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“Staatsrat Othmer zerstört Vertrauen”

An den berufsbildenden Schulen in Bremen rumort es. Sie fühlen sich vom Bildungsressort vernachlässigt. Die anerkannt hohe Qualität der beruflichen Bildung in Bremen sei durch Mittelkürzungen und Einsparungen gefährdet, meint der Arbeitskreis der Direktorinnen und Direktoren der berufsbildenden Schulen im Lande Bremen. Der Protest richtet sich vor allem gegen die weitergehenden Personalkürzungen. Zudem wird kritisiert, dass die Finanzierung der Strukturreform im allgemeinbildenden Bereich Vorrang genieße bzw. zu Lasten der berufsbildenden Schulen ginge. Arbeitskreissprecher Werner Fabisch ist enttäuscht, dass der Offene Brief an die Senatorin Renate Jürgens-Pieper im Dezember 2011 bisher nicht zu wesentlichen Verbesserungen geführt hat, im Gegenteil. Im Interview erläutert er die Hintergründe des Unmuts.

Frage: Wie beschreiben Sie das aktuelle Verhältnis zwischen dem Arbeitskreis und der Behördenleitung?
Werner Fabisch: Das Referat 22 (in der Bildungsbehörde zuständig für berufsbildende Schulen, die Redaktion) unterstützt uns bei unseren Anliegen, aber die Behördenleitung hat den Arbeitskreis nach unserem Offenen Brief zunächst mit Nichtbeachtung abgestraft. Das Verhältnis ist etwas gestört.

Frage: Ist die Störung nachhaltig oder gibt es noch Gespräche?
Werner Fabisch: Der Gesprächsfaden war auf jeden Fall unterbrochen. Staatsrat Othmer hat im November 2011 versprochen, bei den Einsparungen im Personalbereich der berufsbildenden Schulen sei mit der sogenannten Stauchung, die aktuell bei ca. 10 % liegt, das Ende der Fahnenstange erreicht. Zum Schulhalbjahr im Februar 2012 mussten wir dann zur Kenntnis nehmen, dass der bereits um die Stauchung reduzierte Bedarf der berufsbildenden Schulen bei Weitem nicht gedeckt wurde. Von 64 Stellen, die als Bedarf ausgewiesen wurden, wurden nur 14 Stellen zugewiesen, damit betrug das Defizit 16 Prozent. Zum 1. August sieht es nicht ganz so dramatisch aus, doch auch hier fehlen voraussichtlich wieder ca. 16 Stellen. Wir sind enttäuscht, dass der Staatsrat seine Zusage nicht eingehalten hat, das zerstört Vertrauen und lässt die dringend erforderliche Verlässlichkeit vermissen.

Frage: Was hat den Arbeitskreis in dem Offenen Brief an die Senatorin bewogen, so harte Formulierungen wie “Berufliche Schulen werden zerschlagen” oder “zum Steinbruch für andere bildungspolitische Ziele gemacht” zu benuzten? Ein konstruktiver Dialog geht anders.
Werner Fabisch: Wir waren über Jahrzehnte konstruktiv, lieb und nett. Die Forderungen in unserem Memorandum vom August 2009 zur Wertigkeit der Beruflichen Bildung haben wir noch moderat, angepasst und uneingeschränkt positiv formuliert. Die darin enthaltenen konstruktiven Entwicklungsvorschläge blieben leider ohne große Auswirkungen. Aber als uns neben den fortlaufenden Kürzungen die Planungen für den Umbau der Schulzentren in Walle und Blumenthal bekannt wurden, war die Zeit reif für klare und harte Formulierungen, die auch in der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wurden. Die Umstrukturierungspläne in Walle sind in der damals vorliegenden Form vom Tisch, die Handelskammer teilt unsere Sorgen und sucht in dieser Angelegenheit auch den Dialog mit der Senatorin, die politischen Parteien haben uns zu Gesprächen eingeladen, interessiert zugehört und Verständnis für unsere Anliegen gezeigt. Am 31. Mai haben wir zuletzt mit Herrn Tschöpe, Frau Böschen und Herrn Güngör (u.a.) aus der SPD-Bürgerschaftsfraktion gesprochen, die unsere Sorgen und Argumente sehr ernst genommen haben und prüfen wollen.

Frage: Die Inklusion und die Strukturreform im allgemeinbildenden Bereich sind zwei wichtige Bausteine der Senatorin. Verhindern diese Zielsetzungen Investitionen im Bereich der beruflichen Bildung?
Werner Fabisch: Beide Vorhaben sind gut und werden von uns grundsätzlich unterstützt.. Wir haben aber Zweifel daran, dass sie in dieser Form durchfinanziert sind. Die Senatorin hat klare bildungspolitische Vorstellungen, die sie, wie uns scheint, rigoros durchsetzen will. Eine Finanzierung, die möglicherweise zu Lasten der beruflichen Bildung geht, lehnen wir - wegen der gleichwertigen bildungspolitischen Bedeutung der Berufsbildung - aber ab.

Frage: Blicken Sie doch mal in die kurzfristige Zukunft der beruflichen Bildung in Bremen!
Werner Fabisch: Für die nähere Zukunft bin ich pessimistisch, falls sich die von uns kritisierten Entwicklungen fortsetzen. Es ist zu befürchten, dass das anerkannt hohe Niveau der beruflichen Bildung in Bremen auf Dauer nicht mehr zu halten sein wird. Wir laufen Gefahr, unseren bundesweiten Spitzenplatz zu verlieren. Ein hervorragend funktionierender Teil der bremischen Bildung wird zur Alimentation eines notleidenden Teils herangezogen, das kann nicht gut gehen.

Frage: Was muss passieren, damit der Arbeitskreis wieder optimistischer in die Zukunft blickt? Was fordern Sie?
Werner Fabisch: Wir fordern einen Masterplan berufliche Bildung. Wir verlangen eine verlässliche Personal- und Sachmittelausstattung und erwarten, dass die Struktur der beruflichen Bildung kontinuierlich weiterentwickelt wird. Zum Beispiel muss das Übergangssystem von der Schule in den Beruf so gestaltet werden, dass alle Jugendlichen die Möglichkeit auf eine qualifizierte Berufsausbildung erhalten. Nur so lässt sich Bildungsbeteiligung und die Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildung sicherstellen. Gerade hier hat Bremen erheblichen Nachholbedarf und gerade hierzu haben die berufsbildenden Schulen immer einen entscheidenden Beitrag geleistet. Das sehen wir in Gefahr, Qualifizierung ist langfristig billiger als die Finanzierung der Sozialsysteme. Wir wollen unseren Beitrag hierzu gerne leisten. Dass wir das können, haben wir in der Vergangenheit bewiesen.

Kontakt
Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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