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Schulentwicklungsplan für Bremerhaven

Der Stadtverband der GEW Bremerhaven begrüßt die grundlegende Ausrichtung des novellierten Bremischen Schulgesetzes, das mit § 3 (4) die Entwicklung zu einem inklusiven Schulsystem festschreibt. Die GEW sieht darin ihre Auffassung bestätigt, dass es keine Alternative zu „Einer Schule für alle“ gibt. Die GEW argumentiert dabei nicht formal auf der Grundlage der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, sondern aus Überzeugung. Unser Maßstab ist das Recht eines jeden Menschen auf Bildung in der Gemeinschaft aller. Auch im Bildungsprozess steht die Würde des Menschen über allem.

Wir teilen die im Bremerhavener Schulentwicklungsplan formulierte Kritik hinsichtlich der unsauberen begrifflichen Trennung von Integration und Inklusion sowie der Etikettierung von „Sonderschülern“ im Zusammenhang mit einem Inklusionsanspruch (vgl. S. 28, Fußnote 5).
Damit ist der Maßstab für die Bewertung der Einzelmaßnahmen definiert.

  1. Eine ambitionierte Schulentwicklung kann nur gelingen, wenn alle Schulen in diesen Prozess einbezogen werden.
    Die Feststellung: „Über die Entwicklung des Lloyd-Gymnasiums kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage getroffen werden“ (vgl. S. 19, vgl. auch S. 6) verklausuliert die politische Lage. SPD und CDU haben sich vielmehr gezielt entschlossen, das Lloyd-Gymnasium nicht anzutasten. Hier wird Klientelpolitik höher angesiedelt als eine stimmige Schulreform. Außerdem begibt man sich in Widersprüchlichkeiten zum eigenen Schulentwicklungsplan, der die Einbeziehung gymnasialer Angebote in die allgemeine Schulentwicklung fordert (vgl. S. 15) und die zukünftigen Oberschulen auffordert, ihre äußere Struktur schrittweise an eine integriert arbeitende Schule anzupassen (vgl. S 18; vgl. auch „Entwicklungsauftrag“ Integration für Oberschulen, S. 32).

  2. Pädagoginnen und Pädagogen werden weiterhin die Träger einer jeden Schulentwicklung sein.
    Mehrfach werden im Schulentwicklungsplan Erwartungen an die Beschäftigten formuliert. Sie sollen u.a. Unterrichtskonzepte modernisieren (vgl. S. 7), Übergänge verbessern (z.B. S. 9, Punkt 2) oder heterogenen Lerngruppen strukturell begegnen (vgl. den Verweis auf „jahrgangsübergreifende Lerngruppen“, S. 12). Die Autoren des Plans erkennen wiederholt die reale Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen an (vgl. z.B. S. 16) und betonen die Notwendigkeit einer „Qualifizierungsoffensive“ (z.B. S. 13, auch S. 16, Punkt C und S. 46). Insofern ist das umfangreiche Programm des LFI ausdrücklich zu begrüßen. Allerdings muss genauso deutlich festgestellt werden, dass die Begrenzung der Qualifizierungen und Stundenentlastungen zu Gunsten einer über die Klassenstufen 5 bis 10 sich erstreckenden Maßnahme (einschließlich Freistellungen) verändert werden muss.

  3. „Die Kosten einer Schulreform … sind hoch“
    Wir zitieren bewusst diesen Satz aus der 2. Fassung des Schulentwicklungsplans vom Oktober 2009, S. 50, macht er doch deutlich, dass sich alle „Rechentricks“ im Sinne einer zukunftsorientierten Bildungspolitik für die Stadt Bremerhaven verbieten. Nun spricht auch das vorliegende Papier die „Rahmenbedingungen“ (z.B. hinsichtlich der „vollen Integration“ (S. 28)) an. Die abschließende Bemerkung, dass die derzeit vom Land finanzierten 1.115 Lehrervollzeitstellen in ihrem Volumen bis zum Ende des Schuljahres 2017/18 gehalten werden müssen (vgl. S 47), kann nur als Mindestforderung angesehen werden. Wir sind uns bei dieser Einschätzung darüber im Klaren, dass angesichts aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen und der Anforderungen aus dem Länderfinanzausgleich („Schuldenbremse“) erheblicher Druck auch hinsichtlich der Bildungsfinanzierung aufgebaut wird. Dennoch erwarten wir, dass alle politischen Parteien der Ernsthaftigkeit ihrer Schulentwicklungsansprüche durch entsprechendes parlamentarisches Verhalten Glaubwürdigkeit verleihen.
    Besonderes Augenmerk gebührt in diesem Zusammenhang der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte. So sehr wir die Aussage stützen, der Einbeziehung verschiedener Professionen müsse mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden (übrigens in der gesamten Schularbeit und nicht nur im REBUS; vgl. S. 35), so eindeutig zeigen die Daten aus Universitäten und Ausbildungsseminaren einen sich anbahnenden Lehrkräftemangel auf. Schulentwicklung kann jedoch nur mit Fachleuten gelingen. Die Bemühungen, eben diese qualifizierten PädagogInnen für die Stadt zu gewinnen, sind deutlich zu intensivieren.

  4. Schulentwicklung beschränkt sich nicht nur auf die Sekundarstufe 1
    Auch wenn sich die aktuellen Auseinandersetzungen insbesondere um die „Säulen“ des Schulsystems ab Klasse 5 drehen, so bleibt eines festzuhalten: Im Sinne des Inklusionsgedankens sind die Grundschulen die am weitesten entwickelte Schulstufe. Dies ist durch den bemerkenswerten Einsatz der Kolleginnen und Kollegen gelungen – ohne flächendeckende Fortbildungsmaßnahmen und nennenswerte Entlastungen. Auch bildet die seit Jahren festgelegte Quote an sonderpädagogischer Förderung von 5,7 % (ab 2010/11: 6,0 %) eines jeweiligen Jahrgangs die Realität der Stadtgemeinde Bremerhaven nicht annähernd ab (vgl. S. 29). Wenn es „auf den Anfang“ ankommt, wie alle bildungspolitisch erfolgreichen Länder nachweisen, dann muss die Arbeit in den Grundschulen gestärkt werden. Ansatzpunkte dafür gibt es genug und nicht nur die Unterrichtsverpflichtung von 28 Stunden bei Primarstufenlehrkräften ist zu hoch.

Ein weiterer Bildungsgang verdient hier ausdrücklich Beachtung: Die Einrichtung von Werkschulen gemäß § 25 a des Bremischen Schulgesetzes. Die im Bremerhavener Schulentwicklungsplan beschriebene Gefahr einer „Entmischung der Oberschulen“ wird von uns ausdrücklich geteilt (vgl. S. 36) und die „Zugangsbeschränkung“ für eine Übergangszeit als richtig angesehen, wiewohl perspektivisch „Eine Schule für alle“ auch diese Jugendlichen eingliedern können sollte.

Unsere Stellungnahme zum Schulentwicklungsplan haben wir auf einige wesentliche Aspekte beschränkt. Nicht problematisiert wurde von uns in diesem Papier das bereits im Vorfeld kritisierte Beteiligungsverfahren und die mehrfach bewertete Debatte in der Stadtverordnetenversammlung anlässlich des EinwohnerInnenantrages des Bremerhavener Bündnisses „Eine Schule für alle“.
Für uns als Bildungsgewerkschaft gibt es tatsächlich keine Alternative zu einer inklusiven Schule. Dass diese in einer verbindlichen Ganztagsorganisation abläuft, in der Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Professionen einen komplexen Erziehungs- und Bildungsprozess anleiten, ist eine für uns schlüssige Konsequenz.
Von den (bildungs-)politischen Entscheidungsträgern erwarten wir, dass sie sich für eine Politik einsetzen, die die für Bremerhaven notwendigen Weichen stellt. Zukunft und Bildung gehören auch in unserer Stadt zusammen.