignisse hervorbringt. FDP und Grüne hatten in der Ampelkoalition 1995 gemeinsam die stadtweite Anwählbarkeit der Sek.-I-Schulen durchgesetzt, um jeweils für ihre Klientel – durchgängige Gymnasien und Reformschulen – zu sorgen. Die schulpolitischen Maßnahmen, die seitdem getroffen wurden (Abschaffung der Orientierungsstufe, Vermehrung der durchgängigen Gymnasien, Ausstattung einzelner Oberschulen mit Oberstufen) verstärken die Zentrifugalkräfte, die in dem damaligen Beschluss angelegt waren. Der „freie Markt“ spielt sich zwischen höchst ungleichen Konkurrenten ab.
Schulen in sozialen Brennpunkten, Schulen mit hohem Gebäude-Sanierungsbedarf, Schulen ohne erfahrene Leitung und ohne starke Lobby im Stadtteil geraten spätestens dann in den Strudel, wenn mehrere dieser Faktoren zusammen kommen. Sie werden – wie die englische Schulinspektion es ausdrückt – zu „sink schools“. Die dann in Umlauf kommenden Gerüchte über eine bevorstehende Schließung besiegeln das Schicksal.
Die Kosten dieses „freien Marktes“ sind hoch. Stark angewählte Schulen müssen anbauen, bekommen Container, verkraften kaum den Ansturm (was die Qualität senkt und die Arbeitsbelastung erhöht), während auf der anderen Seite Leerstände entstehen, depressive Stimmung sich ausbreitet, Versetzungen stattfinden.
In England, dem Paradepferd des Neoliberalismus in der Bildungspolitik, werden diese Kosten bewusst in Kauf genommen. Sie dienen der Realisierung des strategischen Zieles „Privat statt Staat“. „Sink schools“ werden dort in „academies“ umgewandelt, die unter der Einflussnahme eines privaten Geldgebers stehen. Manche Entwicklungen bei uns weisen schon Anklänge daran auf: Mehrere ehemals staatliche Schulgebäude wurden von privaten Bildungsträgern übernommen (u.a. Freie ev. Bekenntnisschule, Waldorf-Schule).